Die Situation der Krankenkassen und des deutschen Gesundheitswesens

Wenn alles geht

Berlin. Das CDU-Wahlprogramm für die Gesundheit umfasst drei Seiten, lässt sich aber in zwei Worten zusammenfassen: weiter so. Unser Gesundheitssystem sei nach vielen Reformen nun schon seit zehn Jahren stabil und leistungsfähig, heißt es da. Es sei das beste der Welt. Mit anderen Worten: Nicht dran rühren. Der von der CDU gestellte Gesundheitsminister Hermann Gröhe hat sich an diese Vorgabe schon immer penibel gehalten. Keine Reformen, kein Ärger.

Die schon vor einem Monat angekündigten und am Donnerstag veröffentlichten Zahlen der Krankenkassen geben der Union scheinbar sogar recht und sind daher ein strategisches Wahlkampf-Fiasko für die SPD, die mit der Bürgerversicherung und anderen Reformen mal wieder alles umstürzen will. Denn das Wettrennen zwischen steigenden Einnahmen und steigenden Kosten haben gerade wieder einmal die Einnahmen gewonnen – weil die Beschäftigung so hoch ist. Wenn alles bezahlbar ist, gibt es keinen Veränderungsdruck. So einfach. Was aber ist, wenn der Konjunkturmotor stottert? Dann geht die Rechnung sofort nicht mehr auf. Auch nicht, wenn die Kosten schneller steigen, als die Einnahmen nachkommen. Bei den Koalitionsvereinbarungen im Herbst wird die CDU bei ihrem jetzigen Programm nicht bleiben können, denn die Probleme dulden keine weiteren vier Jahre Aufschub.

Die Kostenexplosion bei den Medikamenten wird noch größer werden, weil mit der Alterung immer häufiger auch teure Krebstherapien verschrieben werden müssen. Hier ist eine wirksame Bremse notwendig, auch Streit mit der Industrie. Die kostentreibende Überversorgung der Republik mit Krankenhäusern ist nicht gelöst, ebenso wenig wie das immer drängender werdende Problem der Unterversorgung mit Arztpraxen auf dem flachen Land. Das System der privaten Krankenversicherung kommt an seine Grenzen, den dort Versicherten drohen Beitragssprünge. Zugleich wirken die teuren Privatpraxen kostentreibend auf das Gesamtsystem. Ebenso die vielen Apotheken, die alle ebenfalls ihr Geld verdienen wollen und verdienen. Die mangelnde Kooperation von Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten führt zu Doppel- und Dreifachuntersuchungen und -behandlungen. Und die Tatsache, dass nur die Arbeitnehmer den Zusatzbeitrag zahlen müssen, wird genauso als zutiefst ungerecht empfunden wie die langen Wartezeiten auf Facharzttermine. Das sind die Probleme.

Manchmal sind gute Zahlen in Wirklichkeit schlechte Zahlen, weil sie den Blick trüben. Sprudelnde Kasseneinnahmen sind der Joint der Gesundheitspolitik, sie machen high, die Welt wird schön. Über 350 Milliarden Euro werden in Deutschland derzeit schon für Gesundheit ausgegeben, eine Wahnsinnssumme und pro Kopf ein Spitzenplatz in der Welt. Gesünder sind die Deutschen deshalb nicht. Wer je aufhört, in diesem System nach Effizienz-, Verbesserungs- und Sparpotenzialen zu suchen, egal wie hoch die aktuellen Einnahmen gerade sind, ist nicht nur ehrgeizlos. Er vergeudet auch Geld im großen Stil, so die Lausitzer Rundschau. +++