De Maizière: Türkei soll Vorwürfe zum Referendum rasch aufklären

Union will nach Türkei-Referendum strengere Regelung für Doppelpass

Bundestag

Berlin. Die Bundesregierung hat die Türkei zu einer schnellen Klärung der Vorwürfe zum Verfassungsreferendum aufgerufen: „Jetzt muss rasch Klärung darüber hergestellt werden, ob die Abstimmung fair und sauber abgelaufen ist, soweit man unter den derzeitigen Umständen in der Türkei überhaupt davon sprechen kann“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) der „Rheinischen Post“. Der CDU-Politiker sprach die Hoffnung aus, dass die türkische Regierung „vernünftig mit dem Ergebnis des Referendums umgeht und nicht weiter eskaliert“. Folgen sieht der Innenminister auch aus den hohen Zustimmungswerten in deutschen Wahllokalen. „Ich erwarte, dass sich gerade die Türken und die Deutsch-Türken in Deutschland an einer Debatte zu einer konstruktiven gemeinsamen Zukunft beteiligen“, erklärte de Maizière. Ein „weiteres Auseinanderdriften unserer Kulturkreise“ könne und dürfe es jedenfalls nicht geben.

Grüne wollen Debatte über Wahlverhalten von Deutsch-Türken bei Referendum

Die Grünen haben eine Auseinandersetzung über die Hintergründe des Wahlverhaltens von Deutsch-Türken beim Referendum in der Türkei gefordert. „In Deutschland brauchen wir jetzt eine Debatte darüber, warum ein Teil der Deutsch-Türken, die hier Demokratie und Rechtsstaatlichkeit genießen, diese in der Türkei abgewählt haben“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir der „Rheinischen Post“. Er sprach sich für eine „klare Ansage“ aus, wonach in Deutschland nur glücklich werde, wer mit beiden Füßen auf dem Boden des Grundgesetzes stehe und „nicht nur auf Zehenspitzen“. Das Ergebnis bescheinige zudem Versäumnisse in der Integrationspolitik der letzten Jahrzehnte. „Wir Grüne werden Integration in der nächsten Regierung zur Chefsache machen“, erklärte Özdemir.

Union will nach Türkei-Referendum strengere Regelung für Doppelpass

Nach der Abstimmung über die türkische Verfassungsreform hat die Union ihre Forderung nach einer strengeren Regelung beim Doppelpass bekräftigt. Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer, sagte der „Welt“: „Ich halte es für wichtig, dass wir in der nächsten Legislaturperiode die Erleichterungen bei der doppelten Staatsbürgerschaft wieder rückgängig machen“. Der CSU-Politiker forderte, dass nach dem sogenannten Generationenschnittmodell zumindest den Kindern eines Doppelstaatlers die Staatsbürgerschaft auch wieder entzogen werden könne, „wenn diese nicht in Deutschland leben und offenkundig auch keinen Bezug mehr zu Deutschland haben“. Dieser Vorschlag solle in das gemeinsame Wahlprogramm von CDU und CSU aufgenommen werden. Der Innenpolitik-Experte warnte mit Blick auf das Ergebnis des Referendums, dass der „Weg der Türkei weg von demokratischen und rechtsstaatlichen hin zu deutlich stärkeren autokratischen Strukturen vorgezeichnet“ sei. Mayer hofft, dass Erdogan von dieser „fast unbeschränkten Machtfülle in maßvoller und moderater Weise Gebrauch macht“.

Wahlbeobachter berichtet von „Atmosphäre massiver Bedrohung“

Das türkische Verfassungsreferendum hat nach Einschätzung des offiziellen deutschen Wahlbeobachters Andrej Hunko in den Kurdengebieten in einer „Atmosphäre massiver Bedrohung“ stattgefunden. „Ein schwer bewaffnetes Polizeiaufgebot mit Gewehren, Maschinenpistolen und einem gepanzerten Wagen mit laufendem Motor“ habe den Weg zu einem Wahllokal versperrt, sagte der Linken-Bundestagsabgeordnete der „Rheinischen Post“. Zwar seien in den Wahlvorständen sowohl Regierungs- als auch Oppositionsseite vertreten gewesen. „Allerdings wurde uns auch berichtet, dass in den Tagen zuvor massiv potenzielle Erdogan-Gegner in Gewahrsam genommen worden waren und sie dadurch nicht an der Abstimmung teilnehmen konnten“, erläuterte Hunko. Die „Turnhallen“ seien „voll von ihnen gewesen“. Angesichts der „massiven Einschränkungen“ des Nein-Lagers und den Bedingungen des Ausnahmezustandes könne „weder von freien noch von fairen Wahlen gesprochen werden“, lautete die Gesamtbilanz des Abgeordneten, der für den Europarat als Wahlbeobachter in Diyarbakir und Mardin in der Südosttürkei das Referendum verfolgte. +++