Die Beinahe-Katastrophe im Überblick

Verletzt wurde niemand

Unwetter
Über 700 freiwillige Feuerwehrleute waren am Sonntag im Vogelsbergkreis im Einsatz. Fotos: P.Weitzel

Alsfeld. Es schien kurz vor einer Katastrophe: 705 freiwillige Feuerwehrleute eilten am Sonntag an 127 Stellen im Vogelsbergkreis zur Hilfe. Die Wetterkapriolen von Tief „Vadjma“ verschonten nur wenige Gemeinden und Städte. Besonders betroffen waren die Gebiete um Feldatal, Gemünden, Grebenhain und Herbstein. Verletzt wurde niemand.

Im Feldataler Dorf Köddingen strömte förmlich ein reißender Wildbach durch die Ortsstraßen und richtete mehrere Hunderttausend Euro Sachschaden an. Feldatals Gemeindebrandinspektor Rüdiger Klaus sprach von einer langen Nacht für die Einsatzkräfte. Laut Polizeiangaben wurden mindestens zwei Fahrzeuge beschädigt und eine ganze Baustelle weggespült, die Feuerwehr zählte Wassereinbrüche in zehn Häusern. „Unser Feuerwehrhaus stand rund 30 Zentimeter unter Wasser“, schilderte der örtliche Wehrführer Steffen Merkel. Bis in die späten Nachtstunden räumten Feuerwehrleute und freiwillige Helfer den Schutt und Schlamm von den Straßen, die Aufräumarbeiten mussten am Montag fortgesetzt werden. Zeitweise unpassierbar war die Bundesstraße 49 im Bereich von Ermenrod, dort schwappten Schlamm und Wasser über die Fahrbahn. Mit Frontladern, Schaufeln und Besen räumten Feuerwehrleute die Straße frei. Eine Landesstraße bei Schellnhausen musste wegen Geröllmassen mehrere Stunden gesperrt werden, sie wurde von Hessen Mobil gereinigt. In Groß-Felda, Kestrich und Stumpertenrod mussten Keller leer gepumpt werden.

In Gemünden (Felda) waren rund 80 freiwillige Feuerwehrleute im Einsatz. Wie Gemeindebrandinspektor Tobias Tomaschewski berichtete, gab es mehr als zehn Einsatzstellen. Besonders betroffen waren die Dörfer Ehringshausen, Otterbach und Rülfenrod. „Die Ortsdurchfahrt von Otterbach glich einem See, Rülfenrod war von Wasser und Schlamm bedeckt und in Ehringshausen stand die Hauptstraße unter Wasser“, so Tomaschewski. In Rülfenrod musste der Schienenverkehr für die Vogelsbergbahn gesperrt werden, an gleich zwei Stellen waren Schlamm und Geröll auf die Gleise gerutscht. Die örtliche Messstation des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) gab eine Tagessumme von 94,9 Litern Niederschlag pro Quadratmeter aus, der Hessische Höchstwert für diesen Tag. Alleine in der Stunde um 16 Uhr prasselten in Rülfenrod fast 50 Liter Regen pro Quadratmeter nieder. In Otterbach wurde das Feuerwehrhaus überschwemmt. Mit Sandsäcken und Holzbarrieren hielten Feuerwehrleute den örtlichen Bach im Zaum, zur Unterstützung rückten die Feuerwehr der Stadt Homberg sowie der Gemeinde Mücke mit Sandsäcken an. In Burg-Gemünden, Elpenrod, Hainbach und Nieder-Gemünden gab es keine Feuerwehreinsätze.

In Grebenhain stand das Wasser mancherorts über einen Meter hoch, in Nösberts-Weidmoos waren alleine 15 Wohnhäuser betroffen. Auch ein Unternehmen für die Produktion von Saunen wurde überschwemmt. Die Bundesstraße 276 war in diesem Bereich unpassierbar, mit Sandsäcken, Schotter und Strohballen wurden Wasserbarrieren errichtet. Teilweise wurde sich sogar mit Misthaufen beholfen, die zur Abwehr der Wassermassen umgeschichtet wurden. Ein Wohnmobil wurde von der Feuerwehr mit einem Quad sicher aus den Fluten gelotst. „So etwas habe ich in meiner 25-jährigen Dienstzeit bei der Feuerwehr noch nicht erlebt“, schilderte Grebenhains Gemeindebrandinspektor Mario Henning zum Ausmaß. Laut seinen Angaben waren insgesamt 225 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Deutschen Rotem Kreuz vor Ort. Er berichtete von Einsatzstellen in Bannenrod (3), Crainfeld (1), Ilbeshausen (4), Nösberts (19) und Vaitshain (9). Zur Unterstützung der Grebenhainer Feuerwehrleute war auch die Feuerwehr aus Lauterbach mit sechs Fahrzeugen und über 30 Kräften angerückt, die zahlreiche Pumpen und Sandsäcke mitbrachte. In der Herbsteiner Straße in Ilbeshausen schlug ein Blitz in ein Haus ein, laut ersten Angaben erlosch das Feuer von alleine. Mit einem Teleskopmast deckten Feuerwehrleute das stark beschädigte Dach mit einer Plane ab. Die örtliche Messstation des HLNUG in Ilbeshausen-Hochwaldhausen gab eine Tagessumme von 93,1 Litern Niederschlag pro Quadratmeter aus, der zweithöchste Hessische Wert des Tages. Der Dritthöchste wurde am Selgenhof in Ulrichstein mit 60,9 Litern pro Quadratmeter gemessen. Im Stadtgebiet von Ulrichstein musste die Feuerwehr in Helpershain 13 Mal zur Hilfe ausrücken, dort standen Keller und Fahrbahnen unter Wasser. Die Ulrichsteiner Feuerwehrleute halfen zudem in der Nachbargemeinde Feldatal in den Dörfern Kestrich und Köddingen. „Wir waren bis ungefähr 2 Uhr mit 30 Kräften vor Ort“, so Feuerwehrsprecher Thorsten Dampf.

