Energiepreisdeckel würde einige Milliarden Euro pro kWh-Cent kosten

Spitzenkandidaten in Niedersachsen bei Energiepreisdeckel einig

Die Bundesregierung beziffert die Kosten einer Deckelung der Gas- und Strompreise mit insgesamt 3,8 Milliarden Euro für jeden Cent pro Kilowattstunde, den der Staat anstelle der Privathaushalte bei beiden Energieträgern zusammen übernimmt. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Linken-Anfrage hervor, über die die Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ in ihren Sonntagausgaben berichten. Demnach liegt der Stromverbrauch aller privaten Haushalte in Deutschland bei insgesamt rund 130 Terawattstunden, der Gasverbrauch bei rund 250 Terawattstunden.

Pro Cent, um den der Endverbraucherpreis gesenkt würde, wäre demnach aus der Staatskasse ein Betrag von 1,3 Milliarden Euro für den Strom und von 2,5 Milliarden Euro für das Gas erforderlich, erklärt der Energiestaatssekretär im Wirtschaftsministerium, Patrick Graichen, in dem Schreiben. Ein durchschnittlicher Einfamilienhaushalt mit einem jährlichen Gasverbrauch von 20.000 Kilowattstunden würde mit jedem vom Staat übernommenen Cent pro kWh etwa 200 Euro im Jahr sparen, ein Single-Haushalt mit 5.000 Kilowattstunden Gasverbrauch etwa 50 Euro im Jahr, wenn man die Mehrwertsteuer außenvorlässt. Je nach Modell würde der Staat aber nicht für alle Verbraucher einen Cent pro kWh übernehmen, sondern nur für Haushalte mit besonders hoher Belastung – wenn ein bestimmter Deckel überschritten wird. Vom konkreten Modell würden auch die staatliche Gesamtkosten abhängen, betont das Ministerium: „Welcher Gesamtbetrag sich im Falle einer Preisdeckelung ergibt, hängt davon ab, wie hoch der Deckel angesetzt wird und wie sich die Endverbraucherpreise weiter entwickeln“, so Graichen. Die Linksfraktion hält einen Preisdeckel angesichts dieser Summen für finanzierbar, wenn für diesen Zweck eine Übergewinnsteuer wie in anderen EU-Staaten eingeführt wird. Fraktionschef Dietmar Bartsch forderte den Wirtschaftsminister deshalb zur Einführung eines Strom- und Gaspreisdeckels auf: „Robert Habeck muss endlich seine vielfach verfehlte Energiepolitik korrigieren“, sagte Bartsch dem RND. „Die Gasumlage in ihrer für Bürger und Betriebe verheerenden Form muss weg, ein Deckel auf die Gaspreise ist notwendig“, so der Linke. „Die Zahlen aus dem Habeck-Ministerium zeigen, dass eine Deckelung der Preise möglich und finanzierbar wäre. Mit den Mitteln aus einer Übergewinnsteuer auf unanständige Gewinne bei den Öl- und Energiemultis könnte ein Gaspreisdeckel finanziert werden.“ Am Samstag hatte auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) einen Preisdeckel für Strom und Gas gefordert, hatte Finanzfragen aber offen gelassen. Bislang haben in der Europäischen Union seit 2021 unter anderem Griechenland, Italien, Spanien, Rumänien und Ungarn eine Übergewinnsteuer eingeführt, die jeweils verschieden ausgestaltet ist. In Spanien rechnet die Regierung durch die Übergewinnsteuer auf die Umsätze von Banken und Energiekonzernen mit Mehreinnahmen von jährlich 3,5 Milliarden Euro.

Spitzenkandidaten in Niedersachsen bei Energiepreisdeckel einig

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und sein Herausforderer Bernd Althusmann (CDU), derzeit Wirtschaftsminister, sind sich in der Frage eines Energiepreisdeckels zwei Wochen vor der Landtagswahl weitgehend einig. Weil setzt nun der Ampel-Regierung eine Frist für die Umsetzung. „Ich erwarte, dass der Gaspreisdeckel im Oktober steht“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Der Preisdeckel für Strom und Gas solle sowohl für die Privathaushalte als auch für die Wirtschaft gelten. Es sei „richtig, dass die Bundesregierung kein unausgegorenes Modell vorstellen“ wolle. „Die Kommission darf aber nicht ewig tagen“, forderte Weil, der sich am 9. Oktober für eine dritte Amtszeit bewirbt. „Die meisten privaten Verträge mit den Versorgern laufen bis zum Jahresende, die Menschen brauchen schnell Klarheit.“ Das aktuelle „Entlastungspaket“ der Bundesregierung geht Weil nicht weit genug. Ihm fehle „das Konzept für die Wirtschaft“, sagte er. Viele Betriebe  stünden unter enormem Druck, „das geht vom kleinen Bäcker bis zum großen Chemiepark. International tätige Unternehmen fangen jetzt schon an, Produktion in Länder mit niedrigeren Energiekosten zu verlegen. Wenn wir nicht gegensteuern, verlieren wir jede Menge Substanz und vor allem auch Arbeitsplätze.“ Auch bei der Strompreisbremse drängt Weil zur Eile: „Wenn die EU jetzt nicht sehr rasch einen konkreten Lösungsvorschlag vorlegt, sollte die Bundesregierung allein vorangehen. Die Strompreisbremse muss noch im Herbst kommen.“ Zudem forderte er „ein wirksames Bündel an Hilfsprogrammen wie bei Corona“. Der Bund dürfe „nicht alle paar Monate hektisch neue Rettungsprogramme schnüren, sondern muss jetzt die Weichen richtig stellen.“ Klar sei: Das werde Geld kosten, und zwar so viel, dass die Schuldenbremse nicht einzuhalten sein werde. „Aber wenn wir die Unternehmen pleitegehen lassen, wird es am Ende für viele sehr bitter und für die öffentlichen Kassen noch sehr viel teurer.“ CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann hat sich im gleichen Sinne für ein Aussetzen der Schuldenbremse ausgesprochen, um so einen Energiepreisdeckel zu finanzieren. „Es droht womöglich im nächsten Jahr eine schwere Rezession mit einer hohen Welle von Insolvenzen“, sagte Althusmann der „Bild am Sonntag“. „Ein begrenztes Lösen der Schuldenbremse nach Ausschöpfen aller anderen Möglichkeiten ausschließlich für den notwendigen Preisdeckel für Strom und Gas halte ich für vertretbar.“ Althusmann forderte ebenfalls „umgehend“ einen Energiepreisdeckel für Strom und Gas, damit Menschen mit kleinem Einkommen sowie Unternehmen nicht in die Zahlungsunfähigkeit rutschen. „Das kostet Geld, aber der Bund verfügt über enorme Steuermehreinnahmen. Wenn das nicht reicht, müssen wir im Notfall, aber nur dann, dafür die Schuldenbremse begrenzt aussetzen.“ Wenn die Bundesregierung nicht schnell handele, drohe eine heftige Pleitewelle im Mittelstand. „Dort sind Kettenreaktionen zu befürchten, die der Bund meines Erachtens nicht auf dem Schirm hat. Wenn es bei einem energieintensiven Automobil-Zulieferer wie Hanomag in Hannover zu Produktionsengpässen kommt, stehen innerhalb von einer Woche die Bänder bei vielen deutschen Autobauern still. “ +++