Drei hessische Jugendherbergen müssen schließen

Der hessische Jugendherbergsverband muss zwar wirtschaftlich handeln, trotzdem hat er den Anspruch, auch kleine Häuser insbesondere in der Fläche zu erhalten. Der finanzielle Druck, der durch die Coronakrise entstanden ist, zwingt den Landesverband jetzt allerdings zu dramatischen Einschnitten. Die Jugendherbergen Gießen, Weilburg und Zwingenberg haben aktuell keine Belegung und werden zum 31.12.2020 vom Netz genommen. Marjana Schott sagt als Aufsichtsratsvorsitzende: „Das ist ein herber Verlust für unseren Landesverband, aber die Auswirkungen der Coronakrise lassen uns leider keine anderen Möglichkeiten.“ Timo Neumann ergänzt als Vorstandsvorsitzender: „Die drei Häuser waren in den letzten Jahren immer nur knapp rentabel, Investitionen in die Zukunftssicherung waren schon länger nur zu Lasten unserer anderen 27 Jugendherbergen möglich.“ Für die Standorte in Gießen und Weilburg kann es jedoch mittelfristig eine Perspektive geben. Bei einem konstruktiven Gespräch des DJH-Vorstandes und dem Bürgermeister von Weilburg, Herrn Dr. Hanisch, war man sich über den offenkundigen Investitionsbedarf einig. Bürgermeister Hanisch signalisierte den festen Willen, von Seiten der Stadt Weilburg Lösungen entwickeln zu wollen.

Auch mit der Stadt Gießen gab es zielführende Gespräche. Der jetzige Standort ist zu klein, nicht mehr zeitgemäß und nicht ausreichend an den ÖPNV angebunden. Stadträtin Weigel-Greilich betont: „Wir bedauern sehr, dass die Jugendherberge in Gießen geschlossen werden soll. Gerade in einer so jungen Stadt wie Gießen mit den beiden Hochschulen und einem vielfältigen und attraktiven Angebot an Freizeit-, Bildungs- und Kultureinrichtungen möchten wir natürlich auch einen Standort Jugendherberge. Wir begrüßen sehr, dass auch das Jugendherbergswerk grundsätzlich die Stadt Gießen als ausgesprochen attraktiven Standort betrachtet und vom DJH in der mittelfristigen Planung angedacht ist, eine verkehrsgünstiger gelegene neue Fläche für die Jugendherberge in der Innenstadt bzw. innenstadtnah mit ÖPNV-Anschluss zu suchen. Die Stadt Gießen wird die Suche nach einem geeigneten Grundstück aktiv unterstützen und hofft darauf, dass die Corona-Pandemie schnell überwunden wird und das Jugendherbergswerk wieder expandieren kann.“ Die Jugendherberge Zwingenberg liegt in Südhessen an der Bergstraße und hat 115 Betten in 21 Zimmern. Das Haus in Gießen liegt knapp 4 Kilometer außerhalb der Kernstadt, hat 19 Zimmer und 88 Betten. Die Jugendherberge Weilburg ist oberhalb der Lahn im Ortsteil Odersbach angesiedelt, hat 24 Zimmer und 156 Betten. Neumann: „Die Besucherzahlen in den drei Häusern waren in den letzten Jahren auch rückläufig, weil die Häuser über schlechte Sanitärausstattungen, wenige kleine und viele große Mehrbettzimmer verfügen und insgesamt renovierungsbedürftig sind, was aktuell nicht mehr den Erwartungen unserer Gäste entspricht. Investitionen in die Zukunftssicherheit der drei Häuser wären im hohen siebenstelligen Bereich notwendig geworden.“

Die Jugendherbergen in Hessen haben 2017 im Zuge einer großen Betriebsanalyse einen Masterplan aufgestellt, mit dem über 20 Jahre ein Investitionsstau von 75 Millionen Euro abgebaut werden sollte. Die Coronakrise hat nun ein großes Loch in die Tasche des Verbandes gerissen. Wie berichtet fehlen dieses Jahr, ausgelöst durch die Coronakrise, im Vergleich zu den Vorjahren über 75 % Umsatz und bis zu einer halben Millionen Gäste in den hessischen Häusern. Schott: „Wir zehren gerade von unseren Rücklagen zum Erhalt der Jugendherbergen, die eigentlich für die Neubauten und Modernisierungen der Jugendherbergen in Marburg, Rüdesheim und Wetzlar vorgesehen waren.“ Die Fortführung der vor der Corona-Krise geplanten Bau- und Modernisierungsmaßnahmen ist derzeit unklar. Die Projekte wurden mit Beginn der Krise eingefroren. Die Neubauten der zwei Jugendherbergen an Lahn und Rhein sollten dieses Jahr starten und hätten in Summe etwa 12 Millionen Euro gekostet, der Landesverband wollte diese mit Eigenmitteln, bereits zugesagten Förderungen von Bund, Land und Kommunen finanzieren.

Lilli Scheffke spricht als Hauselternsprecherin, Aufsichtsratsmitglied, Personalratsmitglied und Hausleitung der Jugendherberge Oberreifenberg von „schlimmen Zeiten“ für das hessische Jugendherbergswerk. „Hier geht es nicht nur um drei Gebäude, hier geht es auch um die Arbeitsplätze unserer Kolleginnen und Kollegen, ganz viel Geschichte und ganz viele Geschichten, die unsere Gäste und Freunde erlebt haben.“ Durch die Schließung sind 25 Mitarbeitende der Jugendherbergen unmittelbar betroffen. Neumann: „Wir versuchen hier so sozialverträglich wie möglich zu agieren, einigen Mitarbeitenden konnten wir Alternativen in anderen Häusern anbieten, andere versuchen wir bei der Jobsuche zu unterstützen, was vereinzelnd auch schon erfolgreich war“. Neben den Mitarbeitenden des DJH sind aber auch potentiell Arbeitsplätze im Umfeld der Jugendherbergen betroffen, pädagogische Programmanbieter, Lebensmittellieferanten und Händler sowie Handwerker die viel für die Jugendherbergen im Einsatz waren sind nur einige davon. Scheffke: „Das alles macht uns betroffen, aber durch die Länge des Betriebsausfalls während der Coronakrise war es für uns schon länger absehbar, dass es sehr schwer wird alle Häuser durch die Krise zu manövrieren. Nun gilt es für uns alle zusammen zu stehen und zu hoffen, dass bald wieder Sicherheit auf dem Reisemarkt entsteht, damit wir nicht noch mehr Häuser schließen müssen.“ +++