Datenschutzbeauftragter lehnt allgemeine Bürgernummer ab

Aus der Summe der Daten ergibt sich das Problem eines Überwachungsgefühls

Horst Seehofer (CSU)
Horst Seehofer (CSU)

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hat das Vorhaben von Innenminister Horst Seehofer (CSU), eine allgemeine Bürgernummer einzuführen, als verfassungswidrig abgelehnt. Der Gesetzentwurf zur Modernisierung staatlicher Datenbanken habe „ein wesentliches Problem, das den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts widerspricht“, sagte Kelber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Die elfstellige Steuer-Identifikationsnummer soll zu einer einheitlichen Personenkennziffer für alle möglichen Ämter erweitert werden. Dazu darf es nicht kommen.“

Mit einer allgemeinen Bürgernummer werde der Staat in die Lage versetzt, „personenbezogene Daten sehr schnell zu verknüpfen und zu einem umfassenden Persönlichkeitsprofil zu vervollständigen“, kritisierte Kelber. Bei der Bewertung dieses Bildes durch Behörden komme es auch zu Fehleinschätzungen und Missbrauch. „Als die Steuer-Identifikationsnummer vor 13 Jahren eingeführt wurde, hat die Bundesregierung zugesagt, dass sie ausschließlich für den steuerlichen Bereich und für keinen weiteren verwendet wird. Daran sollte sich der Innenminister erinnern“, forderte der Datenschutzbeauftragte. Er bezweifle, dass der Gesetzentwurf des Innenministers in dieser Form verfassungsgemäß ist. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts dürfe der Staat nicht einmal den Eindruck erwecken, dass er alle Handlungen seiner Bürger katalogisieren könne. „Aus der Summe der Daten ergibt sich das Problem eines Überwachungsgefühls“, stellte der SPD-Politiker fest. Kelber rief die Bundesregierung dazu auf, sich bei der Modernisierung der Datenbanken an Österreich zu orientieren. Dort seien nicht alle Register mit einer einheitlichen Personenkennziffer verbunden. „Ein Abgleich der Daten erfolgt nur auf ausdrücklichen Wunsch der Bürger oder wenn es einen Rechtsgrund gibt“, sagte er. Eine Vertrauensstelle im Hintergrund kontrolliere, was mit den Daten passiert. „Und die Bürger können über ein Datencockpit sehen, welche Behörde welche Daten zur Verfügung hat.“ Diese Lösung solle auch in Deutschland umgesetzt werden.

Umgang mit Corona-Daten in Gastro bemängelt 

Ulrich Kelber hat zudem den Umgang mit Corona-Kontaktdaten in der Gastronomie scharf kritisiert. „In einigen Restaurants und Cafés werden die einfachsten Regeln für eine datenschutzkonforme Erhebung von Kontaktdaten missachtet“, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe weiter. Es gebe offene Listen an den Eingängen, alle Beschäftigten des Betriebes könnten Einblick nehmen, die Daten der Gäste würden viel zu lange aufbewahrt und es fehlten technische Sicherungsmaßnahmen. „Wer möchte, dass die Leute in diese Listen nicht Micky Maus reinschreiben und als Telefonnummer 123456, der sollte die Datenerhebung auf ihre Kernfunktion – den Infektionsschutz – zurückführen.“ Zum Beispiel könne man Umschläge auf die Tische legen, die sofort verschlossen werden. „Und nach 14 Tagen werden die Daten gelöscht, indem die verschlossenen Umschläge in den Reißwolf kommen.“ Der Datenschutzbeauftragte riet Bürgern in  direkt dazu, Restaurants zu meiden, die unsachgemäß mit Corona-Kontaktdaten umgehen. „Ich halte mich persönlich an Gesetze und trage keine falschen Daten ein. Aber ich habe Gastronomen auch schon gesagt: Wenn die Daten in einer Form erhoben werden, die nicht legitim ist, kann man mit mir als Gast nicht rechnen“, so Kelber. Er kritisierte auch, dass Corona-Kontaktdaten in einigen Bundesländern zur Strafverfolgung benutzt werden. „Es hätte den Sicherheitsbehörden gut angestanden, den Zugriff auf Kontaktdaten – wenn überhaupt – auf wenige, besonders eklatante Fälle zu beschränken“, sagte er. „Wer diese Daten auch bei Fahrerflucht nach einem Blechschaden benutzt, zerstört Vertrauen.“ Der Staat könne nicht versprechen, dass diese Daten zum Infektionsschutz verwendet würden, wenn anschließend die Polizei im großen Stil darauf zurückgreife. Grundsätzlich zufrieden zeigte sich der Datenschutzbeauftragte mit der Corona-Warn-App. „Es hat inzwischen knapp 18 Millionen Downloads gegeben – und 80 Prozent davon sind aktiv“, sagte er. „Damit sind in Deutschland mehr Corona-Warn-Apps am Netz als in allen anderen EU-Staaten zusammen.“ Das zeige schon, dass der deutsche Weg ein vergleichsweise erfolgreicher sei. Zugleich stellte Kelber eine rasche europäische Vernetzung in Aussicht. „Eine einheitliche Corona-App für die Europäische Union halte ich für unwahrscheinlich“, sagte er. Aber ein verlässlicher, unbedenklicher Datenaustausch zwischen verschiedenen Apps sei möglich, etwa für Pendler und Reisende. „Ich denke, das kommt noch in diesem Jahr.“ +++