Experte sieht 25 Prozent Überkapazität in Autoproduktion

Die derzeitigen Werksschließungen federe der Staat mit der Zahlung von Kurzarbeitergeld ab

Der Automobilmarkt-Experte Ferdinand Dudenhöffer rechnet damit, dass die Produktionskapazität der Autoindustrie in Deutschland auf absehbare Zeit deutlich zu groß ist. „Mit der Corona-Krise entstehen über Nacht in der deutschen Autoindustrie bei der Pkw-Produktion in Deutschland selbst Überkapazitäten von 1,3 Millionen Fahrzeugen“, sagte Dudenhöffer der „Welt am Sonntag“. Im Jahr 2020 „dürfte die Pkw-Produktion in Deutschland auf 3,8 Millionen Fahrzeuge schrumpfen“.

Das entspräche einer Überkapazität in der Fahrzeugproduktion von 25 Prozent, verglichen mit dem Jahr 2018, sagte Dudenhöffer, der seit Kurzem an der Schweizer Universität St. Gallen arbeitet. Im vorvergangenen Jahr waren in Deutschland rund 5,1 Millionen Pkw gebaut worden, 2019 waren es noch rund 4,7 Millionen. Der schockartige Rückgang des Absatzes könnte dazu führen, dass viele der insgesamt rund 830.000 Arbeitsplätze in der deutschen Automobilbranche nicht mehr benötigt werden, bericht  et die Zeitung. Ohnehin braucht man für den Bau von Elektroautos weniger Arbeiter als für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, die wesentlich mehr Einzelteile haben. „Wir müssen mit einem Abbau der Produktionskapazität in der Autoindustrie in Deutschland rechnen“, sagte Dudenhöffer. „Gut 100.000 Arbeitsplätze könnten gefährdet sein – zwölf Prozent der heutigen Arbeitsplätze bei Autobauern und Zulieferern.“ Die derzeitigen Werksschließungen in der Branche federe der Staat mit der Zahlung von Kurzarbeitergeld zwar ab.

Dies wie auch Liquiditätshilfen etwa für kleinere Zulieferunternehmen der Autokonzerne seien aber nicht die richtigen Werkzeuge, um die Branche wieder auf Touren zu bringen. „Die Belebung der Nachfrage wird darüber entscheiden, wie viele Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie verloren gehen“, sagte Dudenhöffer. „Für die Nachfragebelebung hat die Bundesregierung bisher aber überhaupt nichts getan.“ Der Wirtschaftswissenschaftler forderte unkonventionelle Schritte auch der Automobilbranche selbst, um die Nachfrage nach Automobilen zu stimulieren, besonders auch die Nachfrage nach reinen Elektrofahrzeugen oder Autos mit Hybridantrieben. Die aktuelle „Umweltprämie“ des Staates von bis zu 6.000 Euro für elektrisch betriebene Mittelklassefahrzeuge reiche dafür nicht aus. „Die Hersteller könnten zum Beispiel günstige Auto-Abos anbieten, verbunden auch mit Rückgabegarantien im Falle von Arbeitslosigkeit“, sagte er. „Nur beherzte Maßnahmen wirken gegen die Verunsicherung der Autokäufer, die schon vor der Corona-Pandemie groß war, etwa mit Blick auf die Dieselabgas-Krise den Umstieg auf Elektrofahrzeuge.“