Eine Episode für Fußball-Herzen

Welch Anziehungskraft

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Hätte jemand vor Beginn der Saison gesagt, das Fuldaer Derby zwischen Borussia und Germania am neunten Spieltag der Kreisoberliga würde 1.400 Zuschauer anlocken, den hätte man wohl belächelt und ihm die kalte Schulter gezeigt. Doch diese Anziehungskraft gab es am Mittwochabend wirklich. Die Johannisau war die Bühne, die Fans beider Mannschaften unterstützten ihre Teams beim 0:0 bis zum Ende, Stimmung, Atmosphäre, Emotionen und Wohlfühl-Charakter ließen nie nach - auch bis in die letzten Sekunden nicht. Und die Spieler gaben auf dem Platz alles. Es glich einer Episode für Fußball-Herzen.

Ist es Zufall, dass einem beim Weg ins Stadion Oli Hasenauer über den Weg läuft? Ist es nicht. „Ich bin seit 12 Uhr heute Mittag hier“, sagt der 1. Vorsitzende der Borussia. „500 Tickets sind weg im Vorverkauf.“ Es sollen 1.400 Zuschauer werden. „Unsere Stadt. Unser Verein. Unsere Liebe“, steht auf einer Werbetafel. Borussia ist Gastgeber. Der darf das. Wenig später unterhält sich Hasenauer mit Jonas Schulte, denn Groundhopper. Auch die haben bei solchen Spielen ihren Platz. Fußball ist halt mehr als ein 1:0. Auch in Fulda.

Fahnen mit dem Wappen beider Vereine liegen auf dem Platz. Fans mit Schal oder in Trikots tauschen ihr Seelenleben aus. Verbundenheit eben. Heute sind es keine Zuschauer. Es sind Fans. Man gewinnt den Eindruck, dass alle froh sind, mal ins Stadion zu dürfen. Selbst die Germanen, die ja am Gallasiniring beheimatet sind. Eine besondere Geschichte an diesem Abend schreiben gewiss die Borussen-Fans. Sie entfachen Stimmung und supporten, wie es neudeutsch genannt wird, ihre Mannschaft inbrünstig. Ohne Wenn und Aber. Sie grölen ohne Unterlass. „Wir sind der SCB. Der SCB sind wir“. Da auch Germania, der Verein für Vielfalt in Fulda, seine Visitenkarte zeigt - und sich selbst von der besten Seite - spürt man den Gedanken an ein Fußballfest. „Fuldas wahre Liebe“, heißt es da noch. Oder „der SCB ist wieder da.“ Sieben Jahre, nachdem die SG Barockstadt geboren wurde, ist Borussia zurück. In der Heimat. Wenn es auch nur für ein Spiel ist.

Gekickt? Ja, das wurde auch. Gekämpft. Intensiv. Mit Leidenschaft. Herz. Und Hingabe. Hin und her ging‘s oft. Germania fand besser ins Spiel, mit seinen trickreichen Kickern, die durch ihre Dribblings gefielen, auch auf engstem Raum. Immer wieder fanden sie fußballerische Lösungen. Vor allem nach Fadi Khuriyas Eins-gegen-eins-Tänzen. Einer solchen beherzten Aktion, die auch Raumgewinn bescherte, entsprang die erste Torchance des Spiels. Nur durch ein Foul konnte er gestoppt werden - und Hysen Haxhius Freistoß wehrte Borussen-Keeper Emre Baran ab.

Nach etwa 20 Minuten fand Borussia zu sich. Zunächst über Standards, ehe Deris Doval Seguras Distanzschuss für erste Gefahr sorgte; Germania-Keeper Maximilian Schmidt war noch dran (24.). Sekunden später zielte Borussias Hirn Maurice Barkemeyer knapp am langen Eck vorbei. Apropos Barkemeyer: Er investierte viel, betrieb läuferisch hohen Aufwand, Licht und Schatten wechselten sich aber ab in seinem Spiel - vor allem Drang und Effektivität im letzten Drittel oder auf dem Weg dahin ließen zu wünschen übrig. Auch Nico Schröders Vorstöße zeigten an diesem Abend nicht so ihre Wirkung.

Etwas Glück hatte Borussia nochmals, als wiederum Khuriya per raumgreifendem und mutigen Dribbling bis in den Strafraum vordrang, es aber keinen Elfer gab (34.). Dennoch: Borussia hatte sich nach 20 Minuten gesteigert und zunehmend Bälle im Mittelfeld, das zunächst zu große Abstände und Lücken aufwies, gesteigert. Nur: der Drang zum Tor fehlte. Zug und geradliniges Spiel. Das aber lag nicht zuletzt an Germania, das tief stand, gut und leidenschaftlich verteidigte - und in Hussein Osman und Armend Murati sehr gute Innenverteidiger stellte.

