Eine urbane Seilbahn als Verkehrsmittel für Fulda – für Professor Jürgen Follmann ist das kein Gedankenspiel aus dem Alpenurlaub, sondern eine ernsthafte Option für den Nahverkehr der Zukunft in Osthessen. Das Projekt war eines der zentralen Themen bei einem Akademieabend der Katholischen Akademie im Bistum Fulda, der gemeinsam mit der Friedrich-Naumann-Stiftung organisiert wurde. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Moderne und zukunftsorientierte Infrastruktur in Fulda und Osthessen – Innovationen und aktuelle Entwicklungen“.
Akademiedirektor Gunter Geiger betonte zum Auftakt, dass der Abend nicht allein der Seilbahn gewidmet sei. Nach einem Impulsvortrag von Follmann diskutierten auf dem Podium IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Konow, RhönEnergie-Geschäftsführer Dr. Arnt Meyer und FDP-Kreisvorsitzender Mario Klotzsche. Moderator war der Radiojournalist Werner Schlierike.
Follmann, Mobilitätsexperte und Dozent an der Hochschule Darmstadt, präsentierte zunächst Zahlen, die seiner Ansicht nach zum Umdenken anregen sollten. Demnach werden in Fulda fast die Hälfte aller Wege zwischen drei und fünf Kilometern mit dem Auto zurückgelegt. Der öffentliche Nahverkehr erreicht lediglich einen Anteil von sechs Prozent, das Fahrrad kommt auf zehn Prozent. Auch das bestehende Radhauptnetz schnitt in seiner Analyse schlecht ab. Follmann verwies auf Beispiele aus Darmstadt, wo Fahrradstraßen ganze Fahrspuren für Autos ersetzen. Fulda, so seine Schlussfolgerung, müsse neue Mobilitätskonzepte erproben, die in anderen Städten bereits funktionierten.
Neben der Seilbahn stellte Follmann die Idee einer „City-Bahn“ vor, die auf bestehenden Gleisen von Großenlüder oder Bimbach über Horas und den Hauptbahnhof bis nach Bronnzell und Eichenzell fahren könnte. Zur Seilbahn berichtete er, dass er gemeinsam mit Studierenden mögliche Streckenverläufe geprüft und dabei auch Hindernisse wie Stromtrassen berücksichtigt habe. Die Studierenden präsentierten ihre Ergebnisse unter dem Leitgedanken „Die Zukunft des Nahverkehrs hebt ab“.
Laut Follmann könnte eine Seilbahn bis zu 5000 Personen pro Stunde in beide Richtungen transportieren – ein Wert, der nicht weit von der Kapazität der S-Bahn im Rhein-Main-Gebiet entfernt sei. Als weitere Vorteile nannte er den autonomen Betrieb ohne Personal, die Unabhängigkeit von Staus oder Bahnübergängen und die Nutzungsmöglichkeiten für die Logistik. Ein Beispiel dafür sei Koblenz, wo Studierende Pakete per Seilbahn über den Rhein transportierten.
Dr. Arnt Meyer von der RhönEnergie hob hervor, dass das bestehende Busangebot auch in ländlichen Regionen gut ausgebaut sei. Das Problem liege jedoch in der Auslastung: Busse seien zu Stoßzeiten voll, blieben aber zwischendurch häufig leer. Zudem sei das Auto für viele Menschen weiterhin die bequemere Option. Meyer wies darauf hin, dass Autofahrer oft die Gesamtkosten eines eigenen Fahrzeugs unterschätzten – Kosten, die im öffentlichen Nahverkehr nicht anfielen.
Die Podiumsteilnehmer machten deutlich, dass Fulda stark vom Individualverkehr geprägt sei und sich daran kurzfristig wenig ändern werde. Klotzsche verwies darauf, dass 92 Prozent der Bevölkerung den ÖPNV nicht nutzten, einschließlich des Schülerverkehrs. In ländlichen Gemeinden wie Neuhof oder Flieden könnten On-Demand-Modelle jedoch Abhilfe schaffen, zumal diese Orte gut an die Bahnstrecke Fulda–Frankfurt angebunden seien.
Konow erinnerte daran, wie wichtig eine verbesserte ÖPNV-Anbindung des Industriegebiets West sei, insbesondere für Schichtarbeiter. Zugleich betonte er, dass neue Maßnahmen nur mit ausreichender Akzeptanz in der Bevölkerung funktionieren könnten. Das Beispiel Hamburg mit der per Bürgerentscheid gescheiterten Elb-Seilbahn zeige, wie rasch Projekte kippen könnten.
Der Abend machte deutlich, dass Fulda und Osthessen vor großen verkehrspolitischen Herausforderungen stehen. Follmann plädierte für mutige Schritte – von einer flexibleren Gestaltung des ÖPNV über den Ausbau von Umgehungsstraßen wie dem Westring bis hin zu einer möglichen City-Bahn und einer verstärkten Förderung der Elektromobilität. Die urbane Seilbahn sei dabei nur eines von mehreren visionären Projekten, könne aber zum Symbol einer modernen und nachhaltigen Infrastruktur werden. +++

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