„Die Wende“ – Fiktion oder Realität?

Unterhaltsame Autorenlesung auf Point Alpha

Einen unterhaltsamen Mix aus einer Buchlesung und der Schilderung von biografischen Erlebnissen vor allem in der DDR konnten jetzt die Besucher in der Point Alpha Gedenkstätte verfolgen. Im Blickpunkt stand der Vortrag des Autors Thedy van Goy, der seinen historischen Roman „Die Wende: Die letzten 20 Jahre einer brüchigen Mauer“ vorstellte.

Van Goy weiß, von was er schreibt und spricht. Als Schweizer Manager hat er 20 Jahre lang auf beiden Seiten des „Eisernen Vorhangs“ Erfahrung sammeln können. Sein Arbeitgeber, eine Holding mit Hauptsitz in Arnheim, produzierte nämlich in den sozialistischen Ländern des Warschauer Paktes Möbel, die dann im kapitalistischen Westen verkauft wurden. Der 1944 in der Schweiz geborene Schriftsteller kann von daher aus dem Nähkästchen plaudern. Er kennt die Lebenswirklichkeit, die Bedingungen in der DDR, erlebt die Mangelwirtschaft genauso wie die Kunst der Improvisation in den Fabriken, weiß vom Frust und den kleinen Freuden der Leute dort.

Immer wieder unterbricht er seine Lesung und streut seine Anekdoten als Akteur und gleichzeitig Beobachter aus dieser Zeit ein, gibt seine persönlichen Eindrücke zur politischen Situation und Entwicklungen weiter. „Ich will nicht überheblich wirken, aber ich habe die Wende schon früh gespürt. Die Leute wollten dieses Theater nicht mehr“, sagt Van Goy selbstbewusst. Der Agententhriller überspannt zwei Jahrzehnte des kalten Krieges als Ost und West ihre Ziele erbarmungslos verfolgten und verknüpft reale geschichtliche Hintergründe und Schauplätze gekonnt mit zwei fiktiven, rastlosen Geistern. Er spielt mit dem Gedanken, warum die DDR zum Scheitern verurteilt war, wirft aber auch einen gezielten Blick darauf, warum es diese Sicht der Dinge damals so noch nicht gegeben hat.

Zum Inhalt: Der Zweck heiligt die Mittel? Der eine Protagonist, Uli Winkler, würde diese Frage bedenkenlos mit Ja beantworten, denn in der DDR der 1970er Jahre gibt es für ihn keinen Widerspruch: Der sozialistische Arbeiter- und Bauernstaat muss gegen den kapitalistischen Westen verteidigt werden – zur Not auch mit Gewalt. Der andere, Michael Ivanov, tut sich da schon schwerer: Als Doppelagent muss er auch die Interessen des Westens schützen – ebenfalls mit nicht immer moralisch einwandfreien Methoden. Aus ehemals besten Freunden werden erbitterte Feinde, die ihre Ziele erbarmungslos verfolgen. Mehr verraten wird natürlich nicht, denn die Literaturfreunde sollen natürlich selbst zum Buch greifen und der Frage nachgehen, ist die Story Fiktion oder doch Realität? Zu Beginn der Autorenlesung hatten Vorstand Berthold Jost und der wissenschaftliche Mitarbeiter Arndt Machelet Autor und Publikum im Namen der Point Alpha Stiftung begrüßt. Im Nachgang diskutierten die Zuschauer emotional und kontrovers – je nach Blickwinkel – über Enttäuschungen aber auch positive Aspekte im Umfeld der Wiedervereinigung beider deutschen Staaten. +++ pm