Das Bundeswirtschaftsministerium hat angeblich deutliche Erfolge darin erzielt, Deutschlands Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu reduzieren. Das geht jedenfalls aus einem Vermerk des Ministeriums hervor, über den der "Spiegel" berichtet. "Deutschland ist dabei, seine Energieabhängigkeit von Russland in hohem Tempo zu verringern und die Energieversorgung auf eine breitere Basis zu stellen", heißt es in dem Papier.
So haben Habecks Beamte über die Energiekonzerne RWE und Uniper drei schwimmende Flüssiggasterminals "optioniert". Die Unternehmen seien derzeit "in Vertragsverhandlungen" zur Anmietung sogenannter Floating Storage and Regasification Units. Diese großen Spezialschiffe können Flüssiggas (LNG) von Tankern aufnehmen und auch wieder gasförmig machen. "Die Bundesregierung prüft derzeit mögliche Standorte an der Nord- und Ostsee, in denen diese kurzfristig - teilweise schon für den Winter 2022/23 - zum Einsatz kommen können", schreibt das Ministerium. Die Abhängigkeit von Erdgas betrage statt bislang 55 Prozent am Ende dieses Monats bereits nur noch "40 Prozent". Von den 46 Milliarden Kubikmetern Gas, die Deutschland von Russland pro Jahr bezogen hat, sei bereits ein guter Teil durch LNG-Lieferungen ersetzt worden. Mit den neuen Terminals könnte schon im kommenden Winter 7,5 Milliarden Kubikmeter Gas aus anderen Regionen der Welt stammen.
Durch Einsparungen beim Gasverbrauch, unter anderem durch den Ersatz von Gas- durch Kohlekraftwerke, könne der russische Gasanteil "bis Ende des Jahres auf etwa 30 Prozent gesenkt" werden. Schneller soll es bei Erdöl-Importen gehen. Im Austausch mit den Mineralölkonzernen seien bereits in den vergangenen Wochen Lieferbeziehungen mit Russland beendet worden. "Durch die Vertragsumstellungen sinkt die Abhängigkeit von russischem Öl bereits jetzt absehbar auf 25 Prozent", schreiben die Ministerialen. "Bis Mitte des Jahres werden die russischen Ölimporte nach Deutschland voraussichtlich halbiert sein", verspricht das Ministerium. "Zum Jahresende streben wir an, nahezu unabhängig zu sein." Der Großteil der Betreiber von Kohlekraftwerken habe bereits angefangen, den Einsatz russischer Steinkohle stark zu reduzieren. Bis zum Frühsommer werden sie "gänzlich" auf russische Kohle verzichten. Ähnlich ist es bei den Stahlwerken, die in den nächsten Wochen durch Umstellung von Verträgen dafür sorgen, dass die Abhängigkeit von Kohle auf 25 Prozent halbiert sei. "Bis zum Herbst kann Deutschland unabhängig von russischer Kohle sein", so das Ministerium in dem Vermerk. Aus Ministeriumskreisen heißt es gegenüber dem "Spiegel": "Trotz der Fortschritte hätte ein sofortiges Embargo noch zu gravierende ökonomisch und soziale Folgen."
Energieökonomin Kemfert verlangt Tempolimit
Claudia Kemfert, Energieökonomin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) spricht sich für ein Tempolimit aus. Damit ließen sich unmittelbar bis zu fünf Prozent der Öllieferungen aus Russland sparen, sagte sie dem Focus. "Die Bundesregierung sollte sofort ein Tempolimit durchsetzen", so Kemfert. Sie kritisierte zudem: "Man wird leider auf Fracking-Gas und -Öl auch aus den USA zurückgreifen müssen, damit wir die Energielieferungen aus Russland kompensieren können. Dies ist umweltschädlich und teuer, der Preis der verschleppten Energiewende." Angesichts der hohen Energiepreise hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) einen staatlich finanzierten Tank-Rabatt vorgeschlagen und war dafür aus den Reihen der Grünen und der SPD kritisiert worden. Laut einer INSA-Umfrage für den Focus stimmen 49 Prozent der Deutschen der Aussage zu, dass ein Tank-Rabatt nur unter der Bedingung eines gleichzeitigen Tempolimits eingeführt werden sollte. 40 Prozent der Befragten stimmten nicht zu. Zehn Prozent gaben "weiß nicht" an und ein Prozent machte keine Angabe. Für die Erhebung befragte INSA insgesamt 1.000 Personen vom 22. bis 23. März 2022. Die INSA-Frage lautete: "Sollte ein Tank-Rabatt nur unter der Bedingung eingeführt werden, dass gleichzeitig ein (befristetes) Tempolimit in Deutschland eingeführt wird, um Benzinverschwendung durch unnötig schnelles Fahren zu reduzieren?" +++

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