Chef der Gesundheitsweisen fürchtet Überversorgung

Nächster Arbeitsschwerpunkt soll die "Digitalisierung von Gesundheit" sein

Der Vorsitzende der sogenannten Gesundheitsweisen, Ferdinand Gerlach, warnt vor einer Überversorgung im deutschen Gesundheitssystem. „Wir müssen Patienten auch vor zu viel und falscher Medizin schützen“, sagte Gerlach der „Welt“. Gerade auch mit Blick auf die Digitalisierung im Gesundheitswesen müsse verhindert werden, „dass gutgläubige Patienten nur noch als Objekte für Umsatzgenerierung betrachtet werden“.

Die Gesundheitsweisen, die offiziell als Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen bezeichnet werden, sind das wichtigste Beratergremium des Gesundheitsministers. Gerlach, an der Universität Frankfurt am Main Professor für Allgemeinmedizin, verwies beim Thema Digitalisierung auf E-Commerce-Plattformunternehmen, die jetzt auch im Bereich Gesundheit aktiv werden wollten. Es sei denkbar, dass Kranke künftig, bevor sie zum Arzt gehen, zunächst Alexa oder Siri fragen und ein Algorithmus Therapieempfehlungen gibt. „Gut gemacht kann das durchaus sinnvoll sein“, sagte Gerlach. Kommerzielle Interessen dürften „aber nicht vor medizinischer Notwendigkeit stehen“. Gerade bei Patienten mit Mehrfacherkrankungen müsse künftig noch genauer hingeschaut werden, welche Therapien wirklich sinnvoll seien. „Weniger ist manchmal mehr“, so der Mediziner weiter.

„In unserem Gesundheitssystem mit seinen 79 verschiedenen Facharzt- und Schwerpunktbezeichnungen besteht durchaus die Gefahr, dass Patienten durch Übertherapie geschädigt werden“, sagte Gerlach der Zeitung. So sei etwa bei der Einnahme von mehr als fünf Medikamenten zumeist völlig unkalkulierbar, was im Körper mit den verschiedenen Wirkstoffen passiere. Gerlach ist seit 2012 Vorsitzender des Sachverständigenrats. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat das siebenköpfige Beratergremium gerade neu berufen. Am Mittwoch wurde Gerlach von den Mitgliedern für weitere zwei Jahre zum Vorsitzenden gewählt. Nächster Arbeitsschwerpunkt soll die „Digitalisierung von Gesundheit“ sein. +++