Dreyer: Türkei soll in NATO bleiben

Kurdische Gemeinde warnt vor gewaltsamen Konflikten in Deutschland

Malu Dreyer (SPD)
Malu Dreyer (SPD)

Die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer hat sich gegen Überlegungen ausgesprochen, die Türkei wegen der Militäroffensive in Nordsyrien aus der NATO auszuschließen. „Jetzt die Türen zuzuschlagen würde alle Einflussmöglichkeiten verschließen und nur die kriegstreiberischen Kräfte in der Türkei stärken“, sagte Dreyer dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Die Türkei aus der NATO auszuschließen, hilft weder den Kurden in Nord-Syrien noch der Region insgesamt.“ Das türkische Vorgehen sei aber „eine Belastungsprobe“ für das Bündnis. „Die Türkei sollte wissen, dass sie in der NATO gerade sehr allein steht.“

Dreyer fügte hinzu, dass die SPD die türkische Militäroffensive aufs Schärfste verurteile. „Das wird auch nicht ohne Konsequenzen bleiben“, sagte die SPD-Politikerin dem RND. Da die Türkei NATO-Mitglied mit allen Rechten und Pflichten sei, habe man „ein viel breiteres Feld an Möglichkeiten, Einfluss auf die Türkei zu nehmen“. A uch ein Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit dem Land lehnt Dreyer ab. „Es herrscht bei den EU-Beitrittsverhandlungen bereits seit einiger Zeit ein kompletter Stillstand“, sagte sie dem RND. „Das ist auch richtig so, aber deswegen sehe ich auch keinen Vorteil, den formalistischen Schritt zu gehen. Er würde zudem alle Kräfte in der Türkei schwächen, die – im Gegensatz zur aktuellen Regierung – für eine Annäherung an die EU stehen.“ Ähnlich äußerte sich der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alexander Graf Lambsdorff: „Bei allem Unverständnis über die türkische Militäroperation wäre es falsch, die Mitgliedschaft der Türkei in der NATO infrage zu stellen. Sie ist ein entscheidender Hebel, um Einfluss auf das Handeln Ankaras in zahlreichen politischen und militärischen Fragen auszuüben“, sagte Lambsdorff dem RND. „Zudem ist der Weg rechtlich nicht gangbar, denn der NATO-Vertrag sieht keine Möglichkeit zu Ausschluss oder Suspendierung eines Mitgliedes vor“, so Lambsdorff weiter.

Kurdische Gemeinde warnt vor gewaltsamen Konflikten in Deutschland

Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, hat angesichts der Militäroffensive der Türkei gegen die Kurden in Nordsyrien vor gewaltsamen Auseinandersetzungen in Deutschland gewarnt. „Erdogan hat die Türkei in allen Bereichen gleichgeschaltet“, sagte Toprak dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „24 Stunden am Tag werden die Menschen in den Medien mit nationalistischer Hetzpropaganda berieselt, auch in Deutschland. Die Ditib-Moscheen hier, die direkt der türkischen Religionsbehörde und damit Erdogan unterstellt sind, tun alles, damit die Türken die nationalistische Politik Erdogans unterstützen.“ Die Kurden würden „sicherlich weiterhin mit demokratischen Mitteln demonstrieren“, fügte Toprak hinzu. „Aber wir wissen nicht, welche Verbrechen in den nächsten Tagen noch passieren. Und natürlich kann es zu Provokationen kommen.“ In einigen Städten habe es leider schon die ersten kleineren Ausschreitungen geg eben. „Je länger es dauert und je brutaler es wird, desto verzweifelter werden die Menschen auch hier.“ Er beklagte, dass die Bundesregierung bisher nicht auf die Kurden in Deutschland zugekommen sei. Das sei „die nächste Enttäuschung“. Denn während der französische Präsident Emmanuel Macron eine Delegation kurdischer Vertreter empfangen habe, „haben wir von der Bundesregierung diesbezüglich wenig mitbekommen. Ich hätte ein Gesprächsangebot erwartet und mehr Unterstützung erhofft“, so Toprak. „Viele Kurden sind ja auch deutsche Staatsbürger; Deutschland ist ihre neue Heimat. Bisher hatten wir nur auf Staatssekretärsebene Kontakt mit dem Auswärtigen Amt. Dabei müssen wir die Situation im Inland gemeinsam kontrollieren und dafür sorgen, dass die Anspannung nicht explodiert.“ Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde forderte drastische Maßnahmen gegen die Türkei. „Die EU-Beitrittsverhandlungen müssen endgültig beendet werden“, sagte er dem RND. „Sämtliche Waffenexporte in die Türkei müssen sofort gestoppt werden. Auch alle wirtschaftlichen Hebel müssen angewendet werden, etwa die Hermes-Bürgschaften der Bundesrepublik. Die NATO-Mitgliedschaft der Türkei muss in dieser Situation ebenfalls infrage gestellt werden.“ Sonst werde es nicht gelingen, Erdogan zu stoppen. +++