Erster AfD-Landrat gewählt

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Foto: fdi-Mediendienst

Der Landkreis Sonneberg wird der erste in Deutschland mit einem AfD-Landrat. Der thüringische Landtagsabgeordnete Robert Sesselmann holte bei der Stichwahl am Sonntag beim Auszählungsstand von 67 der insgesamt 69 Stimmbezirke rund 53 Prozent und war damit praktisch uneinholbar vor seinem Gegenkandidaten von der CDU, Jürgen Köpper, der auf 47 Prozent kam. Im ersten Wahlgang hatte Sesselmann bereits 47 Prozent erhalten, Köpper kam auf 36 Prozent, die SPD-Kandidatin auf 13 Prozent, die gemeinsame Kandidatin von Grünen und Linken auf gut 4 Prozent. CDU-Mann Köpper hatte den erkrankten vorherigen Landrat bereits seit 2021 vertreten und war schließlich kommissarisch im Amt - offenbar nicht zur Freude der meisten Wähler. AfD-Kandidaten in Stichwahlen hatte es zuletzt öfter gegeben, deren Triumph wurde aber stets durch ein breites Bündnis der anderen Parteien verhindert. In Ostdeutschland ist die AfD laut Umfragen klar stärkste Kraft.

Thüringens Ministerpräsident sieht in Sonneberg-Wahl "Tabubruch"

Nach der Wahl des ersten deutschen AfD-Landrats im thüringischen Sonneberg rechnet Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) damit, dass es künftig noch häufiger auf kommunaler Ebene zur Wahl von AfD-Kandidaten kommt: "Das Tabu ist jetzt gebrochen", sagte er am Sonntag. Zugleich wies er den Vorwurf zurück, in Sonneberg seien die Wähler überwiegend rechtsextrem eingestellt: "Die Leute haben der Politik einen Denkzettel verpasst", sagte Ramelow dem Nachrichtenportal T-Online. Überrascht habe ihn dies nicht: "Seit Jahren werden ostdeutsche Lebenserfahrungen ignoriert und Ostdeutsche nicht eingebunden. Geschaut wird auf den Osten nur, wenn dort etwas Negatives passiert, die Erfolge aber übersehen. Das führt zu einer Trotzreaktion bei den Menschen." Ramelow forderte als Konsequenz ein Umdenken im Westen: "Die Bundesrepublik muss mehr auf den Osten schauen, auf das, was dort geleistet wird." Auch müssten Ostdeutsche stärker in politische Entscheidu  ngen und in Führungspositionen eingebunden werden. Als Beispiel nannte er die geplante Krankenhausreform: "Da hat der Osten eine hohe Kompetenz mit Modellen wie der 'Schwester Agnes' oder den Polykliniken und diese wird einfach ignoriert statt diese Ostkompetenz aktiv und positiv einzubeziehen."

Göring-Eckardt gibt CDU Mitschuld an Wahl von AfD-Landrat

Nach der Wahl des ersten AfD-Landrats in Deutschland sieht Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) eine Mitverantwortung bei der CDU. "Wenn Teile der Union einen Kulturkampf ausrufen, muss man sich nicht wundern, wenn dieser Kampf von rechts angenommen wird", sagte sie dem "Tagesspiegel" (Montagausgabe). "Aus meiner Sicht sollten wir für eine gemeinsame demokratische Kultur kämpfen", mahnte sie. Sie erwarte von der Union in Thüringen, dass sie "nicht weiter der AfD hinterherläuft". "Denn dann muss man sich nicht wundern, dass das Original gewählt wird". Trotz der Umfrageergebnisse und des Ergebnisses in Sonneberg warnte Göring-Eckardt davor, die AfD als erfolgreicher zu beschreiben als sie ist. "Das war ein Warnschuss. Gleichzeitig sollten wir nicht so tun, als gäbe es eine Mehrheit für die AfD in Thüringen, Ostdeutschland oder in Deutschland. Das wäre falsch", sagte sie.

Zentralrat der Juden spricht nach Sonneberg-Wahl von "Dammbruch"

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat die Wahl des AfD-Politikers Robert Sesselmann im thüringischen Sonneberg zum ersten AfD-Landrat in Deutschland mit Erschütterung zur Kenntnis genommen. "Die - nach dem vorläufigen Ergebnis in Sonneberg - erste Wahl eines AfD-Kandidaten in ein exekutives Amt erschüttert mich", sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". "Um es klar zu sagen: Nicht jeder AfD-Wähler hat eine rechtsextreme Gesinnung. Aber die Partei, deren Kandidaten sie gewählt haben, ist laut Landesverfassungsschutz rechtsextrem." Schuster fügte hinzu: "Dass so viele Menschen dem zustimmen, beunruhigt mich zutiefst. Sie sollten sich ernsthaft die Frage stellen, ob die Probleme, die sie haben, die Wahl eines Kandidaten einer solchen Partei rechtfertigen. Das ist ein Dammbruch, den die demokratischen politischen Kräfte in diesem Land nicht einfach hinnehmen dürfen." Die aus Thüringen stammende Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sagte dem RND: "Dass sich heute eine Mehrheit der Sonneberger für den Kandidaten der rechtsextremen AfD entschieden haben, bestürzt mich sehr. Die AfD hat ein erklärtes Ziel, sie möchte unserer Demokratie Schaden zufügen. Sie hetzt, sie verunsichert, sie stachelt auf." Göring-Eckardt fuhr fort: "Diese Wahl darf nicht einfach als Protestwahl abgestempelt werden. Ich bin überzeugt, dass die Menschen die AfD nicht trotz ihrer Positionen wählen, sondern genau wegen dieser Haltungen. Es ist die Verantwortung aller demokratischen Parteien nicht weiter zur Normalisierung beizutragen. Wer rhetorisch rechts blinkt, darf sich nicht wundern, wenn die Menschen bei Wahlen auch tatsächlich rechts abbiegen." Sie dankte zugleich den "vielen Menschen, die sich tagtäglich, sei es im Alltag, im Ehrenamt oder in ihrem Job, für Demokratie und Vielfalt stark machen. Wer jetzt pauschalisierend über Ostdeutschland spricht, macht genau dieses Engagement unsichtbar." +++


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