Ein Jahr Krieg in der Ukraine: 600 Menschen bei Friedenskundgebung in Fulda

Gestern vor einem Jahr erfolgte der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Anlässlich des Jahrestages waren gestern Abend auf dem Fuldaer Universitätsplatz etwa 600 Menschen – unter ihnen auch viele Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine – zusammengekommen, um ihrer Solidarität mit den Menschen aus der Ukraine Ausdruck zu verleihen und ein starkes Zeichen für Frieden, Freiheit und Demokratie zu setzen. Aufgerufen zur Friedenskundgebung hatte das Netzwerk der Ukraine Hilfe Fulda, zu diesem sich unmittelbar nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine Vereine wie „People for People“ oder „Fulda stellt sich quer“ zusammengeschlossen hatten. Zu den Rednern auf der Friedenskundgebung gehörten neben Fuldas Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld auch Landtagspräsidentin Astrid Wallmann.

Andreas Goerke: „Russlands Krieg ist ein Frontalangriff auf das Völkerrecht und die europäische Friedensordnung“

Andreas Goerke

Andreas Goerke, Vorstandsvorsitzender des Vereins „Fulda stellt sich quer“, Mitinitiator und -organisator der Friedenskundgebung, begrüßte die zahlreich auf dem Universitätsplatz Zusammengekommenen und erinnerte in seinen einleitenden Worten seiner Rede an jene Veranstaltung auf dem Universitätsplatz vor etwa einem Jahr, unmittelbar nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, wo sich Fulda erstmals solidarisch mit der Ukraine zeigte. „Vor ungefähr einem Jahr standen wir hier alle gemeinsam auf dem Universitätsplatz, um unsere Solidarität mit den Menschen in der Ukraine zum Ausdruck zu bringen. Wir waren geschockt. Der furchtbare russische Angriffskrieg auf die Ukraine war Realität geworden“, so der Vorstandsvorsitzende des Vereins „Fulda stellt sich quer“, Andreas Goerke, auf der Friedenskundgebung anlässlich des Jahrestags des Angriffs auf die Ukraine am Freitagabend in Fulda. „Der Krieg gegen die Ukraine zieht sich jetzt schon ein Jahr hin. Vor unseren Augen spielt sich ein Vernichtungskrieg ab, den wir in Europa mit seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr für möglich gehalten haben. 10.000 ukrainische Soldaten und Zivilisten ließen bei diesem Krieg ihr Leben, noch viel mehr wurden schwer verwundet, ganze Städte liegen in Trümmern, Wohnquartiere wurden und werden absichtlich bombardiert. Gezielt wird die Energieversorgung angegriffen, die Ukraine soll in Kälte und in Dunkelheit versinken.“

Weiter ging der Vorstandsvorsitzende auf die Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung ein: „Russische Truppen setzen Vergewaltigung als Waffe ein, Kriegsgefangene und Zivilisten werden gefoltert, deportierte Jungen und Mädchen werden in Russland zur Adoption freigegeben.“ Goerke weiter: „Etwa 14 Millionen Ukrainerinnen und Ukraine mussten fliehen, die Hälfte davon ins Ausland. Russlands Krieg zielt nicht nur auf die Unterwerfung der Ukraine, der jegliche nationale Eigenständigkeit ausgetrieben werden soll; er ist zugleich ein Frontalangriff auf das Völkerrecht und die europäische Friedensordnung. Wenn Putin mit seinem Vorhaben durchkommt, dann geht Europa finstere Zeiten entgegen. Der russische Neoimperialismus muss gestoppt werden, sonst ist der nächste Krieg nur eine Frage der Zeit. Wir dürfen nicht zusehen, wie ein europäisches Land, das für seine Freiheit und Unabhängigkeit kämpft, vernichtet wird.“

