Berlin. Der Wirtschaftsflügel der Union zieht eine vernichtende Bilanz der Politik der großen Koalition. "Die historische Chance, unser Land auf allen Ebenen nachhaltig zu konsolidieren, wurde nicht ergriffen, sondern regelrecht verworfen", heißt es in einem Grundsatzpapier des CDU-Wirtschaftsrats, über das die "Welt" berichtet. In scharfen Worten kritisiert der parteinahe Verband darin den starken Zuwachs der Sozialausgaben in den vergangenen Jahren. Statt die sozialen Sicherungssysteme in der Zeit wachsender sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung auf längerfristig gesündere Beine zu stellen, "wurden die Schleusen zu erheblichen Mehrausgaben geöffnet".
Der Reigen der zusätzlichen Begünstigungen beginne bei höheren Ärztehonoraren und ende bei Steigerungen der Rentenausgaben, moniert der Wirtschaftsrat und fordert, umgehend eine rentenpolitische Kehrtwende einzuleiten: "Die `Rente mit 70` wird kommen müssen." Dass die große Koalition jetzt stattdessen neue soziale Vorhaben wie ein höheres Rentenniveau oder eine Lebensleistungsrente für Geringverdiener in Aussicht stellt, hält der Verband für absurd: "Von einer sozialen Notsituation, in der sich unser Land befinden soll, kann nicht die Rede sein", heißt es laut "Welt" in dem Papier. "Deutschland steht angesichts der großen nationalen und internationalen Herausforderungen an einem Scheideweg", sagte der Präsident des Wirtschaftsrats, Werner M. Bahlsen, geschäftsführender Gesellschafter des Familienunternehmens Bahlsen. "Wenn wir den Anschluss im internationalen Wettbewerb nicht verlieren wollen, muss in der Wirtschaftspolitik umgesteuert werden."
Vor allem auch mit der Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik der Bundesregierung hadert der Verband. Deutschland brauche ein Einwanderungsrecht, das für qualifizierte Zuwanderer anziehend wirke, mahnt der Wirtschaftsrat in seinem Papier. Die aktuelle Zuwanderung durch Flüchtlinge helfe wenig, die Folgen des demografischen Wandels zu bewältigen. Aufgrund deren oft niedrigen Bildungsniveaus bestehe vielmehr die Gefahr, dass sie "dauerhaft durch die sozialen Sicherungssysteme finanziert werden müssen". Die Flüchtlingskrise habe zudem die Chancen für ein Einwanderungsgesetz verringert. "Durch die hohen Zahlen der letzten Monate ist die Debatte um ein attraktives Einwanderungsrecht komplett verdrängt worden", beklagen die Wirtschaftspolitiker. Da mittlerweile die Mehrheit der Bürger Zweifel an der Bewältigung der Flüchtlingskrise habe, sei für ein modernes Einwanderungsrecht kaum mehr Akzeptanz zu finden. +++ fuldainfo

Hoffentlich werden die CDU-Wirtschaftslobbyisten von ihren Auftraggebern gut bezahlt, zumindest mit Großspenden an die Partei oder mit der Aussicht auf einen gut dotierten Posten in der Wirtschaft. Jede Arbeit ist schließlich ihres Lohnes wert. Das Sozialausgaben ein rotes Tuch für die Unternehmen sind, ist klar. Man fragt sich aber, was denn die Unternehmen mit ihren ständig steigenden Gewinnen anfangen? Die offizielle Antwort lautet: Nur so können die Investitionen gesichert werden. Das ist - wenn man die offiziellen Zahlen betrachtet - offenbar nur ein Teil der Wahrheit. Derzeit wird gerade so viel investiert, wie in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, also viel zu wenig. Hinzu kommen fehlende Innovationen, was darauf hindeutet, dass es gerade die Unternehmen sind, die sich auf ihren Lorbeeren ausruhen, und nicht der Staat. Die Politik ist aber offenbar zu dumm, um den Unternehmerverbänden hier mal den Marsch zu blasen. Stattdessen sieht sie zu, wie die Milliarden Euro immer weiter in Steueroasen ins Ausland gelenkt werden, statt im Inland investiert zu werden.