DGB Kritik an Aufstockern - Unmut bei Wirtschaft und Politik

Fulda. Mit Erstaunen und Unmut reagieren die Verantwortlichen des Regionalen Standortmarketings auf die Kritik des DGB Kreisverbandsvorsitzenden Franz Georg Brandt, wonach viele Menschen im Landkreis Fulda trotz Arbeit auf Hartz IV Leistungen angewiesen seien. Im Verhältnis zur Gesamtzahl der Hartz-IV-Bezieher läge der Landkreis Fulda tatsächlich bei der Zahl der Aufstocker in Hessen in der Spitzengruppe. Das sei aber kein Mangel, sondern Ausdruck der Philosophie des Jobcenters, Leistungsbezieher mit Arbeit wieder fit für den Arbeitsprozess zu machen. Wer parallel zum Hartz-IV-Bezug arbeite – und sei es auch nur geringfügig - steigere seine Chancen auf die Wiedereingliederung in das Arbeitsleben. Statt zu kritisieren, sollte Brandt eher loben, denn Fulda habe in Hessen den geringsten Anteil an Hartz-IV-Empfängern und die beste Bilanz bei der Wiedereingliederung.

Der DGB interpretiere nach den Worten von Landrat Bernd Woide die Zahlen falsch und komme zu irreführenden Schlussfolgerungen. Ausschließlich die Zahl und Struktur der Leistungsbezieher zu betrachten, greife zu kurz. Vielmehr müsse man diese Zahlen im Kontext des gesamten Arbeitsmarktes sehen. Der Landkreis Fulda hat nicht nur mit 3,0 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote Hessens, sondern mit 5,4 Prozent auch den geringsten Anteil an Hartz-IV-Empfängern an der Gesamtbevölkerung. Der Hessische Durchschnittswert liegt hier bei 8,7 Prozent, den höchsten Wert erreicht die Stadt Offenbach mit 19,6 Prozent. Der Region Fulda gelingt es aufgrund der guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen besser als anderen hessischen Regionen, mithilfe einer bedarfsdeckenden Beschäftigung Hartz IV-Leistungsbezug zu vermeiden.

Gleichzeitig unternimmt das Kreisjobcenter große Anstrengungen, um Hartz-IV-Empfänger wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dazu zählt eben auch eine geringfügige oder Teilzeitbeschäftigung, die den Leistungsbezieher dann zum sogenannten „Aufstocker“ macht. Woide: „Unsere Philosophie ist es die Leistungsbezieher über Beschäftigung wieder fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Gerade die Aufstocker unterstützen wir mit einer umfangreichen Palette an Maßnahmen zur Aktivierung, Qualifizierung und Vermittlung bei ihren Bemühungen, einen festen Job zu finden.“

Dass der DGB nun aus diesem singulär betrachteten statistischen Phänomen „beschämendes Verhalten der Wirtschaft“ konstruiere, entbehrt nach den Worten von Landrat Bernd Woide jeder Grundlage und sei für sich genommen rufschädigend. Die Zahlen geben nämlich der Fuldaer Philosophie Recht. So hat die Zahl der Langzeitleistungsbezieher von Hartz-IV (mehr als 24 Monate) in den vergangenen drei Jahren um 18,1 Prozent von 4421 auf 3623 abgenommen. Entsprechend liegt Fulda auch bei der sogenannten „Aktivierungsquote von Langzeitleistungsbeziehern“ mit 12,1 Prozent landesweit deutlich an der Spitze. Im Landesdurchschnitt sind es 8,0 Prozent, Schlusslicht ist der Schwalm-Eder-Kreis mit 4,9 Prozent. Auch für IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schunck geht die Kritik des DGB an der Sache vorbei. „Unsere Unternehmen sichern und schaffen Arbeits- und Ausbildungsplätze und zahlen faire Löhne. Und die Mitarbeiter ruhen sich auch nicht in der sozialen Hängematte aus“. Die geringe Zahl der Hartz-IV-Empfänger sei ein Beleg für die Stärke und Stabilität der heimischen Wirtschaft sowie des persönlichen Einsatzes und der Weiterbildungsbereitschaft der Mitarbeiter.

Zu den Zahlen: 30,6 Prozent der Hartz-IV-Empfänger im Landkreis arbeiten und sind damit sogenannte „Aufstocker“. Unter den insgesamt 1874 Personen sind 906 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, 692 geringfügig Berschäftigte und 139 Selbständige. Das ist nach der Landeshauptstadt Wiesbaden (31,1 Prozent) gemeinsam mit dem Landkreis Kassel die höchste „Aufstockerquote“ in Hessen. Betrachtet man nur die ausschließlich geringfügig, beschäftigten Leistungsbezieher, so liegt der Landkreis Fulda hier mit 692 Personen oder einer Quote von 11,3 Prozent im Verhältnis zu allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten auf dem dritten Platz hinter dem Landkreis Kassel und dem Rheingau-Taunus-Kreis. +++ (pm)


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3 Kommentare

  1. Das Problem ist doch, daß der ursprüngliche 400 EUR Job, der mal als sog. Zweit-Job für Berufstätige oder Nebenjob für Hausfrauen oder Studies gedacht war sich im Lauf der Jahre in vielen Branchen zu einem quasi Standard im Billiglohn Bereich etabliert hat (siehe Amazon & Co). Vor allem die für Arbeitgeber günstigen Sozialkosten dieser Lohnvariante verführen immer mehr Arbeitgeber, ehemalige Vollzeitjobs in nunmehr 450 EUR Jobs aufzuspalten.

