Corona vorbei – und dann weiter so?

Veränderungen fangen im Kleinen, bei einem selbst an

Es wird immer mehr gelockert, ein Hauch von Normalität breitet sich aus. Wir können wieder shoppen gehen, einen Kaffee trinken, Gaststätten besuchen, die Bundesligen spielen wieder (wenn auch nur geisterhaft), ja sogar Urlaub ist wieder möglich, wenn auch eingeschränkt. Ja ist denn die Corona-Krise schon vorbei? Natürlich nicht. Die Corona-Pandemie ist noch existent, sie kann noch viele Wochen, ja Monate dauern. Eine Normalität zu erreichen, wie vor Corona, das kann möglicherweise noch viel länger dauern. Das entbindet allerdings niemanden, sich jetzt schon darüber Gedanken zu machen, wie das „Leben danach“ aussehen wird.  Es geht nicht allein darum, dass staatliche Hilfen gewährleistet werden, um die Folgen der Krise zu mindern. Nichts gegen die aktuellen Hilfspakete von Bund, Ländern und Kommunen. Es musste schnell gehandelt, verschiedene Interessen berücksichtigt und politische Kompromisse gefunden werden. Aber wie soll das Leben aussehen, wenn die Krise vorbei ist?

Die gesellschaftlichen Konsequenzen der Corona-Krise müssen jetzt diskutiert werden und aufzeigen, was sich ändern muss. Von Lobbyisten geprägte wirtschaftspolitische Debatten sind weder tiefgreifend noch substanziell und führen nur zu einem „Weiter so!“ ohne kritische Reflexion. Die aber ist notwendig, denn wenn nicht jetzt, wann dann, soll darüber nachgedacht werden? Ob das „immer weiter, immer schneller, immer höher“ weiterhin das Primat des Wirtschaftens und der Politik sein sollte? Ganz klar: so kann jedenfalls nicht weitergewirtschaftet werden, wollen wir unsere Lebensgrundlagen erhalten. Der Turbokapitalismus hat ausgedient, muss überwunden werden. Die aufkommende Kritik am Kapitalismus muss wieder gesellschaftsfähig werden. Es wird Zeit, dass Ökonomen, wie beispielsweise Thomas Piketty („Das Kapital in 21. Jahrhundert“), den neoliberalen Mainstream der Wirtschaftswissenschaften ablösen.

Jetzt muss unbedingt nachgeholt werden, was nach der Finanzkrise 2009 versäumt wurde (die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

Die Wirtschaft muss wieder dem Menschen dienen, nicht umgekehrt. Das Ziel der maximalen Rendite muss der Vergangenheit angehören. Wir brauchen eine neue, faire und nachhaltige Wirtschaftsordnung. Staatliche Hilfen an Betriebe müssen an Bedingungen gekoppelt werden. Unterstützung von Unternehmen, die trotz Krise weiterhin Rendite ausschütten und Boni zahlen, die ihre Gewinne in Steuerparadiese transferieren oder weiterhin zum Klimawandel beitragen, sind ein absolutes No-Go.

Apropos Steuern: Die Steuerpolitik ist das Instrument, das für mehr Gerechtigkeit sorgen kann. In den letzten Jahren hat es allerdings für mehr Ungerechtigkeit gesorgt. Deshalb gehört das gesamte Steuerkonzept auf den Prüfstand. Große Vermögen gehören ab einer bestimmten Größenordnung (1 Million Euro?) hoch besteuert, das gebietet schon allein der Solidaritätsgedanke. Ein weiterer Ansatz wäre, Einkünfte aus Kapitalvermögen genauso zu besteuern, wie die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Um nur mal zwei essenzielle Maßnahmen anzusprechen.

Der Sozialstaat muss restauriert werden. Viele Arbeitnehmer sind in Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit oder stehen kurz davor. In der Regel trifft es die, die ohnehin nicht zu den Gutverdienern gehören. Beifallklatschen für die „Helden der Krise“ in Krisenzeiten reicht nicht. Jetzt wird es Zeit, den Beifall in aktive Hilfe umzusetzen. Bessere Löhne und Gehälter für alle, die uns durch die Krise geführt haben und das immer noch tun. Die Politik ist jetzt gefordert, nachhaltig für verbesserte Einkommen dieser Berufe zu sorgen. Zum Beispiel mit allgemeinverbindlichen Tarifverträgen für alle Pflegeberufe, einen höheren Mindestlohn und verbesserte Arbeitsbedingungen. Hier herrscht dringender Handlungsbedarf! (Das gilt insbesondere für den osthessischen Raum!)

Die Gesundheitspolitik muss als Daseinsvorsorge betrachtet werden und nicht weiter ökonomischen (Rendite-)Zwängen unterworfen bleiben. Wir haben im Vergleich zu vielen anderen Staaten ein weitgehend funktionierendes Gesundheitswesen; Das darf nicht geopfert werden. Einer weiteren Privatisierung muss Einhalt geboten werden. Besser wäre es, die weit vorangeschrittene Privatisierung zurückzufahren. Die Diskussion über zu viele Krankenhäuser muss aufhören und die Produktion wichtiger medizinischer Güter und Forschung wichtiger Stoffe gehört wieder nach Deutschland.

Alle wirtschaftlichen Aktivitäten müssen den Fokus auf dem Klimawandel haben. Die staatlichen Hilfen dürfen nur an Unternehmen erfolgen, die nachhaltig produzieren oder ihre Produktion in diese Richtung umstellen wollen. Außerdem wäre jetzt der beste Zeitpunkt, um auch in der Verkehrspolitik endlich umzusteuern (Stichwort: Verkehrswende!) Kaum noch Flugverkehr, viel weniger Autos und immer mehr Fahrräder auf den Straßen. Die Auswirkungen dieser notgedrungenen Verkehrswende zeigen uns deutlich, wohin der Weg gehen muss. Sowohl die Bundes- und Landespolitik, aber auch die Kommunen müssen ihre Prioritäten auf den öffentlichen Personennahverkehr, die Bahn sowie auf den Fahrradverkehr setzen. (Ob das in Fulda ankommt? Zweifel dürften hier angebracht sein!)

Und zu guter Letzt muss in der Gesellschaft ein Umdenken erfolgen. Alle müssen sich Gedanken über ihr Konsumverhalten machen und sich die Frage stellen: Brauche ich wirklich ein T-Shirt für 2,50 Euro? Man muss nicht zum Veganer werden, nur um sich gesünder zu ernähren; Aber muss es denn unbedingt das unter unwürdigen Umständen erzeugte Billigfleisch aus dem Supermarkt sein? Ist es nicht sinnvoller, regionalen Anbau und regionale Produktion zu unterstützen? Wäre es nicht ehrlicher, das ökologische Bewusstsein auch bei der Ernährung zu berücksichtigen? Müssen wir jeden Weg mit dem Auto zurücklegen oder geht es auch einmal zu Fuß, mit dem Rad oder mittels Öffentlicher Personennahverkehr (Gut, bei den Themen Fahrrad und ÖPNV herrscht in Fulda noch enorm viel Nachholbedarf)?

Veränderungen fangen im Kleinen, bei einem selbst an. Tragen wir zur nachhaltigen Verbesserung unserer Lebensverhältnisse bei und fordern das auch von der Politik und Wirtschaft! +++ dieter