Druck auf Ampel: Klingbeil fordert „massive Investitionen“

Früherer FDP-Minister Baum warnt vor Ausstieg aus Ampel-Koalition

SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil

Im Streit um Wege aus der Wirtschaftskrise erhöht SPD-Chef Lars Klingbeil den Druck auf die Ampel und fordert „massive Investitionen“ jenseits der bisher vereinbarten Wachstumsinitiative. „Wir müssen die Energiepreise dringend weiter nach unten bringen, um sie international wettbewerbsfähig zu bekommen“, sagte Klingbeil dem „Stern“.

„Ich halte etwa einen Industriestrompreis weiterhin für richtig. Zudem brauchen wir für den Ausbau der Netze massive Investitionen“, so der Sozialdemokrat. Hier müsse auch der Staat unterstützen, damit die steigenden Netzentgelte nicht weiter auf Verbraucher und Unternehmen umgelegt würden.

Damit fordert Klingbeil die FDP heraus, die zusätzliche Investitionen bislang ablehnt und macht zudem Druck auf den Kanzler, der beim Industriestrompreis blockiert. „Die deutsche Wirtschaft befindet sich aktuell in einer historischen Umbruchphase“, warnte Klingbeil. Es sei nun „unsere dringende Aufgabe, die Rahmenbedingungen so auf Zukunft zu stellen“, dass Deutschland eine starke Industrienation bleibe, Arbeitsplätze gesichert werden und neue entstehen. Die Bundesregierung habe zwar mit ihrer Wachstumsinitiative „eine Grundlage“ gelegt, sagte Klingbeil. „Aber die aktuellen Herausforderungen zeigen, es braucht weitere Impulse.“

Auch in der SPD-Bundestagsfraktion werden weitere Maßnahmen angemahnt. „So wie wir der Meyer Werft geholfen haben, brauchen wir auch schnellere Maßnahmen für die Breite der Wirtschaft“, sagte die SPD-Vizefraktionsvorsitzende Verena Hubertz dem „Stern“.

Das Traditionsunternehmen war in finanzielle Schieflage geraten und soll nun mit Staatshilfen gerettet werden. „Wenn wir es nicht schaffen, die Rahmenbedingungen zu verbessern, hilft auch kein kurzes Subventionsstrohfeuer“, sagte die Wirtschaftspolitikerin. Ein zeitlich befristeter Industriestrompreis sei dabei „ein Teil der Antwort an unsere Wirtschaft“, deswegen halte die SPD-Fraktion an dieser Forderung fest, so Hubertz.

Früherer FDP-Minister Baum warnt vor Ausstieg aus Ampel-Koalition

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) hat seine Partei gewarnt, aus der Ampel-Koalition auszuscheiden, wie es FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai fordert. „Die FDP darf auf keinen Fall aus der Ampel-Koalition aussteigen, das wäre Selbstmord“, sagte der FDP-Politiker der „Rheinischen Post“.

„Wir würden bei Neuwahlen, denen erhebliche verfassungsrechtliche Hürden entgegenstehen, jetzt womöglich nicht mehr in den Bundestag kommen.“ Außerdem sei jetzt nicht Zeit für einen vorgezogenen Bundestagswahlkampf, der alle Kräfte binden würde, ergänzte der frühere Minister.

„Unser Land und die Welt haben jetzt ganz andere Probleme. Ein Ausstieg der FDP aus der Ampel wäre eine Flucht vor der Verantwortung. Wenn Generalsekretär Djir-Sarai gehen will, dann soll er gehen.“ Die FDP müsse sich nach den Worten Baums um ein breiteres Politikangebot kümmern. „Die Sorge um die finanzpolitische Stabilität und um das Wirtschaftswachstum ist wichtig. Sie darf aber nicht das Hauptziel der Liberalen sein“, sagte er.

„Die Facetten des Liberalismus sind viel weitreichender. Wir erleben eine krisenhafte Zuspitzung in der Weltpolitik, die es so in Jahrzehnten nicht gegeben hat. Und wir haben als FDP dazu nicht die nötigen Perspektiven, wie sie Genscher heute hätte, auch zur weltpolitischen Rolle Europas.“

Baum fordert auch eine Kurskorrektur in der Wirtschaftspolitik. „Wir müssen alles tun, um Kernbranchen wie die Autoindustrie, die chemische Industrie und den Stahl im Land zu halten. Wir können nicht zulassen, dass durch die Versäumnisse insbesondere der Autoindustrie Massenarbeitslosigkeit entsteht. Da müssen wir notfalls mit staatlichen Hilfen und Beteiligungen – wie im Fall der Meyer-Werft – die Produktion im eigenen Lande halten.“

Auch beim Umweltschutz forderte der FDP-Politiker Nachbesserungen. „Technische Innovationen müssen weiter unterstützt werden und natürlich Wachstum gefördert werden, ökologisches Wachstum.“

FDP-Politikerin Jensen: Brandenburg-Wahl war Votum für Ampel-Ende

Angesichts der Forderungen aus ihrer Partei nach dem Ausstieg aus der Ampel hat die FDP-Fraktionsvize Gyde Jensen für eine differenzierte Debatte über die Regierungskoalition geworben.

„Die Wählerinnen und Wähler haben am Sonntag mit ihrer Wahlentscheidung deutlich gemacht, dass sie lieber ein Ende mit Schrecken als einen Schrecken ohne Ende befürworten“, sagte Jensen dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Diese demokratische Entscheidung sollten wir respektieren – allein schon im Interesse unserer Demokratie.“

Gleichzeitig trage die Koalition auch internationale Verantwortung. „Auch unsere europäischen und internationalen Partner schauen mit großem Interesse auf die politische Bühne in Deutschland. Auch dieser Verantwortung müssen wir uns bewusst sein.“ In den verbleibenden zwölf Monaten bis zur nächsten regulären Bundestagswahl gelte es daher, mehr denn je die Wirtschaft zu entlasten, den Menschen im Land zuzutrauen ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und eine solide und den nächsten Generationen gerecht werdende Haushaltspolitik zu machen, so die Liberale.

Vize-FDP-Chef Wolfgang Kubicki hatte erklärt, die Ampelkoalition werde nicht mehr bis Weihnachten halten. Der reguläre nächste Bundestagswahltermin wäre der 28. September 2025. +++

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