    Daß man in Deutschland aber von 450 EUR nicht leben kann, nehmen die Arbeitgeber billgend in Kauf. Um den Rest an Einkommen soll sich der Staat kümmern. Und genauso machen es immer mehr. Auch in Fulda!

    Das "Tolle" an der Kombination von 450 EUR Job und Hartz IV ist, daß man als Hartz IV Bezieher voll krankenversichert ist. So brauchen die Arbeitgeber auch diese Sozialkosten nicht mehr zu schultern.

    Leider fällt niemandem dabei auf, daß dadurch immer weniger Menschen Geld in die Rentenkassen einzahlen.

    Wer also jahrelang mit dieser Kombination aus 450 EUR + ALG II lebt, kommt als Single einigermaßen über die Runden, sollte sich aber dann ab 65 freiwillig erschiessen lassen, weil man von 450 EUR Jobs nun mal keine Rentenansprüche bekommt.

    Und dann steht man ab 65 in der Sozialhilfe oder mit einer Minirente plus Sozialhilfe und dann wird es richtig hart: Denn in der Sozialhilfe wird Dir anders als im ALG II Bezug 2/3 aller zusätzlichen Einnahmen pauschal abgezogen. Wer also ab 65 nebenbei noch was zuverdienen will: Klappe halten und schwarz arbeiten. Sonst streicht Dir die Stadt Fulda Dein sauer verdientes hart erarbeitetes Zusatzeinkommen wieder weg.

    So sieht die Realität in Fulda und Deutschland aus!

    Und was die Reduktion der Zahlen angeht: hier geschieht seit Jahren nur ein Verschiebebahnhof zwischen Bundessozialkassen (ALG II) und kommunalen Sozialkassen (Sozialhilfe). Wer nämlich aufgrund von Erkrankungen dank des Kreis-Gesundheitsamtes als nicht arbeitsfähig eingestuft wird, wandert, wenn es keinen Einspruch der Rentenversicherungs- oder anderer Träger gibt, automatisch in die städtische Sozialhilfe mit evtl. ein wenig Erwerbsunfähigkeitsrente, die noch angerechnet wird.

    Der Vorteil für Herrn Woide und sein Kreisjobcenter: man bekommt schöne Zahlen, weil so viele Hartzis aus dem System fallen und er kann sich brüsten, was man alles für die armen Menschen tut. Dabei wird nur verschoben.

    Ich möchte nicht wissen, wieviele Menschen aufgrund unseres maroden kaputten, korrrupten "Gesundheitssytems" so schon jahrelang von einem System ins andere verschoben werden, ohne je eine Chance auf echte gesundheitliche Rehabilitation zu bekommen. Denn an einer echten Heilung vieler Krankheiten, die Menschen daran hindern, vollzeit zu arbeiten, hat unser korruptes Gesundheitssystem kein Interesse.

    Das kann in diesen Tagen übrigens JEDER feststellen, der über Tage mit schwerer Grippe im Bett liegt, darauf hofft, daß ihm der Hausarzt wieder auf die Beine hilft, jedoch von dort nur hört: haben Sie einen Termin?

    Privatpatienten oder Beamten kann sowas natürlich nicht passieren. Denn die zahlen bar!

  2. Fulda live
    Man kann auch aus Sch... Bonbons machen. Um der Arbeitslosenstatistik in Fulda Schwung zu verleihen ist einem jedes Mittel Recht. Da werden 400 € Kräfte zu Aufstockern und schon haben wir wie von Geisterhand wieder einen sozialversicherungspflichtigen Job geschaffen . Sie haben keine 36 Stunden Woche , aber sie haben Arbeit. Ich denke beschäftigen kann ich mich selber.
    Aber die Krönung des Ganzen ist dann noch über die anderen Städte lustig zu machen. Ich habe große Störgefühle wenn ich lese das man stolz darauf ist mit dem Mittel der Aufstocker der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Ich nenne sowas Wettbewerbsverzerrung. Eine Wirtschaft die es nicht fertig bringt ordentliche Löhne zu zahlen hat ihre Existenzberechtigung verloren. Nicht niedrige Löhne treiben den Kapitalismus sondern hohe . Aber das Leuten zu erzählen, die auch den Mindestlohn abgelehnt haben wie der Teufel das Weihwasser ist hier vergebene Liebesmüh

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