Bundespräsident mahnt Bürger zu Kontaktreduzierung

Lehrergewerkschaften beklagen bundesweit fehlende Luftfilter

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Bürger dazu aufgerufen, einen Lockdown durch freiwillige Kontaktbeschränkungen zu verhindern. „Wichtig ist, dass wir jetzt alle gemeinsam handeln“, schreibt Steinmeier in einem Gastbeitrag für die „Bild am Sonntag“. „Halten wir uns an die Regeln, reduzieren wir noch einmal unsere Kontakte. Tun wir es, damit Schulen und Kitas nicht wieder schließen, damit wir das öffentliche Leben nicht wieder vollständig herunterfahren müssen.“ Steinmeier appellierte außerdem an die Menschen, sich impfen zu lassen: „Wir könnten doch so viel weiter sein! Das ist eine bittere, aber notwendige Erkenntnis. Das Mittel, sich vor einem schweren, gar tödlichen Verlauf der Krankheit zu schützen, haben wir in der Hand.“ Aber immer noch hätten es bisher zu wenige in Anspruch genommen. „Deshalb bitte ich Sie heute noch einmal: Lassen Sie sich impfen, und erneuern Sie Ihren Impfschutz rechtzeitig!“ Trotz der schwierigen Corona-Lage versucht der Bundespräsident Hoffnung zu verbreiten. „So bitter es ist, dass sich unser Wunsch nach einem normalen Advent nicht erfüllt hat: Bewahren wir uns die Zuversicht, dass es uns gemeinsam gelingt, die vierte Welle zu brechen und die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen.“

Medizinethiker: Ungeimpfte im Triage-Fall nicht schlechter stellen

Der Potsdamer Medizinethiker Robert Ranisch ist dagegen, geimpfte Corona-Patienten im Fall einer Triage gegenüber ungeimpften systematisch zu bevorzugen. Das sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Diese Frage stehe im Raum, da sich nicht nur das Personal in den Krankenhäusern fragen würde, warum ausgerechnet Ungeimpfte im Fall einer Priorisierung nach medizinischen Kriterien unter Umständen bevorzugt behandelt würden. „Emotional kann ich das gut nachvollziehen“, sagte Ranisch. Es gebe hitzige Diskussionen, ob Impfunwillige nicht selbst für ihre Lage verantwortlich seien und warum man Solidarität mit jenen aufbringen solle, die sich scheinbar unsolidarisch zeigten. Hier müsse man jedoch vorsichtig sein: „Bei Triage-Entscheidungen geht es um die Rettung möglichst vieler Menschenleben, nicht um Schuld oder Bestrafung“, so der Medizinethiker. „Die Behandlung von Kranken ist Aufgabe der Heilberufe, ungeachtet der Einstellungen d er Patienten und Patientinnen.“ Der Impfstatus habe damit allenfalls eine indirekte Bedeutung für Triage-Entscheidung, etwa wenn Ungeimpfte eine schlechtere medizinische Prognose hätten. Auch die Altersfrage dürfe keine ausschlaggebende Rolle bei einer möglichen Priorisierung von Behandlungen von Corona-Patienten auf Intensivstationen spielen. „Gegen eine solche Diskriminierung sprechen ethische Anforderungen der Gleichbehandlung.“ Zwar hätten ältere Patienten im Falle einer Triage häufiger das „Nachsehen“. Dies hätte allerdings weniger mit ihrem kalendarischen Alter zu tun, „sondern weil sie beispielsweise häufiger an Begleiterkrankungen leiden“. Ranisch sprach sich dafür aus, sich an den Empfehlungen der Deutsche Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) zu orientieren: „Die Priorisierung von Patientinnen und Patienten sollte sich an der jeweiligen klinischen Erfolgsaussicht der intensivmedizinischen Behandlung orientieren.“

Lehrergewerkschaften beklagen bundesweit fehlende Luftfilter

Lehrergewerkschaften kritisieren, dass es an den meisten Schulen nach wie vor keine Luftfilteranlagen gibt. „Eingebettet in Raum-, Lüftungs- und Hygienekonzepte, müssen umgehend Luftfilteranlagen eingebaut werden“, sagte Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) monierte, dass in Sachen Luftreinigungsfilter nicht viel geschehen ist. Der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann sagte dem RND, es gebe zwar partiell Fortschritte, aber von einem breiten Erfolg könne keine Rede sein. Beckmann führt das vor allem auf komplizierte Förderverfahren und die Finanzschwäche der Kommunen zurück. „Zwar hat der Bund 80 Prozent der Förderung bereitgestellt, aber viele Kommunen hatten nicht die Kraft, die fehlenden 20 Prozent beizusteuern“, sagte Beckmann. Von daher sei häufig gar nichts geschehen. „Wir haben die Zeit nicht effektiv genut zt, und die Politik hat immer noch auf das Prinzip Hoffnung gesetzt.“ GEW-Chefin Finnern kritisierte, die bisher ergriffenen Maßnahmen seien nicht ausreichend. „Viele Schulen werden in einer Notlage, in der sie Unterstützung dringender denn je benötigen, weitgehend allein gelassen“, sagte sie. Immer mehr Schulen müssten bereits wegen Corona-Ausbrüchen schließen, in Sachsen betreffe das bereits etwa jede vierte Schule. „Wenn die Infektionslage es erfordert, kann es notwendig sein, die Weihnachtsferien vorzuziehen. Das darf aber nur eine zeitlich begrenzte, einmalige Maßnahme sein“, sagte Finnern. Ob es erneut bundesweit zu einer allgemeinen Maskenpflicht an den Schulen kommen muss, wollten Beckmann und Finnern nicht pauschal bewerten. „Das hängt sehr stark von den jeweiligen regionalen Entwicklungen ab“, sagte der VBE-Bundesvorsitzende Beckmann. Wenn die Entwicklung allerdings so weitergehe, werde man wohl letztlich nicht umhinkommen, die Maskenpflicht an Schulen wieder einzuführen. „Das Tragen von Masken in den Innenräumen der Schulen ist – trotz aller richtigen pädagogischen Bedenken – eine sinnvolle und wirksame Maßnahme, um Infektionen zu verhindern“, sagte auch Finnern und forderte, die Impfkampagne müsse weiter konsequent vorangetrieben werden. „Allen Lehrkräften muss spätestens sechs Monate nach ihrer Zweitimpfung schnell und unbürokratisch eine Boosterimpfung angeboten werden“, so die GEW-Chefin. Zudem müssten die 12- bis 17-Jährigen Schüler, von den viele noch nicht geimpft werden konnten, sofort stärker in den Fokus genommen werden. Im Bereich Digitalisierung haben die Schulen laut VBE einen Schritt nach vorn gemacht. „Das ist unbestritten“, sagte Beckmann. Er wies jedoch darauf hin, welche Gefahren eine großflächige Rückkehr zum Homelearning mit sich bringen würde. Damit ließen sich zwar bestimmte Lernlücken vermeiden, aber die emotionalen und sozialen Schäden, die schon in der ersten Runde der Corona-Pandemie entstanden seien, würden sich dann weite r verstärken. „Das trifft dann besonders die Kinder, die wir sowieso schon als benachteiligt wahrnehmen“, sagte der VBE-Chef. Natürlich müsse man den Gesundheitsschutz von Lehrern und Schülern im Blick haben, aber auf der anderen Seite müsse man sehen, welche Schäden bei solcherart Unterricht auch entstehen. +++