Dreyer fordert Bund und Länder zu Einigung bei Fluchtgipfel auf

Özdemir kritisiert deutsche Migrationspolitik

Malu Dreyer (SPD)

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat Bund und Länder aufgefordert, sich auf der Sonderkonferenz der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über die Finanzierung der Flüchtlingsversorgung zu einigen. „Alle staatlichen Ebenen sind gefragt und tragen eine große Verantwortung. Wir müssen die Probleme im Schulterschluss lösen und dazu muss sich jeder und jede fragen, wo man zu- und abgeben kann“, sagte Dreyer der „Rheinischen Post“. „Wir wissen alle, wozu es führt, wenn die Fragen zur Flüchtlingsunterbringung eskalieren. Daran kann niemand ein Interesse haben“, sagte die SPD-Politikerin.

Ihr Land und die Kommunen kämen ihrer Verantwortung bei der Unterbringung, Versorgung und Integration nach. Das Land habe die Aufnahmekapazitäten innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt und sorge für die Beschulung der Kinder und Jugendlichen. Eingerechnet der ad hoc zu Kriegsbeginn zusätzlich zur Verfügung gestellten Landesmittel erhielten die rheinland-pfälzischen Kommunen in 2022 Sondermittel in Höhe von 141,6 Millionen Euro, was mehr als 70 Prozent der vom Bund bereitgestellten Mittel entspreche. „Für unsere Kommunen und auch uns Länder ist Planungssicherheit bei der Fluchtaufnahmefinanzierung von besonderer Bedeutung. Deshalb wäre es ein wichtiger Schritt seitens des Bundes die Fluchtaufnahme in einem atmenden System zu finanzieren, das unmittelbar auf Veränderungen in Fluchtbewegungen reagiert. Dann können sich die handelnden Akteure vor Ort auf ihre Kernaufgaben, Unterbringung, Versorgung und Integration konzentrieren“, sagte Dreyer.

Özdemir kritisiert deutsche Migrationspolitik

Grünen-Politiker Cem Özdemir hat sich dafür ausgesprochen, in Deutschland lebenden Ausländern und insbesondere Türken den Zugang zum deutschen Pass zu erleichtern. „Ich würde mir wünschen, dass es uns gelingt, aus Ausländern Inländer zu machen, wenn sie unsere Sprache sprechen, sich zum Grundgesetz bekennen und hier ihren Lebensunterhalt verdienen“, sagte Özdemir der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Dann gehören sie dazu.“ Immer noch sei es so, dass ein großer Teil der in Deutschland geborenen Kinder türkischer Eltern keine deutsche Staatsbürgerschaft erhalte. „Das heißt, wir produzieren immer noch inländische Ausländer“, so Özdemir. Die Migrationspolitik hierzulande sorge dafür, dass sich Teile der deutsch-türkischen Gemeinschaft dem türkischen Präsidenten Erdogan zuwendeten. Özdemir kritisierte in diesem Zusammenhang Versäumnisse: „Wenn man Leuten lange genug erzählt: Ihr gehört nicht hierzu, dann benehmen sie sich auch so.“ Der So  hn türkischer Einwanderer verwies auf seine eigene Biografie: „Nehmen Sie mich: Ich bin im Dezember 1965 geboren. Ich habe immer besser Schwäbisch als Türkisch gesprochen und war trotzdem 18 Jahre meines Lebens türkischer Staatsbürger – obwohl ich niemals mehr als sechs Wochen Urlaub im Sommer in der Türkei verbracht habe.“

Thüringens Innenminister fürchtet AfD-Stärkung durch Asylstreit

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) hat Geschlossenheit bei der Flüchtlingspolitik angemahnt und vor einer Stärkung der AfD durch den Streit zwischen Bund, Ländern und Kommunen gewarnt. „Es ist bedauerlich, dass nun Bund, Länder und Kommunen in einen großen Streit über die Flüchtlingsversorgung gehen. Das hilft vor allem den Rechtsextremisten und Populisten“, sagte Maier den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Schon jetzt merken wir im Osten Deutschlands, wie stark die AfD das Thema Flucht und Asyl instrumentalisiert und gegen Geflüchtete hetzt.“ Jeder Streit der Demokraten sei „sehr schädlich“, so Maier. „Wir müssen stattdessen zeigen, dass Bund, Länder und Kommunen die Krise gemeinsam stemmen. Das ist in den vergangenen Jahren gut gelungen, das muss auch jetzt wieder gelingen.“ Wie auch andere Landespolitiker forderte Maier eine stärkere Finanzhilfe des Bundes für die Kommunen. „Die Landkreise und Kommunen vor Ort tragen di  e Hauptlast bei der Versorgung der Geflüchteten. Anders als die Bundesregierung behauptet, schwimmen die Kommunen nicht im Geld“, sagte der SPD-Politiker. Die Kosten für die Unterbringung und der Versorgung von Menschen auf der Flucht seien „enorm“ und „in den vergangenen Monaten deutlich gewachsen, vor allem mit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine“, so Maier. „Ich plädiere daher auch für eine Rückkehr zur Pro-Kopf-Pauschale, die der Bund an Länder und Kommunen zahlt. Das ist eine faire Lösung.“

Lehrerverband will Bildung als Thema beim Flüchtlingsgipfel

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, befürchtet, dass der Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern keine befriedigenden Antworten auf die akuten Integrationsprobleme an den Schulen geben wird. „Es droht die Gefahr, dass das Thema Schule im Hickhack um Kostenanteile von Bund und Ländern komplett untergeht“, sagte Meidinger dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Die Rückmeldungen aus Schulen vor Ort zeigten, dass bescheidene Integrationserfolge der letzten Jahrzehnte bei Kindern mit Migrationsgeschichte gerade wieder verspielt würden. „Wenn laut aktueller Grundschulstudie Flüchtlingskinder in der 4. Klasse bis zu zwei Lernjahre gegenüber dem Durchschnitt im Rückstand sind, dann ist das ein ganz böses Omen für deren künftige Bildungs-, Lebens- und Teilhabe-Chancen“, so Meidinger. Auch der wachsende Anteil von Jugendlichen aus Zuwanderungsfamilien bei Schulabbrecherquoten sei kein gutes Zeichen. „Nach Ansicht des Deutschen Lehrerverbands wäre eine große gemeinsame Kraftanstrengung notwendig, um den Schulen die finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die erfolgreiche Integration braucht“, sagte Meidinger. Es brauche einen umfassenden und langfristigen konzertierten Aktionsplan statt Streitigkeiten auf dem Rücken der Betroffenen. +++