Eichenzeller Ärzte – Schredderanlage macht krank

Symbolbild

Eichenzell. In einem Offenen Brief warnen 16 Eichenzeller Ärzte vor der Schredderanlage am geplanten Standort „Im Oberfeld“. Die Anlage an dieser exponierten Stelle in Wohnortnähe führe zu einer Mehrbelastung für die Bürgerinnen und Bürger. „Lärm macht krank – Schadstoffe reichern sich an – Staub belastet“ schreiben sie unmissverständlich. Menschen reagierten individuell in der Empfänglichkeit für Krankheiten. Ältere Menschen und Kinder seien besonders gefährdet. Wir, von der Interessengemeinschaft „Kein Schredder“, freuen uns sehr über die klare Aussage und danken den Eichenzeller Medizinern! Denn das Statement bringt nochmal genau auf dem Punkt, was Frau Dr. Loraine Wald bereits geschrieben hatte: Die zusätzliche Belastung mag gesetzlich zumutbar sein, der Standort in der Nähe zum Wohnort, ist falsch.

Für sehr bedenklich hält die Interessengemeinschaft „Kein Schredder“ die Weigerung des Bürgermeisters, den Offenen Brief an die Gemeindevertreter weiterzuleiten. Der Brief wurde von Herrn Dr. Rügamer an die Gemeinde gesendet, mit der Bitte um Weiterleitung an die Gemeindevertreter. Das wurde von Bürgermeister Dieter Kolb leider abgelehnt, denn dazu sei er nicht verpflichtet.

Interessengemeinschaft „Kein Schredder“: „Sind Informationen und Äußerungen etwa nur dann interessant, wenn sie auch in den Kram passen? Das macht uns sehr traurig und wir verstehen die Haltung des Bürgermeisters in keiner Weise.“ Auch die Eichenzeller Fachärzte für Kinderheilkunde pflichten in ihrer Stellungnahme Frau Dr. Wald bei und sorgen sich um die Atemluft – besonders auch für Kinder und Senioren. Grenzwerte, die heute noch als zumutbar gelten, können in naher Zukunft als gefährlich eingestuft werden. Auch warnen die drei Ärztinnen und Ärzte davor, dass sich die Schadstoffe bei ungünstigen Wetterlagen in unserer Luft ansammeln und addieren.

Wir veröffentlichen die beiden Briefe hier:

Sehr geehrte Gemeindevertreter der Gemeinde Eichenzell, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
wir, als in der Gemeinde Eichenzell lebende und arbeitende Ärzte, sehen uns in der Verantwortung, zu der geplanten Brecheranlage für Bauschutt in exponierter Lage im Gewerbegebiet „Im Oberfeld III“ Stellung zu nehmen, auch wenn (vorerst) auf Z2-Materialien verzichtet werden sollte. Bisher führen die Befürworter eine Grenzwerte-Diskussion, der zufolge gesetzliche Vorgaben durch ordnungsgemäß durchgeführte Gutachten eingehalten werden – wohl wissend, dass dabei die Emission von Stäuben und Schadstoffen aus 10 Stunden (07 bis 17 Uhr) über 24 Stunden „verteilt“ und somit rechnerisch gesenkt wird. Das ist legal. Aber die 14 Stunden ohne Belastung, sind keine Erholungszeit! Staub und Schadstoffe bleiben im Körper und sind lange wirksam, sind unberechenbar. Bewusst wollen wir uns hier nicht auf die Grenzwerte – Diskussion einlassen, sondern aus unserem medizinischen Wissen heraus, einige andere Aspekte beleuchten. Den wohnortnahen Standort auf einer Anhöhe zur Errichtung der geplanten Brecheranlage (ohne die Möglichkeit der Einhausung und sorgfältigen Absaugung der anfallenden Stäube) halten wir – sowohl medizinisch, als auch gesellschaftlich – für ungeeignet!

LÄRM MACHT KRANK
SCHADSTOFFE REICHERN SICH AN
STAUB BELASTET

Die Bundesregierung und die Europäische Union haben erkannt, dass Lärm krank macht. Die Deutsche Bahn lässt ihre Züge innerhalb der Lärmgrenzwerte fahren. Trotzdem gehen die Forderungen und Bestrebungen dahin, den Lärm – vor allem durch die Güterzüge – weiter zu verringern. Aktuell werden zahlreiche Maßnahmen diskutiert, um in den Städten die Schadstoffbelastungen zu reduzieren. Nicht, weil Belastungen dort über den aktuell noch geltenden Grenzwerten liegen, sondern, weil man erkannt hat, dass jede vermeidbare Belastung für den Menschen unbedingt auch vermieden werden muss, in Anbetracht einer immer belastenderen Umwelt. Dieses reicht bis zu Vorschlägen, wie Diesel-Pkws zu verbieten. Selbst geringe Staubmengen belasten die Gesundheit, insbesondere der Feinstaub dringt bis in die letzten Lungenabschnitte vor und bleibt dort liegen. Auf lange Sicht, ist ein Anstieg von Atemwegserkrankungen möglich. Wie immer, sind Kinder und geschwächte Personen, zum Beispiel die Älteren, besonders gefährdet. Unstrittig ist, dass Grenzwerte allgemein aus einem statistischen Mittelwert und nach fachlichen Kriterien, gebildet werden. Die aktuell noch gültige TA Luft. gibt dabei Werte vor, die bei der im Sommer erwarteten Neufassung drastisch gesenkt werden(!) – die jetzt noch gültige Fassung, wird dann außer Kraft sein. Auch werden zum ersten Mal die Feinstaubpartikel selbst berücksichtigt, die bisher nicht ausdrücklich erwähnt wurden. Medizinisch gesehen, reagiert jeder Mensch individuell. Das heißt, der eine Mensch erkrankt schon bei geringeren Belastungen, der andere, raucht zum Beispiel ein Leben lang und wird 90 Jahre alt. Keiner von uns weiß, zu welcher Gruppe er zählt. Deshalb gilt es, Belastungen allgemein so niedrig, wie möglich zu halten. Viele junge Familien mit ihren Kindern sind bewusst in die Gemeinde Eichenzell gezogen, um die Werte und Vorteile zu finden, die auch auf der Homepage der Gemeinde so positiv dargestellt werden.

