Bundestagspräsident bringt Minderheitsregierung ins Spiel

Ausschreitungen in Sachsen nicht wegen deutscher Teilung

Wolfgang Schäuble (CDU)
Wolfgang Schäuble (CDU)

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) bringt eine Minderheitsregierung ins Spiel. „Ich habe gelegentlich darauf hingewiesen, dass unser Grundgesetz aus den Weimarer Erfahrungen heraus die Position des Bundeskanzlers, ist er einmal gewählt, bewusst sehr stark macht“, sagte Schäuble der „Welt am Sonntag“. „Auch sollten wir die Erfahrungen anderer europäischer Nachbarn nicht geringschätzen, die stabile Regierungen haben, obwohl sie Minderheitsregierungen sind“, sagte Schäuble. Die Deutschen sollten sich mit einer stabilen Kanzlerschaft nicht allzu sehr davor scheuen, „in einer besonderen Lage immer wieder neu Mehrheiten zu verschaffen – ohnehin, weil sich die Bundesregierung Mehrheiten im Bundesrat besorgen muss, der parteipolitisch anders zusammengesetzt ist“, so Schäuble in der Zeitung. Die heutige Art der Koalitionsschlüsse kritisiere er. Der „Man kann mittlerweile den Eindruck gewinnen, man wolle die Entscheidungen einer Legislaturperiode vor ihrem eigentlichen Beginn festlegen. Als ob das Parlamentarismus wäre und der Tatsache gerecht würde, dass wir nicht wissen, was in vier Jahren alles geschehen kann.“

Massenabschiebungen nicht möglich

Schäuble (CDU) hält Massenabschiebungen für nicht möglich und hat sich dafür ausgesprochen, die Integrationsanstrengungen zu verstärken. Der „Welt am Sonntag“ sagte Schäuble weiter: „Wir sollten uns klar machen, wie schwer es ist, im Einzelfall abzuschieben. Deswegen sollten wir auch nicht allzu stark die Hoffnung schüren, dass wir die Großzahl dieser Menschen zurückführen können. Eher sollten wir alle Kraft dafür aufbringen, sie in unsere Gesellschaft zu integrieren.“ Diejenigen, „die nun einmal hier sind“, sollten mit allen Mitteln bestmöglich integriert werden, so Schäuble.

Ausschreitungen in Sachsen nicht wegen deutscher Teilung

Mit Blick auf die rechtsextremen Vorfälle in Chemnitz und Köthen hat sich Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) dagegen verwahrt, den Radikalismus auf die Prägungen der ehemaligen DDR-Bevölkerung zurückzuführen. Der Zeitung sagte Schäuble: „Ich akzeptiere nicht, dass daraus ein Ost-West-Problem gemacht wird. Ein erheblicher Teil der Drahtzieher dieses Gedankenguts kommt aus dem Westen.“ Schäuble verwies auf ähnliche Vorfälle in der Pfalz. „Die Einwohner von Kandel erleben in letzter Zeit ständig Demonstrationen von rechtsgerichteten Personen – oft gegen den Willen der Kandeler. Kein Mensch kommt auf die Idee zu fragen: Was hat die Pfalz falsch gemacht, dass es zu derartigen Kundgebungen kommt? Ich sehe keinen Unterschied zwischen Kandel und Köthen.“ Schäuble plädiert dafür, nicht nur mit den Bürgern der ehemaligen DDR, sondern auch mit allen Osteuropäern sensibler umzugehen. „Vielleicht haben wir die Schwierigkeiten der wirtschaftlichen, politischen und psychologischen Transformation insgesamt unterschätzt.“ Die Probleme aber hätten alle Staaten des ehemaligen Ostblocks gehabt. „Und auch mit diesen sollten wir feinfühliger umgehen. Wenn wir allein unsere Vorstellungen für allgemeingültig erklären, dann besteht die Gefahr, dass wir eine der größten Errungenschaften nach 1989 rückgängig machen: die Überwindung der Ost-West-Teilung“, sagte Schäuble. +++