Der Pofalla-Trick. Nachgefragt bei Politikberater Dehler

Der einstige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (links), den es zur DB zieht und Politikberater Prof. Dr. Joseph Dehler, der die Berufung Pofallas zum Generalbevollmächtigen kritisiert.

Fulda/Berlin. fuldainfo bemüht sich, bei kritischen Themen stets am Ball zu bleiben. – Auch während der Fußball-WM, wenn hochbrisante politische Themen aus Leidenschaft zum Fußball häufig untergehen oder gar absichtlich in dieser Zeit entschieden werden, um sich der politischen Wachsamkeit der Wähler zu entziehen. So berichteten wir Anfang des Jahres umfangreich über den geplanten Wechsel des ehemaligen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla auf einen Vorstandsposten bei der Deutschen Bahn. Die Wellen schlugen ob dieser Personalie hoch. Auch der Politikberater Prof. Dr. Joseph Dehler äußerte sich damals gegenüber fuldainfo äußerst kritisch. Jetzt, nachdem Bahnchef Rüdiger Grube unter Umgehung des Aufsichtsrats einen Weg gefunden hat, Pofalla zur Bahn zu holen, haben wir bei Dehler noch einmal nachgefragt, wie er die Lage heute bewertet.

Zur Erinnerung: Pofalla war in den letzten Monaten vor der Bundestagswahl mehrfach unangenehm aufgefallen. So sagte er in der NSA-Affäre vor laufenden Kameras, dass die NSA in Deutschland bisher kein einziges Handy abgehört hätte. – In unserem Land gäbe es keine derartige “millionenfache Grundrechtsverletzung”, wie immer behauptet werde. Als dann bekannt wurde, dass das Handy der Kanzlerin abgehört wurde, war die Verwunderung über Pofalla groß. Eine besondere Vorliebe entwickelte Pofalla zu seinem Parteifreund Wolfgang Bosbach. Als dieser auf die grundgesetzlich garantierte Entscheidungsfreiheit von Abgeordneten hinwies, soll er gesagt haben: “Ich kann den Scheiß nicht mehr hören”. Höhepunkt seiner Entgleisungen war, als er Bosbach in der Angelegenheit “Europäischer Rettungsschirm” angriff. Da hatte er zu ihm gesagt: “Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen, du machst mit deiner Scheiße alle Leute verrückt.” Später soll er sich dafür entschuldigt haben.

Das Interview mit Dehler wurde telefonisch aufgezeichnet und wird hier ungekürzt wiedergegeben.

fuldainfo

Herr Prof. Dr. Dehler, Bahnchef Rüdiger Grube hat nun offensichtlich doch noch einen Weg gefunden, den ehemaligen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla, der infolge der letzten Bundestagswahl sein Amt verloren hat, zur DB zu bringen. Was genau war und ist nun für die Zukunft geplant?

Dehler

Grube wollte ursprünglich den Vorstand der Bahn um einen neuen Vorstandsposten für Lobbyarbeit erweitern und diesen mit Pofalla besetzen. Der Aufsichtsrat sollte diesen Plan absegnen. Gegen dieses Unterfangen machten die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat jedoch von Anfang an Front und deutlich, dass sie einen derartigen Beschluss nicht mittragen würden. Ein solcher Vorstandsposten sei überflüssig, da die Arbeit im bestehenden Vorstand funktioniere. Das aber hinderte Grube nicht daran, Pofalla jetzt doch noch mit umfangreichen Aufgaben zur Deutschen Bahn zu holen. Ab Januar 2015 wird er „Generalbevollmächtigter“ der DB, was immer dieser schwulstige Funktionsbegriff genau bedeuten soll. Und für eine solche Bestellung ist ausschließlich der Vorstand, nicht aber der Aufsichtsrat zuständig.

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Ein Trick aus der Mottenkiste?

Dehler

So sehe ich das. Denn von den 22 Konzernbereichen, für die Grube bisher alleine zuständig ist, sollen nun zwölf an Pofalla gehen. Damit wird Pofalla de facto der zweite Mann im Konzern. Das ist aus meiner Sicht mehr als skandalös, weil durch die Umgehung des Aufsichtsrates einerseits unternehmensdemokratische Entscheidungen des Staatskonzerns ausgehöhlt werden und andererseits gewissermaßen künftige personelle Entscheidungen im Aufsichtsrat vorweggenommen werden. Denn 2017 läuft der Vertrag des Vorstandsmitglieds Gerd Becht aus. Dieser vertritt bei der Bahn die Bereiche Compliance, Datenschutz, Recht und Konzernsicherheit. Dessen Vorstandsposten soll dann Pofalla übernehmen. An einem wie Pofalla, wenn er erst einmal im Sessel sitzt, würde diese Berufung ganz sicher nicht vorbeigehen. Das kann sich jeder leicht ausmalen.

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Sie waren unter anderem als Zentralabteilungsleiter in einem Ministerium jahrelang für Personalpolitik verantwortlich und mussten sich dort wohl auch mit Personalhygiene beschäftigen. Wir fragen uns, und deshalb Sie: Was bedeutet eigentlich die Entscheidung des DB-Vorstandes für das derzeitige Vorstandsmitglied Becht?