Fuldas Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld

Fuldas Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld (CDU) dankte den, auf dem Universitätsplatz Versammelten dafür, dass sie gekommen waren, um „ein Zeichen zu setzen“. „Vor einem Jahr haben wir hier auf dem Universitätsplatz und auch unterhalb der Stadtpfarrkirche, am 27. Februar, Zusammenkünfte gehabt, wo hunderte Menschen ihre Solidarität zu den Menschen in der Ukraine zum Ausdruck gebracht haben. Die Tage im Februar 2022 wurden Vielfach als Zeitenwende bezeichnet, doch ich glaube, es ist uns in den vergangenen Monaten und Anfang Februar 2022 schmerzlich bewusst geworden, dass wir schlicht und ergreifend hier in Deutschland, und auch in Fulda, über Jahre und Jahrzehnte hinweg Probleme, Konflikte in unserer unmittelbaren Nachbarschaft ausgeblendet und ignoriert haben. Wir waren zu bequem, und umso wichtiger ist es, dass unser Bewusst dafür geschärft wird, dass wir tatsächlich zur Solidarität aufgerufen sind, und die wollen wir auch heute wieder zum Ausdruck bringen“, sagte Fuldas Oberbürgermeister, Dr. Heiko Wingenfeld, auf der Friedenskundgebung anlässlich ein Jahr Krieg in der Ukraine am Freitagabend in Fulda. Dieser weiter: „Die Armee des Putin-Regimes erschien Ende Februar 2022 übermächtig und es stand zu befürchten, dass die Ukraine den Kampf um ihre Freiheit und Souveränität innerhalb weniger Wochen oder auch wie viele befürchtet haben, innerhalb weniger Tage verlieren würde. Heute, ein Jahr nach dem Angriff, am 24. Februar 2022, verneigen wir uns in Demut und voller Respekt vor der Entschlossenheit und dem Willen der Menschen in der Ukraine, ihre, unsere Freiheit, und die Selbstbestimmung der Ukraine zu verteidigen. In Gedanken sind wir bei all denjenigen, die in der Ukraine für die Freiheit einstehen.

OB Wingenfeld: „Putin hat das Gegenteil erreicht von dem, was er erreichen wollte“

Wir wollen den Opfern gedenken, den Zehntausenden, die dieser Angriffskrieg des Putin-Regimes in den vergangenen Monaten gefordert hat. Tausende Tote, Verletzte, Traumatisierte, verzweifelte Menschen. Zivilisten, Kinder, junge Menschen, alte Menschen und Soldaten, die ihren Familien entrissen worden sind. Freiheit für die Ukraine und für Europa kann derzeit nur mit militärischen Mitteln, im Kampf verteidigt und behauptet werden. Doch unser Ziel auf der Welt muss es bleiben: In Frieden und Freiheit miteinander zu leben. Putin und sein Regime wollten und wollen die internationale Gemeinschaft und auch die Gemeinschaft innerhalb der demokratischen Staaten und die Gemeinschaft vor Ort spalten – und heute, ein Jahr nach dem Beginn der Angriffe vom 24. Februar, können wir mit Dankbarkeit und Demut festhalten: Putin hat das Gegenteil von dem erreicht, was er erreichen wollte. Denn Putin setzt auf Spaltung und wir setzen auf Solidarität und Gemeinschaftssinn und wir rücken in diesen Zeiten als Demokraten noch enger zusammen. Das gilt für den ganz überwiegenden Teil der internationalen Staatengemeinschaft und das gilt auch für uns hier vor Ort in Fulda. Dieser Krieg ist nicht nur der Angriff auf die Ukraine, sondern auch der unserer Grundwerte, der Freiheit, der Gleichheit und der Menschenwürde.“ Oberbürgermeister Wingenfeld dankte gestern im Namen der Stadt Fulda all denen, die sich in der Ukraine Hilfe – sei es in der Unterbringung von Geflüchteten oder humanitär in der Ukraine ganz praktisch und unbürokratisch in der Vergangenheit engagiert haben sowie aktuell engagieren. Insbesondere die Hilfstransporte in die Ukraine seien mit hohen Risiken verbunden gewesen. Vieles von dem werde nicht im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit geleistet, sondern im Stillen und Verborgenen, so Wingenfeld, der nur beispielsweise die Vereine People for People, Fulda stellt sich quer, die Caritas im Bistum Fulda oder die Kreisverbände der AWO und des Deutschen Roten Kreuzes nannte.

Landtagspräsidentin Wallmann: „Frieden wird es nur dann geben, wenn der russische Aggressor bereit ist, den Krieg zu beenden und die staatliche und politische Unabhängigkeit der Ukraine zu akzeptieren“

Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU)

