Ex-Wirtschafsweiser Rürup kritisiert SPD-Abkehr von Agenda-Reformen

Hartz-IV-Empfänger dürfen von Hinzuverdiensten kaum etwas behalten

Berlin. Der frühere Chef der Wirtschaftsweisen, Bert Rürup, hat die SPD-Abkehr von den Agenda-Reformen kritisiert. Die SPD werde mit ihren neuen Wahlversprechen den Arbeitsmarkt nicht verbessern. „Das größte Arbeitsmarktproblem ist immer noch die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit“, sagte der Ökonom dem „Handelsblatt“. Rürup hatte 2003 an der Blaupause für die Agenda-2010-Reformen mitgeschrieben.

Den Langzeitarbeitslosen helfe eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengelds nicht. „Wenn man glaubt, an Hartz IV etwas verbessern zu müssen, dann sollte man die Hinzuverdienstregeln erhöhen“, sagte Rürup. Heute dürfen Hartz-IV-Empfänger von Hinzuverdiensten kaum etwas behalten. Dies setze falsche „Anreize, schwarz zu arbeiten oder nach einer geringfügigen Beschäftigung zu suchen“, sagte der Präsident des „Handelsblatt“ Research Institutes. Das zweite große Problem, das es anfangs im Hartz-IV-System gab, sei bereits mit der Einführung des Mindestlohns gelöst worden.

„Vorher bot das System einen Anreiz für Arbeitgeber, möglichst niedrige Löhne zu zahlen und ihre Beschäftigten an das Sozialamt zur Aufstockung zu verweisen“, erinnerte er. Eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes wäre zwar aktuell ohne Probleme aus der prall gefüllten Kasse der Bundesagentur für Arbeit zu finanzieren, wenn man auf Beitragssenkungen verzichte, sagte Rürup. „Aber niemand hat die Gewähr, dass die derzeit hervorragende Lage am Arbeitsmarkt für alle Zeiten so gut bleiben wird wie sie heute ist“, mahnte er die Sozialdemokraten. +++