Dämpfer für Kühnert bei SPD-Stellvertreterwahl

JU-Chef Kuban sieht Kühnerts Wahl auch positiv

Bei den Wahlen zum stellvertretenden SPD-Parteivorsitz hat die Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein, Serpil Midyatli, das beste Ergebnis der fünf Kandidaten bekommen. Midyatli kam auf eine Zustimmung von 79,8 Prozent. Klara Geywitz, die im Rennen um den Parteivorsitz in der Mitgliederentscheid-Stichwahl zusammen mit Olaf Scholz unterlegen war, bekam das zweitbeste Ergebnis mit einer Zustimmungsrate von 76,8 Prozent.

Anke Rehlinger wählten 74,8 Prozent der Delegierten, der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert landete mit 70,4 Prozent nur knapp vor Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, der 70,0 Prozent bekam. Weil ursprünglich nur drei Stellvertreterposten vorgesehen waren, war über eine Kampfabstimmung zwischen Kühnert und Heil spekuliert worden. Um das zu verhindern, wurde die Zahl der Posten vom Parteitag aufgestockt, nun sind alle fünf stellvertretende Parteivorsitzende. Bei den Vorstellungsreden im Saal hatte sich noch ein anderes Bild ergeben. Kühnert schien mit einer kämpferischen Rede den Saal am stärksten für sich eingenommen zu haben. Als einziger Bewerber für den Stellvertreterposten bekam Kühnert im Anschluss an seine Vorstellungsrede lang andauernde stehende Ovationen. Er sehe sich in einer „Mittlerrolle“, sagte Kühnert dabei. Mit 30 Jahren sei er „eigentlich gar nicht mehr Teil dieser jungen Generation“. Für seine scharfen Angriffe auf die Union bekam er viel Applaus unter den Delegierten. Schon vorab hatten viele Kommentatoren geurteilt, Kühnert sei nun der eigentliche Strippenzieher in der Partei.

JU-Chef Kuban sieht Kühnerts Wahl auch positiv

Die Wahl des Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert zum SPD-Vizechef stößt bei der Nachwuchsorganisation des Koalitionspartners Union auch auf positives Echo: „So jung in dieses Amt zu kommen, ist ein großer Erfolg und zeigt, dass es Zeit für junge Köpfe ist“, sagte der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Beiden Nachwuchsorganisationen gehe es darum, die jeweilige Partei zu erneuern. Allerdings müsse man abwarten, ob Kühnert nun Enteignungsvorschläge für große Firmen wie BMW zur SPD-Programmatik mache. Zurückhaltend reagierte Kuban auf die Frage, ob er nun ein Vize-Vorsitzenden-Amt bei der CDU beanspruchen werde. „Die Junge Union geht grundsätzlich ihren eigenen Weg und orientiert sich dabei sicher nicht an den Jusos“, sagte er dem RND. „Die Situation von Union und SPD ist auch nicht vergleichbar.“ Es gehe vor allem darum, dass die CDU eine Zukunftsagenda für das Land habe. „Dieses parteiinterne Postengeschacher nervt die Menschen doch nur noch.“ Insgesamt sehe er die neue SPD-Spitze skeptisch, so Kuban: „Wenn die SPD nicht lernt, gut über die Koalition zu sprechen, wird sie im politischen Niemandsland verschwinden“, sagte er dem RND. Die neuen Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans warnte er vor einem Kurswechsel der SPD: „Beide stehen für einen Linksruck der SPD. Aber auf einen Linksruck der Groko werden wir uns nicht einlassen“, so Kuban. „Da werden die beiden schnell merken, wer der größere Koalitionspartner ist.“

Klingbeil mit 79,9 Prozent als SPD-Generalsekretär wiedergewählt

Lars Klingbeil bleibt SPD-Generalsekretär. Auf dem Parteitag in Berlin bekam er am Freitagabend 79,9 Prozent Zustimmung. Einen Gegenkandidaten gab es wie üblich nicht. Damit steigerte Klingbeil sein Ergebnis der ersten Wahl im Jahr 2017 allerdings deutlich. Damals war er auf Vorschlag des damaligen SPD-Parteichefs Martin Schulz von 70,6 Prozent der Delegierten gewählt worden. Er habe damals nicht gewusst, was ihn erwarte, sagte Klingbeil am Freitag. So sei damals nicht einmal ein Eintritt in die Große Koalition absehbar gewesen.

SPD-Parteitag stimmt gegen GroKo-Aus

Der SPD-Parteitag hat sich gegen einen Ausstieg aus der Großen Koalition ausgesprochen. Bei nur einzelnen Gegenstimmen wurde der Leitantrag der Parteiführung beschlossen, der ebendieser die weitere Entscheidung überlässt. Wörtlich heißt es im Leitantrag: „Der Parteitag beauftragt die Vorsitzenden, gemeinsam mit unseren Vertretern im 17 Koalitionsausschuss (Fraktionsvorsitzender, Vizekanzler) auf Grundlage unserer Beschlüsse mit CDU/CSU Gespräche über die neuen Vorhaben zu den beschriebenen aktuellen Herausforderungen zu führen. Der Parteivorstand wird auf Grundlage der Gespräche bewerten, ob die drängenden Aufgaben in dieser Koalition zu bewältigen sind.“ Verschiedene Änderungsanträge der Parteilinken, die verbindlich Nachverhandlungen des Klimapakets, einen höheren Mindestlohn, Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen, Abkehr von der Schwarzen Null oder gar einen sofortigen Ausstieg aus der Großen Koalition forderten, wurden zuvor von den Delegierten abg  eschmettert. Am Nachmittag waren Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken wie erwartet zu neuen Parteivorsitzenden der SPD gewählt wurde. Dabei bekam Walter-Borjans mit einer Zustimmung von 89,2 Prozent ein im Vergleich der letzten Jahre überdurchschnittliches Ergebnis, Esken kam mit 75,9 Prozent aber auf die zweitschlechteste Zustimmungsrate bei einer SPD-Parteivorsitzendenwahl ohne Gegenkandidat seit 1946. Ohne direkten Konkurrenten hatte nur Sigmar Gabriel ein schlechteres Ergebnis – bei seiner dritten und letzten Wiederwahl im Jahr 2015 bekam er 74,3 Prozent. +++