„Wir messen Zeit in Sekunden, Minuten, Stunden, Tagen, Wochen, Monate und eben auch in Jahren. Und auch wenn ein Jahr objektiv immer gleich lang ist, subjektiv empfunden, kann es einem ganz unterschiedlich lang vorkommen; und wir alle kennen die Aussage, die man sich gegen Ende eines Jahres so zuruft: ach, dieses Jahr ist doch wieder wie im Flug vergangen. Aber ein Jahr kann auch unendlich lang sein. Die vergangenen 12 Monate, seit dem 24. Februar 2022 müssen den Menschen in der Ukraine so vorgekommen sein“, so Landtagspräsidentin Astrid Wallmann auf der Friedenskundgebung anlässlich des ersten Jahrestages des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs auf die Ukraine am Freitagabend in Fulda. „Denn ein Leben im Krieg verändert alles, auch die Wahrnehmung der Zeit. Wenn man täglich um sein eigenes Leben und das der Familie, der Angehörigen, der Freunde bangen muss, dann kann ein solches Jahr unerträglich lang sein.“ Die Landtagspräsidentin weiter: „Unsere Hoffnung und die der Menschen in der Ukraine, die tagtäglich in dieser schweren, dunklen Zeit ihr Land verteidigen, ist am Ende die Hoffnung auf Frieden. Frieden wird es aber nur dann geben, wenn der Aggressor in Russland bereit ist, den Krieg zu beenden und die staatliche und politische Unabhängigkeit der Ukraine zu akzeptieren. Und so selbstverständlich dieser Wunsch nach Frieden auch für die Menschen in Deutschland ist, so ist es aber auch wichtig, zu benennen, unter welchen Bedingungen ein solcher Frieden nur möglich ist. Ein Frieden, der nur einseitig zu Lasten der Ukraine geht, wäre kein Frieden, denn er käme am Ende einer Besetzung eines anderen Landes gleich. Und im Übrigen wäre es auch nicht gesagt, dass damit für immer Frieden wäre; denn womöglich würde Putin einen weiteren Krieg anzetteln, weil er weitere Gebietsansprüche geltend machen möchte. Und deshalb bin ich davon überzeugt: solange die Menschen in der Ukraine bereit sind, für ihr Land, für ihre Werte, für ihre Freiheit zu kämpfen, so ist es natürlich auch unsere Pflicht, sie in diesem Bemühen zu unterstützen. Die Ukrainerinnen und Ukrainer verteidigen zwar ihr Land, auch ihre Freiheit – aber sie verteidigen auch unsere Werte und auch unsere Freiheit und das ist ganz wichtig, heute hier auch zu benennen und dafür müssen wir auch dankbar sein. […] Wir sind nicht hilflos, nicht ausgeliefert, denn wir können zwar den Frieden nicht erzwingen, aber wir können einen Beitrag dazu leisten, dass die Folgen für die Menschen, die vom Krieg betroffen sind, milder sind und wir können die Menschen unterstützen und Sie alle sind heute hier, um genau das auch zu tun; Sie tun das auf ganz vielfältige Art und Weise.“

Projektarbeit einer Schulklasse wurde zum Friedensgebet

Ebenfalls auf der Friedenskundgebung gestern vertreten waren für die Katholische Kirche Stadtpfarrer Stefan Buß von der Stadtpfarrei Fulda und Pfarrer Wolfgang Echtermeyer von der Evangelischen Christophoruskirche Künzell. Stadtpfarrer Stefan Buß dankte gestern auch den Ukrainerinnen und Ukrainern. So seien für ihn die vergangenen Monate, in denen der Krieg in der Ukraine anhält, eine Zeit der vielen Begegnungen gewesen. Pfarrer Buß berichtete von einem ukrainischen Mitarbeiter, der seit einem dreiviertel Jahr hier bei uns seine Ausbildung in der Seelsorge absolviert. In diesem Kontext habe er beispielsweise die Gründung der ukrainisch-katholischen Gemeinde in „St. Andreas“ in Fulda-Neuenberg mit erleben und -begleiten dürfen. In dieser Zeit hatte er viele menschliche Begegnungen und Einblicke in die ukrainische Tradition und in den orthodoxen Glauben bekommen, Aspekte, die ihm vorher fremdgewesen seien. Für diese menschlichen Begegnungen ist er heute ganz besonders dankbar. Weiter berichtete Stadtpfarrer Buß von mehreren Projekten, die er zu Kriegsbeginn habe begleiten dürfen. Der Krieg Russlands auf die Ukraine habe vor allem viele Kinder und Jugendlichen erschüttert. In dieser Zeit sei er vor allem auch in vielen Kitas und Schulen gewesen. In einer Projektarbeit einer 10. Klasse der Heinrich-von-Bibra-Schule sei ein Gebet entstanden, dieses in neun Sprachen übersetzt wurde. Dieses Gebet ließ Stadtpfarrer Buß gestern Abend anlässlich des Jahrestages des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine in deutscher Sprache zum Friedensgebet werden. Pfarrer Wolfgang Echtermeyer von der Evangelischen Christophoruskirche Künzell erinnerte in seinem Wort an die Kräfte, die aus Gebeten hervorgehen können.