Im zweiten Abschnitt knüpfte Borussia an der Dominanz gewonnener Bälle im Mittelfeld an, die Raumaufteilung wurde besser - Germania aber hielt dagegen. Torchancen sprangen lange nicht heraus - bis zur 75. Minute. Da köpfte Borussias Innenverteidiger Edin Hazbic einen Freistoß aus dem Halbfeld ins Tor - aber: Abseits. Angeblich Abseits. Auch Sekunden später hatte Borussias Anhang den Torschrei auf den Lippen, als Hazbic einen Eckball Markemeyers Richtung Tor köpfte - ein Germanen-Spieler auf der Torlinie schon eingreifen wollte, doch die Kugel ging knapp daneben. Apropos Hazbic: Er war bester Mann auf dem Platz - prima Stellungsspiel, gutes Auge, gute Antizipation, gute Präsenz, starker Zweikämpfer.

In den Schlussminuten besaß Germania noch Chancen auf den Sieg. Leon Farrs strammen Schuss aus halblinker Position wehrte Borussen-Keeper Baran prima ab, Khuriyas Nachschuss ging drüber. Heftig und wild umkämpft war das Spiel jetzt, spannend und verbissen auch die Schlussphase. Auch Mehmet Corumlu hatte noch das späte 1:0 auf dem Fuß.

Auch die Bewertungen beider Trainer, den Karamatic-Brüdern, passte. Marko, Borussias Coach, meinte: „Für den ganzen Verein war es ja ein besonderer Tag. Wir wollten das mit einem Sieg krönen. Das ist uns leider nicht gelungen. Ob es an der Nervosität lag, ich weiß nicht. Wir haben unser Spiel nicht so auf den Platz bringen können. Wir müssen sehen, dass wir vor allem wieder mehr im letzten Drittel bringen. Man hat gesehen, dass wir jede Woche 100 Prozent bringen und für den Sieg kämpfen müssen.“

Gleichzeitig lobte er den Gegner: „Germania hat es gut und ein Top-Spiel gemacht. Ich weiß um ihre Qualität. Ihr Punktgewnn war hochverdient.“ Die nächste Chance auf einen „Dreier“ bietet sich Borussia am Sonntag: bei der SG Reulbach/Brand (Anstoß in Brand: 15 Uhr). Das nächste Heimspiel steigt am Donnerstag kommender Woche: gegen die SG Hilders/Simmershausen (Anstoß 19 Uhr).

Sein älterer Bruder Zeljko hingegen durfte zufrieden sein. „Vor allem kämpferisch war das gut von uns. Mit der Einstellung war ich sehr zufrieden. Wir haben alles gegeben. Alles, was wir uns vorgenommen hatten, haben wir auch umsetzen können. In den letzten beiden Spielen hat sich gezeigt, dass wir Qualität haben.“ Auch für Germania geht es am Sonntag weiter: mit dem Heimspiel gegen die SG Schlitzerland (15 Uhr, Gallasiniring).

Übrigens bot Schiedsrichter Aaron Fritz eine vorzügliche Leistung. Immer auf Ballhöhe. Mit gutem Einblick in die Situation. Gespür für den Charakter des Spiels. Er traf die passende Entscheidung, ob Foul oder nicht. Zurück blieb ein unterhaltsames und jederzeit spannendes Spiel, ein Kampf auf Biegen und Brechen. Die Zuschauer, nein die Fans, gingen zufrieden und mit einem Lächeln im Gesicht nach Hause. Im Gefühl, etwas für ihr Eintrittsgeld gesehen zu haben. Nein, das steckt ja im Herzen. Und das alles im Amateurfußball.

Borussia Fulda: Baran - Schröder, Hazbic, Segura, Thiele, Barkemeyer, Aljaed (69. Akwu), Traut (80. Hryhorian), Wolff, Shakur. (46. Celikel), Martella (69. Dabbaj)

Germania Fulda: Schmidt - Khiraoui (66. Karadavut), Rahmatyar, Haxhiu (87. Hasanzadeh), Murati, Osman, Rezai (53. Corumlu), Brovina (71. Farr), Vatic, Khuriya, Morina

Schiedsrichter: Aaron Fritz

Zuschauer: 1.400 +++ rl


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