EU-Erweiterungskommissar besorgt über Brexit-Entwicklung

EU-Vergrößerung momentan unrealistisch

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn hat verärgert auf die Entwicklung in Großbritannien reagiert. Er hoffe, dass die Fristverlängerung bis zum 31. Oktober zu einem geordneten Brexit führe, sagte der Österreicher den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Ein Monat ist schon verloren. Die Briten müssen endlich sagen, was sie wollen.“ Als künftige Form der Zusammenarbeit zwischen der EU und Großbritannien schlug er eine Zollunion vor. Zugleich warnte Hahn die Staats- und Regierungschefs davor, einen neuen Kommissionspräsidenten vorzuschlagen, der nicht Spitzenkandidat bei der Europawahl war. „Das Europäische Parlament hat beschlossen, dass der nächste Kommissionspräsident aus den Reihen der Spitzenkandidaten kommen soll“, sagte er. „Und wenn der Europäische Rat jemanden vorschlägt, der kein Spitzenkandidat war, bin ich mir sicher, dass es eine starke Reaktion des Europäische Parlaments gibt.“

EU-Vergrößerung momentan unrealistisch

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn hält die Aufnahme weiterer Länder in die EU mittelfristig für unrealistisch. „Man wird sehen, ob einzelne Länder hinreichend ehrgeizig sind, um der EU in den kommenden fünf Jahren beizutreten“, sagte er den Zeitungen weiter. „Im Moment bin ich da eher skeptisch.“ Entwicklungen wie der Kampf gegen die Korruption müssten so nachhaltig sein, dass sie sich nach dem Beitritt nicht mehr umkehren könnten. Nach der Europawahl will der Kommissar seine neuen Fortschrittsberichte vorstellen. Rein formal seien Serbien und Montenegro am weitesten, berichtete Hahn. „Aber wenn wir demnächst Verhandlungen mit Nordmazedonien beginnen, schließe ich nicht aus, dass dieses Land schnell aufholt.“ Nordmazedonien habe den Namensstreit mit Griechenland gelöst und im Inneren sehr viele Reformen gemacht. „Die Voraussetzungen sind gut.“ Hahn wandte sich gegen die Forderung des österreichischen Bundeskanz lers Sebastian Kurz (beide ÖVP), die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen. Die überwiegende Zahl der Mitglieder wollten der Türkei die Tür nicht zuschlagen, sagte er. „Ich denke, wir sollten uns darauf konzentrieren, die schon existierende Zollunion weiterzuentwickeln. Das ist realistisch und für beide Seiten von Interesse.“

Die Türkei sei nicht mit ihrem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gleichzusetzen. „Es ist wichtig, jene Teile der Gesellschaft zu unterstützen, die an einer pluralistischen, demokratischen Türkei interessiert sind.“ Für die fernere Zukunft schloss Hahn eine Aufnahme der Ukraine nicht kategorisch aus. Das Land müsse „erst einmal die wirtschaftliche und rechtsstaatliche Entwicklung so vorantreiben, dass hier Stabilität entsteht und sich die Lebensbedingungen verbessern“, sagte er. „Und dann wird man sehen, wie sich die weitere Zukunft gestalten kann.“ Jedoch sprach sich Hahn klar gegen einen Beitritt Israels aus, das am Samstag Gastgeber des Eurovision Song Contest (ESC) ist. „Aus dem Vertrag von Lissabon ergeben sich Beschränkungen, die auch geografischer Natur sind – und gegen Israel als EU-Mitglied sprechen“, sagte er. Der Beitritt des Westbalkans sei das gegenwärtige Ziel, betonte Hahn. „Gleichzeitig steht die Konsolidierung der Europäischen Union auf der Tagesordnung – und die Frage, wie Europa weltpolitikfähig werden kann.“ Dazu müsse die EU „weg vom Einstimmigkeitsprinzip und hin zu Mehrheitsentscheidungen in der Außenpolitik“. +++