DIW: Menschen überschätzen Risiko einer Covid-19-Erkrankung

Virologin empfiehlt Impfungen zur Vorbereitung auf zweite Welle

Die Deutschen überschätzen nach Ansicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin das Risiko einer Covid-19-Erkrankung drastisch. Die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit für eine lebensbedrohliche Corona-Infektion werde von Befragten mit rund 26 Prozent angegeben, und aus heutiger Sicht sei diese Einschätzung „viel zu hoch“, so das DIW am Donnerstag. Ein solcher Wahrscheinlichkeitswert dürfte selbst bei einem erneuten Ansteigen des Infektionsgeschehens „nicht annähernd erreicht werden“, so die Wirtschaftsexperten.

Das lebensbedrohliche Erkrankungsrisiko beträgt für die erwachsene Bevölkerung in Deutschland nach Ansicht des DIW bis zum Frühjahr 2021 maximal etwa 0,6 Prozent. Dabei unterstellen die Forscher allerdings, dass eine zweite Welle höchstens noch einmal zu so vielen Erkrankungen führt wie das bisherige Infektionsgeschehen in Deutschland. Offenbar scheinen die Deutschen ihre Einschätzung allerdings langsam in die entspr echende Richtung zu korrigieren. Lag Anfang April das durchschnittlich genannte lebensbedrohliche Erkrankungsrisiko noch bei 28,8 Prozent, sank es bis Ende Juni auf 24,0 Prozent. Weitere Ergebnisse: Menschen im Westen schätzen ihr Risiko etwas höher ein als die im Osten, Frauen glauben an ein höheres persönliches Risiko als Männer. Mit zunehmendem Alter steigt auch kontinuierlich die Sorge vor einem lebensbedrohlichen Risiko durch das Coronavirus, mit einer Ausnahme: Die älteste Gruppe der Über-70-Jährigen beziffert ihr Risiko sogar niedriger als die Menschen im Alter zwischen 41 und 50 Jahren – obwohl es tatsächlich größer ist. Auch mit höherer formaler Bildung nimmt die Vermutung eines hohen Risikos durch Corona ab, Erwerbstätige fühlen sich deutlich stärker gefährdet als Selbstständige. Letztere gehören sogar zu der soziologischen Gruppe, die das Risiko mit am niedrigsten einschätzt, wenngleich wie alle anderen Gruppen auf einem nach DIW-Ansicht viel zu hoch gegriffenen Niveau. F ür die Befragung wurden Antworten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) ausgewertet, die vom 1. April bis 5. Juli erhoben wurden.

Virologin empfiehlt Impfungen zur Vorbereitung auf zweite Welle

Die Direktorin des Instituts für Virologie der TU München, Ulrike Protzer, empfiehlt auch jungen Menschen, sich in diesem Jahr gegen Grippe und Pneumokokken impfen zu lassen. Mit einer Grippeimpfung könne man zur Entlastung des Gesundheitssystems beitragen, sagte Protzer den Fernsehsendern RTL und n-tv. Im Herbst stünden die Ärzte vor der Herausforderung, Grippe, Covid-19 und banale Erkältungen schnell voneinander unterscheiden zu müssen, wenn Menschen Symptome wie Husten zeigten. „Je mehr Menschen dann sicher sagen können: Ich bin aber gegen Grippe geimpft, das kann man schonmal relativ ausschließen, umso einfacher macht es uns das natürlich.“ Eine Pneumokokken-Impfung reduziere das Risiko einer Überinfektion: „Wenn man Corona hat, dann kann es zu Überinfektionen mit Pneumokokken kommen und die können sehr schwer verlaufen, können sogar tödlich sein und davor kann ich mich schützen, wenn ich mich vor Pneumokokken impfen lasse“, sagte Protzer, die a uch für das Helmholz-Institut tätig ist. Gerade für ältere Menschen sei das „absolut empfehlenswert“, aber sie empfehle das auch Jüngeren – auch sie selber habe sich impfen lassen. Mit Blick auf eine mögliche zweite Welle sei zudem das Führen eines Kontakttagebuchs sinnvoll. „Sinn macht es, die aufzuschreiben, mit denen ich näheren Kontakt hatte“, sagte die Virologin. Entscheidend seien dabei Kontakte, die ohne Maske stattgefunden haben und die Dauer des Kontakts. „Gefährlich wird es dann, wenn es über 15 Minuten sind, kumulativ: also, wenn ich die Person mehrfach getroffen habe und insgesamt über 15 Minuten, dann habe ich schon auch ein deutliches Risiko: das sollte ich mir auf alle Fälle merken“, so Protzer. Effizienter als ein Kontakttagebuch bleibe aber die Corona-Warn-App.

Fast alle Bürger begrüßen Pflichttests bei Reiserückkehrern

Eine deutliche Mehrheit der Deutschen findet es richtig, dass sich Reiserückkehrer aus Corona-Risikogebieten künftig auf das Coronavirus testen lassen müssen. 93 Prozent befürworten die am Donnerstag verkündete Testpflicht, 7 Prozent lehnen sie ab, so eine Umfrage von Infratest-Dimap für den ARD-Deutschlandtrend im Auftrag der Tagesthemen, die allerdings bereits am Montag und Dienstag durchgeführt worden war. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte am Donnerstag angekündigt, dass die Testpflicht für Rückkehrer aus Risikogebieten ab Samstag gelten wird. Anhänger aller im Bundestag vertretenen Parteien unterstützen diese Regelung mit jeweils großer Mehrheit: Am größten ist die Zustimmung bei den Anhängern der Union (98 Prozent), am geringsten bei den Anhängern der AfD. Aber auch bei ihnen sind 74 Prozent für die Testpflicht. Dass nicht die Menschen, die aus Risikogebieten nach Deutschland zurückkehren, sondern der Staat die Kosten für die Pflichttes  ts übernehmen wird, sieht eine Mehrheit der Deutschen hingegen kritisch: 57 Prozent halten die Kostenübernahme durch den Staat für falsch. 39 Prozent hingegen finden das richtig. Für die Erhebung hatte Infratest 1.011 Personen telefonisch befragt. +++