In Herbstein verursachte das Unwetter über 30 Feuerwehreinsätze, alleine in Lanzenhain musste die Feuerwehr 22 Mal ausrücken. Dort standen mehrere Keller und ganze Straßenzüge unter Wasser. Wie der stellvertretende Stadtbrandinspektor Steffen Jöckel schilderte, musste Unrat aus dem örtlichen Bach geräumt werden. So blockierten unter anderem Baumstämme und Äste den Abfluss der „Alten Hasel“. Weitere Einsatzstellen im Stadtgebiet nannte die Feuerwehr in Altenschlirf, Herbstein, Schlechtenwegen und Steinfurt. Insgesamt waren 100 Feuerwehrleute im Einsatz.

Im Stadtgebiet von Homberg (Ohm) war das Dorf Maulbach besonders betroffen. „Dort hatten wir vollgelaufene Keller und überflutete Straßen“, schilderte Stadtbrandinspektor Thomas Stein. Wie er sagte wurden insgesamt 300 Sandsäcke befüllt, die aber auch in der Nachbargemeinde Gemünden eingesetzt wurden. Ein umgestürzter Baum musste auf der Landesstraße bei Wäldershausen beseitigt werden. Insgesamt waren 80 Homberger Feuerwehrleute im Einsatz, zudem das DRK aus Homberg mit 10 Kräften.

Im Lautertal gab es für die Feuerwehr vier Einsätze, unter anderem kam es auf der Landesstraße bei Eichenrod zu einem Verkehrsunfall. Wie Gemeindebrandinspektor Sebastian Wulff schilderte, war die Straße in diesem Bereich auf einer Länge von etwa 200 Metern mit Schlamm bedeckt. Laut Polizeiangaben kam dadurch eine 22-jährige Autofahrerin aus dem Landkreis Fulda von der Fahrbahn ab und rutschte in den Straßengraben, sie blieb unverletzt. Mit einem Frontlader räumten die Feuerwehrleute die Verschmutzung von der Straße. In Dirlammen wurden derweil drei vollgelaufene Keller leer gepumpt. Im Lautertal waren insgesamt 25 Feuerwehrleute aus Dirlammen, Engelrod und Hörgenau im Einsatz.

In Mücke wurden ein Keller und ein Supermarkt im Gemeindeteil Merlau überschwemmt. Um den Markt trocken zu legen, waren die Feuerwehrleute rund zwei Stunden im Einsatz. „Das Wasser stand glücklicherweise nur wenige Zentimeter hoch“, so der stellvertretende Gemeindebrandinspektor Bernd Wißner. Die Mücker Feuerwehrleute unterstützten zudem ihre Kameraden in Gemünden mit Sandsäcken. Die Feuerwehrleute von Wartenberg befüllten und lieferten Sandsäcke zur Unterstützung ihrer Kameraden in Grebenhain und Herbstein. In Schotten wurde die Feuerwehr wegen Wasser in einer Wohnung alarmiert, jedoch handelte es sich nur um einen verstopften Abfluss. Zu einem Feuerwehreinsatz kam es auch in Freiensteinau, dort stand ein Keller unter Wasser.

Zu keinen Unwetter-Einsätzen kam es in Alsfeld, Antrifttal, Grebenau, Kirtorf, Lauterbach, Romrod, Schlitz und Schwalmtal. „Nur schöner intensiver Landregen, kein Unwetter und kein Feuerwehreinsatz“, kommentierte Schwalmtals Bürgermeister Timo Georg die Lage. Wie er mitteilte rückte der gemeindeeigene Bauhof am Montag zur Unterstützung der Aufräumarbeiten in Feldatal aus. +++ pw