Dehler

Von ihm hört man, dass er eine hervorragende Arbeit leistet. Und niemals infrage gestellt wurde. Deshalb muss er sich nun „wie lebendig begraben“ fühlen. Die Entscheidung ist deshalb auch personalhygienisch, sprich menschlich gesehen eine Katastrophe. Ich möchte nicht in Bechts Haut stecken. So kann man einen erfolgreichen Menschen von einer Minute zur anderen in Nichts befördern, gar krank machen. Auch klimatisch ist dies unmöglich. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen jetzt noch zwei Jahre mit ihrem Nachfolger an einem Tisch. Mehr muss ich dazu wohl nicht sagen.

fuldainfo

Wer trägt für einen solchen Zustand die Verantwortung?

Dehler

Zu allererst diejenigen, die Grube Pofalla aufs Auge gedrückt haben. Pofalla ebenso, der dieses Ziel ohne Rückschicht auf Verluste verfolgte. Jedoch auch Grube in höchstem Maße selbst, weil er sich auf diesen Geschäft eingelassen hat. Das zeigt letztlich, für mich erstmals, wie schwach er ist. Ab heute ist er für mich deshalb kein Vorstand eines bedeutenden „Wirtschaftsunternehmens“ mehr. Er verdient das Geld nicht oder nicht mehr, was er für seine Arbeit bekommt, und womit man dies ja immer begründet hat.

fuldainfo

Wie hat der Aufsichtsrat auf die Entscheidung des Vorstands reagiert?

Dehler

Der Aufsichtsrat der DB hat die Entscheidung des Vorstands lediglich „zur Kenntnis genommen“, und damit ohne große Worte zum Ausdruck gebracht, was er davon hält. Nämlich nichts.

fuldainfo

Immerhin. – Im Gegensatz zu den weiterhin fehlenden Übergangsfristen beim Wechsel von Politikern in die Wirtschaft hat sich die Bahn schon einmal vorausschauend für eine Karenzzeit von zwölf Monaten entschieden.

Dehler

Das ist richtig. Dies hat aber aus meiner Sicht mehr mit der Flucht vor der politischen und öffentlichen Kritik an Grubes eigentlichen Plänen als mit Überzeugung in der Sache zu tun. Denn Pofalla wäre, wenn es Grube nachgegangen wäre, ja längst in einen erweiterten Vorstand berufen worden. Es klingt natürlich insofern gut, als die Große Koalition das Thema Karenzzeit auszusitzen scheint. Jedenfalls bis heute. Es werden alle möglichen Gründe gegen eine klare Reglung ins Feld geführt, um keine eindeutige Entscheidung treffen zu müssen. So meinen insbesondere CDU und CSU, es reiche ein einfacher Kabinettsbeschluss aus, um das Problem zu lösen. Die Minister sollten sich selbst verpflichten, nicht vorschnell in die Wirtschaft zu wechseln. Um die Pofalla-Personalie locker über die Bühne gehen zu lassen, werden alle Register gezogen: So sagte MdB Hans-Peter Uhl von der CSU im Bundestag, der Wechsel von Pofalla zur Bahn sei eigentlich gar kein Wechsel. Denn er wechsle ja nicht in die freie Wirtschaft, sondern „vom Bund zum Bund“. Bei der Bahn würde er doch nur einen „Dienst an der Allgemeinheit“ leisten. – Jeder malt sich eben sein eigenes Bild, um das Thema schön zu reden. Da fragt sich aber jeder vernünftige Mensch, wenn das so wäre, wie Uhl meint, wieso dann eigentlich Bahnvorstände das zigfache eines Kanzlerinnen- Gehaltes erhalten.

fuldainfo

Weshalb sind eigentlich Vorstandsposten in Staatsunternehmen wie bei der Bahn bei Politikern so beliebt? Und ein Karenzzeitgesetz so schwer durchsetzbar?

Dehler

Vorstandsposten bei Staatsunternehmen sind aus meiner Sicht nicht mehr und nicht weniger als eine Manövriermasse, um unbeliebte, nicht mehr wieder gewählte oder auch verdiente Politiker, meist solche, die nicht gerne von der Macht lassen können, mit finanziell lukrativen Jobs wegzuloben bzw. aus Dankbarkeit auszustatten. Je weniger Regeln es gibt, umso einfacher ist es, mit Personalien dieser Art je nach politischer Beliebigkeit zu hantieren.

fuldainfo

Letzte Frage. – Welche Bedeutung hätte für Sie ein Karenzzeit-Gesetz?

Dehler

Ein Karenzzeitgesetz ist im Hinblick auf die politische Glaubwürdigkeit und den politischen Anstand dringend erforderlich. Vor allem muss verhindert werden, dass die Pöstchen-Reiterei bereits im politischen Amt, zielgerichtet geplant, ihren freien Lauf nimmt. Und auf diese Weise klammheimlich Vorteile für Unternehmen, z. B. die Förderpolitik betreffend, entstehen. Ansonsten steht für mich im Vordergrund jeglicher Personalentscheidung, welche Qualifikation ein Politiker für eine Spitzenposition in einem Staatsunternehmen mitbringt. Eine solche zur Wahrnehmung einer Spitzenposition bei der Deutschen Bahn bezogene Qualifikation bleibt mir bei Pofalla aufgrund seines veröffentlichten Lebenslaufes gänzlich verschlossen. Es sei denn, er könnte die von ihm über Jahre hinaus angelegten Beziehungen und Lobbyisten-Kontakte in die Waagschale werfen. Oder gar, dass er ja schon einmal freiwillig mit der Bahn gefahren sei, obwohl er dies aufgrund seines ihm zur Verfügung stehenden, überdimensionierten Dienstwagens zur keiner Zeit gemusst hätte. +++ fuldainfo

Po(po)falla auf der Bahn  – Politikberater Dehler zum Fall Pofalla: “Die Scheinheiligkeit treibt Blüten“

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