Dauerausstellung „Everyday Life“ im US-Camp von Point Alpha eröffnet

Wenn aus Feinden Freunde werden

Rasdorf/ Geisa. „Everyday Life“ – das alltägliche Zusammenleben von deutscher Zivilbevölkerung und amerikanischen Soldaten über Jahrzehnte hinweg, dokumentiert die neue Dauerausstellung im Observation Post der Gedenkstätte Point Alpha. Am Donnerstag besuchte Staatsministerin Professorin Monika Grütters, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, die neue Ausstellung im ehemaligen Observation Post Alpha, dem heutigen Point Alpha.

Gemeinsam mit dem Stiftungsratsvorsitzenden der Point Alpha Stiftung, Dr. Heiko Wingenfeld, der Direktorin der Point Alpha Stiftung, Ricarda Steinbach und Brigadegeneral Phillip S. Jolly, dem stellvertretenden kommandierenden General der US Army Europe, Abteilung Mobilmachung & Reserve, sowie den Zeitzeugen Dr. Wolfgang Hamberger, Renate Stieber und Milton Gilbert hat sich die Staatsministerin ein Bild vom Baufortschritt der neuen Ausstellung gemacht, welche unter anderem mit Bundesmitteln für Kultur und Medien gefördert wurde. Diese Dauerausstellung ist eine unglaubliche Zeitzeugendokumentation zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen der Region. „Point Alpha ist ein facettenreicher Lernort, der Einblicke in ganz verschiedene Themenfelder gibt“, so Direktorin Steinbach. „Die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind dabei ein zentrales Thema unserer Gedenkstätte. Bisher standen vor allem die militärischen Szenarien im Mittelpunkt der musealen Darstellung.“

Mit der neuen Ausstellung werde diese Thematik um das breite Feld der zivil- militärischen-Beziehungen ergänzt, die laut Steinbach für das deutsch-amerikanische Verhältnis insgesamt eine zentrale Rolle spielten. Für manche älteren Mitbürger sind die ersten Eindrücke, die sie von den amerikanischen Truppen im Frühjahr 1945 bei ihrem Einmarsch in die Region um Fulda gewonnen haben, noch präsent: Endlose Kolonnen schwerer Panzer und LKWs, die sich mit lautem Getöse über schmale Landstraßen und durch malerische Fachwerkdörfer wanden. Außerdem Soldaten, die trotz Verbots Schokolade und Obst aus ihren Marschverpflegungen an Kinder verteilten und so überhaupt nicht dem Bild der nationalsozialistischen Propaganda entsprachen. Für die nachgeborenen Generationen waren es ähnliche Impressionen amerikanischer Militärpräsenz, die sich im Gedächtnis eingeprägt haben, jedoch unter gänzlich anderen Voraussetzungen. Auf die Schokolade der US-Soldaten war man aus Not nicht mehr angewiesen, die Feldrationen der Amerikaner waren bei Kindern vielmehr begehrte Tauschware. Von allgemeinem Interesse waren dagegen amerikanische Kleidung, Musik und Filme aus Hollywood. Schnell wurden nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Besatzungstruppen Kulturbotschafter. Die sukzessive gesteigerte Truppenzahl, die zu den Hochzeiten des Kalten Krieges um die 300.000 Männer und Frauen umfasste, begünstigte Kontakte zwischen Amerikanern und Deutschen quer durch alle Gesellschaftsschichten. Die amerikanischen Soldaten des 14. (1948-1972) und des 11. (1972-1993) gepanzerten Kavallerieregiments waren als „Augen und Ohren“ des fünften US Korps zwischen Bad Kissingen, Fulda und Bad Hersfeld stationiert.

Das sogenannte „Fulda Gap“ bot günstige Möglichkeiten für einen Vorstoß der Truppen des Warschauer Paktes in das Rhein-Main-Gebiet. Für die Region bedeutete die Präsenz der Amerikaner nicht nur einen besonderen Schutz, sondern brachte auch neue kulturelle Einflüsse in die traditionsgeprägten Städte und Dörfer. Den „American way of life“ lebte man nun auch in der Rhön. Die Amerikaner wurden zur festen Instanz im öffentlichen Leben. Ob in der „Fölsch Foaset“, in Sportvereinen oder Freundschaftclubs, die transatlantische Brücke war niemals nur eine politische Partnerschaft, sondern vor allem eine durch die Menschen beider Länder getragene Freundschaft. Nicht wenige Amerikaner fanden darüber hinaus ihr persönliches Glück in der Bundesrepublik oder nahmen ihre deutschen Ehefrauen nach ihrer Dienstzeit mit in die USA zurück. Wie jedes menschliche Zusammenleben, brachten auch die Kontakte zwischen Amerikanern und Deutschen Probleme mit sich. Rassismus gegen farbige GI’s, Gewalt sowie Alkohol- und Drogenprobleme befeuerten antiamerikanische Töne. Darüber hinaus wirkten sich auch politische Entwicklungen auf die deutsch-amerikanische Freundschaft aus. Ob die Proteste gegen den Vietnamkrieg und die 68er-Bewegung, die Demonstrationen gegen den NATO-Doppelbeschluss oder der Terror der RAF: Die Sicherheitsauflagen der US-Armee wurden im Verlauf der Jahrzehnte immer wieder verschärft und gelockert, die Amerikaner blieben jedoch Teil des öffentlichen Lebens bis zu ihrem Abzug.

Aus der Region um Rasdorf verschwanden die GI’s unmittelbar nach dem Ende des Grenzregimes der DDR. Am 31. März 1990 wurde die letzte Grenzpatrouille „last border patrol“ am Observation Post Alpha durchgeführt. Die militärische Notwendigkeit, den Außenposten der Garnison in Fulda, wo die letzten US-Soldaten 1993 abzogen, zu erhalten, war verschwunden. Schmerzlich war der Abzug nicht nur wegen der freundschaftlichen Beziehungen, die über die Jahrzehnte entstanden waren, sondern ebenso, weil die US-Armee ein beliebter Arbeitgeber war und durch den Abzug der Soldaten eine beachtliche Kaufkraft verschwunden war. Mit der neuen Dauerausstellung wird an das „Everyday Life“ von Deutschen und Amerikanern in den Jahrzehnten des Kalten Krieges erinnert. Ähnlich wie in der Ausstellung im Haus auf der Grenze, wird auch die neue Dauerausstellung den Besucherinnen und Besuchern sehr viele multimediale Präsentationen und Zeitzeugeninterviews anbieten. Die Eröffnung der Ausstellung wird am Sonntag, den 17.09.2017, um 15:00 Uhr, im Zuge eines Festaktes erfolgen. Dieses Ereignis für die Öffentlichkeit begleitet der hessische Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz. Das Land Hessen hat die Dauerausstellung finanziell ebenso maßgeblich gefördert. Der Eintritt im US-Camp ist zur Eröffnung der neuen Ausstellung frei, es werden Führungen angeboten und für das leibliche Wohl wird gesorgt. +++