Warum sollte sich in der Gemeinde Eichenzell das Rad rückwärts drehen?

In der Sorge um die Gesundheit der Eichenzeller Bevölkerung, appellieren die unterzeichnenden Ärzte, den gewählten Standort für die Brecheranlage „Im Oberfeld III“, dringend zu revidieren. Auch sollte keine Entscheidung getroffen werden, die noch auf der veralteten – wenn auch noch gültigen – TA Luft basiert um keinen Bestandsschutz zu schaffen.

Herr Dr. med. Fader, Frau Fader-Schlanstedt, Herr Dr. med. Horodko, Herr Prof. Dr. Kronenberger, Herr Dr. med. Frank, Herr Dr. medic. Gorcea, Frau Dr. med. Wald, Frau Dr. med. Wächtler, Herr Dr. med. Rügamer, Herr Dr. med. Sembritzki-Weß, Herr Syski Herr, Dr. med. Esmaty, Herr Wagemann, Frau Wagemann, Herr Dr. med. Arland, Frau Dr. med. Eberhardt-Arland

Zweiter Brief der Fachärzte für Kinderheilkunde

Mit zunehmender Besorgnis verfolgen die Eichenzeller Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin die Diskussion um die geplante Schredderanlage in Eichenzell. Mittlerweile scheint eine Spaltung in Befürworter und Ablehner unvermeidlich. Die grundsätzlichen Belastungen durch Feinstaub, hat Frau Dr. Wald aufgezeigt, vermehrtes Auftreten von Herz-Kreislauferkrankungen, Erkrankungen der Atemwege und insbesondere allergischer Erkrankungen, sind unbestritten, insbesondere unsere Kinder, aber auch ältere Menschen, sind besonders empfindlich. Dabei hat die gesellschaftliche Diskussion um die Reinhaltung der Atemluft, eigentlich gerade erst begonnen. Beispiele seien Überlegungen, das Dieselauto aus den Innenstädten zu verbannen oder zusätzliche Filteranlagen, zur Vermeidung von Feinstaub durch Hausbrand – insbesondere von Holz oder Kohle, vorzuschreiben.

Jeder verantwortliche Politiker hat die Pflicht, alles ökonomisch Vertretbare zu veranlassen, um das Ziel einer möglichst sauberen Atemluft zu erreichen. Analog den seit Jahren zunehmend schärfer werdenden Bestimmungen der Abgasluft unserer Autos mit der jetzt erreichten Euro 6-Norm, wird davon auszugehen sein, dass die Luftreinheitsbestimmungen in Zukunft weiter verschärft werden. Die Befürworter der Anlage verweisen auf das Einhalten sämtlicher zur Zeit gesetzlich festgelegter Grenzwerte. Kinder- und Jugendärzte denken zukunftsorientiert. Wie wird das in 10 Jahren sein? Eine einmal genehmigte Anlage, wird – aufgrund der Investitionskosten – dann sicher noch in Betrieb sein. Zudem möge man bedenken, dass die berechneten Schadstoffbelastungen, immer nur Durchschnittswerte sein können und nichts aussagen, über die Akutbelastung in ungünstigen Wetterlagen, wie länger anhaltende Trockenheit oder heftigerer Wind aus südwestlichen Richtungen. Gibt es hier medizinische Erfahrungsberichte mit vergleichbaren in der Nähe von Wohngebieten gelegenen Anlagen?

Von uns wohnt keiner in Eichenzell, wir sind daher nicht unmittelbar betroffen, aber im Interesse, der von uns betreuten Kinder, müssen wir für eine Lösung plädieren, die zumindest nicht zu einer Mehrbelastung der Schadstoffe in der Atemluft führt und auch den Zukunftsaspekt einbezieht. Weitere Informationen, insbesondere Recherchen über die Umweltauswirkungen ähnlich strukturierter Anlage, würden den dringend nötigen sachlichen Dialog beider Parteien erleichtern und bei der endgültigen Entscheidungsfindung aus unserer Sicht sehr hilfreich sein.

Praxis Dr. med. E. Handzel, Dr. med. W. Körling, S. Lohmann-Savoji, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin

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