Abdulkerim Demir: „Waffen allein bringen keinen Frieden“

Abdulkerim Demir

Und auch der Vorsitzende des Ausländerbeirates Fulda, Abdulkerim Demir, war gestern auf den Universitätsplatz gekommen, um seine Solidarität mit den Menschen aus der Ukraine zum Ausdruck zu bringen, daneben erinnerte er an das furchtbare Erdbeben in der Türkei und in Teilen Syriens. Viele Menschen, so Demir, wollten den Menschen im Erdbebengebiet helfen oder hätten dies schon getan, diese hohe Spendenbereitschaft aus Fulda erfülle ihn als Vorsitzenden des Ausländerbeirates mit großem Stolz. Abdulkerim Demir: „Die Erde bebt und von der einen auf die andere Minute ist für viele Tausende von Menschen nichts mehr, wie es einmal war. Tote, Verletzte, Zerstörung – die Bilder aus der Türkei und Syrien erschüttern mich und uns alle und sie zeigen auf leidvolle Weise, wie hilflos wir Menschen bei einer solchen Naturkatastrophe sind. Auch in Fulda ist die Trauer groß. Einige bangen um ihre Familien, Freunde und Verwandte. Einige haben geliebte Menschen verloren, deshalb wollen wir heute hier der vielen Opfer des Erbebens in der Türkei und Syrien gedenken. Wir möchten unsere Nachbarinnen und Nachbarn, unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern unsere Solidarität ausdrücken und wir wollen die Trauer mit denen teilen, die Angehörige, Freunde und Bekannte bei diesem Erdbeben verloren haben. Die Schicksale der Menschen, die dort alles verloren haben, berühren uns zutiefst. Viele möchten helfen. Die Hilfs- und Spendenbereitschaft in Fulda ist groß. Das macht mich als Vorsitzender des Ausländerbeirates von Fulda auch ein Stück weit Stolz auf unsere Mitbürger. Ich möchte allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die durch dieses mächtige Naturereignis geliebte Menschen verloren haben, ganz deutlich sagen: Wir fühlen mit Ihnen! Wir wollen denen beistehen, deren Verwandte, Freunde und Bekannte von dem Erdbeben betroffen sind. Wir wollen Ihnen im Alltag helfen und Ihnen nah sein. Das kann durch eine Umarmung geschehen, aber auch durch Zuhören und Anteilnahme. Ich wünsche alldenen, die unmittelbar von den Auswirkungen der Erdbebenkatastrophe betroffen sind, die Angehörige verloren haben und deren Nächste verletzt wurden, viel Kraft, Mut und Zuversicht. Auch der Krieg in der Ukraine erschüttert uns bis heute und hat bereits vielen Menschen das Leben gekostet. Ich bin über die menschliche Unterstützung aus Europa, Deutschland und insbesondere aus Fulda sehr froh und stolz. Meiner Meinung nach, ist es wichtig, Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien zu führen, da ich der Überzeugung bin, das Waffen alleine keinen Frieden bringen, damit weitere Opfer durch den Krieg verhindert werden können.“

Begleitet wurde die Friedenskundgebung durch Gesangsdarbietungen von Natalia und Sofia, die seit einigen Monaten in Fulda leben. Kinder aus der Ukraine vertanzten u.a. den Angriff Russlands auf ihr Heimatland. Ein emotionaler Moment. Andreas Goerke dankte gestern seinem Mitstreiter, Stefan Faulstich, vom Verein „People for People“, dessen Name untrennbar mit der Ukraine-Hilfe in der Region verbunden ist, für sein großes Engagement. Gemeinsam mit Andreas Goerke und anderen Mitstreitern wie beispielsweise die Rhöner Nachbarschaftshilfe engagiert sich Faulstich seit Beginn des Krieges für die Menschen in der Ukraine in vorbildlicher Weise. So zeichnet sich Stefan Faulstich, Koch und Gastronom aus Petersberg-Steinau, beispielsweise für diverse Hilfskonvois an die ukrainische Grenze verantwortlich. Andreas Goerke berichtete von Besuchen in u.a. ukrainischen Kinderheimen, denen Betten und Sachspenden (finanziert von Geldspenden aus der Ukraine-Hilfe Fulda und wohltätigen Unternehmen) übergeben werden konnten. Es tue gut, zu sehen, wie sehr sich die Menschen, und insbesondere die Kinder über Spielsachen und Kleinigkeiten freuen. Kindern, denen vor einem Jahr fast alles genommen wurde. +++ jessica auth