Die Lehren aus Paris: Wenn Freiheit sich neu entdeckt

Berlin. Noch immer liegen die Anschläge von Paris schwer im Magen. Es ist diese Mischung aus Trauer und Wut und Trotz. Aber was für eine Antwort! Der Millionenmarsch in Paris und das „Zusammenstehen“ am Brandenburger Tor in Berlin – das erleichtert. Könnte es sein, dass die Menschen in Europa nicht nur zusammenrücken, sondern womöglich ihre Identität neu entdecken? Wenn das zu den Lehren aus Paris gehört, dann wäre das enorm viel.

Denn das Wehklagen über den vermeintlichen Untergang des Abendlandes hat schrecklich wenig mit einer angeblich einhergehenden Islamisierung zu tun. Wenn Europa von irgendeinem Verlust bedroht sein sollte, dann ist es doch eher eine Art Selbstvergessenheit, die Gefahr in sich birgt. Dabei schadet es keineswegs, sich an anderen Gesellschaftsmodellen zu messen. Die kritische Auseinandersetzung mit der kommunistischen Ideologie, wie sie während des Ost-West-Konflikts auch in der westlichen Welt üblich war, schärfte den Verstand der Intellektuellen. Das Ringen nach sinnvollen Regeln, die Freiheit, Wohlstand und sozialen Zusammenhalt in Übereinkunft bringen, das Reiben an sich widersprechenden Lebensvorstellungen kann schmerzhaft sein, weil es Mängel im eigenen System zutage fördert.Es ist aber kein Makel, sondern die Stärke einer offenen Gesellschaft, die bereit ist, sich weiterzuentwickeln.

Eine Gesellschaft dagegen, die geistig stehen bleibt oder den Rückwärtsgang einlegt, kann in einer globalisierten Welt, die sich täglich neu erfindet, nur verlieren. Auch auf einer anderen Ebene trägt der konstruktive Streit Früchte. Der Dialog der Religionen ist keineswegs neu, er wird schon seit langer Zeit und oftmals unauffällig auf allen Erdteilen geführt. Solche Diskussionen sollten Konjunktur bekommen, denn sie bilden. Und sie sind geeignet, das Denken und Handeln eines jeden Einzelnen voranzubringen. Auch hier gilt: Ausgrenzung unerwünscht. Es bringt den Diskurs voran, wenn auch all jene mit einbezogen werden, die sich zu keiner Religion bekennen. Denn auch Humanisten oder Kosmopoliten ohne expliziten Gottglauben wohnt ein Glaube inne, über den es sich lohnt, nachzudenken und zu diskutieren. Ein gutes Gespräch ist mehr wert als ein Sterne-Menü. Davon öfters mal mehr zu haben, davon darf man träumen. Die Rahmenbedingungen hält eine freie Gesellschaft bereit. Damit das so bleibt, muss sich die Demokratie wehrhaft zeigen. Deutschland hat keinen Grund, seine Werte zu verstecken, und es darf sie keineswegs vergessen, sondern soll sie offensiv auf den Markt tragen. Wo sie nach den Regeln einer freiheitlichen Gesellschaft offen, gewaltfrei und mit Anstand hinterfragt und diskutiert werden können und sollen, so die Lausitzer Rundschau. +++ fuldainfo