Bürgermeister Helfrich (CDU): „Die gesamte Branche steht mit dem Rücken an der Wand“

Inständiges Nachsuchen: Wenn Corona-Maßnahmen zur eigenen, existenziellen Bedrohung werden

Vor dem Hintergrund der Entwicklung und Situation der Tourismus-Branche der Rhöngemeinden und der bis heute Vormittag noch gegoltenen, neuen Beschlüsse vonseiten der Bundesregierung und des Corona-Kabinettes zur Eindämmung der Pandemie hat sich der Bürgermeister der Rhöngemeinde Poppenhausen (Wasserkuppe) zudem Vorsitzende des Vereins für Tourismus der Kommune und Sprecher der Touristischen Arbeitsgemeinschaft „Die Rhöner“, Manfred Helfrich (CDU) mit einem Schreiben an die Mitglieder des Tourismusvereins und der Arbeitsgemeinschaft gewandt.

Im Folgenden die Stellungnahme des Bürgermeisters:

Die andauernde Corona-Pandemie und deren Folgen – Begründete Existenzängste für die Tourismus-Wirtschaft

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie mit der verbundenen Schließung der Gastronomie und Beherbergungsbetriebe für Erholungssuchende sowie das Ausübungsverbot für Dienstleister der Tourismusbranche setzen der Tourismuswirtschaft seit einem Jahr mächtig zu und wurden mit Beschluss von gestern erneut verlängert. Es drohen dramatische Folgen mit zahlreichen Betriebsschließungen. Wir, in der prosperierenden Tourismusgemeinde Poppenhausen (Wasserkuppe), registrieren hier normalerweise etwa 110.000 Übernachtungen im Jahr. Bei uns und in den umliegenden Gemeinden ist der Tourismus ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, der zudem dafür sorgt, dass die örtliche Infrastruktur gesichert und weiterentwickelt wird. In meiner Stellungnahme spreche ich auch für die touristische Arbeitsgemeinschaft „Die Rhöner“. Hier haben sich sechs hessische Rhöngemeinden – die Stadt Tann (Rhön), die Gemeinden Hilders, Ehrenberg und Hofbieber, die Stadt Gersfeld (Rhön) und die Gemeinde Poppenhausen (Wasserkuppe), organisiert. Das Rhöner Mittelgebirge mit den drei Hausbergen Wasserkuppe, Pferdskopf und Milseburg liegt inmitten des Biosphärenreservates Rhön, dem sogenannten „Land der offenen Fernen“.

Je länger der Lockdown anhält, umso schwieriger wird die Lage; Die gesamte Branche samt dem davon abhängigen Gewerbe steht mit dem Rücken an der Wand. Die Leidensfähigkeit der Menschen, deren Verständnis für die Einschränkungen sowie ihre Geduld, auf hoffnungsvolle Zeiten, schwindet zusehends. Die Menschen werden aggressiver, wie dies auch bei den, am vergangenen Wochenende veranstalteten Demonstrationen gegen die Corona-Einschränkungen in Kassel zu beobachten war. Dabei führt verständlicherweise folgende Tatsache zu Missmut: Die Deutschen fliegen nach Mallorca in den Urlaub, im eigenen Land können sie derzeit bis auf weiteres leider keinen Urlaub verbringen. Leider haben die Inzidenzzahlen wieder eine Höhe erreicht, die sehr besorgniserregend ist. Hier im Landkreis Fulda beträgt der Wert über 150, nachdem er vor wenigen Wochen auf fast 50 gesunken war. Aber wer will in der Pandemie schon mit 300 Urlaubsreisenden Schulter an Schulter im Flieger sitzen? Da hat man kein gutes Gefühl. Nach meiner Auffassung sind der Tourismus und die Gastronomie nicht für die Ausbreitung des Virus, für die Pandemie verantwortlich.

Meines Wissens wurden in diesen Wirtschaftsbereichen funktionierende Hygienekonzepte erarbeitet und verlässlich angewendet. Was spricht dagegen, dass Ferienwohnungen, Ferienhäuser und Wohnmobilstellplätze von erholungssuchenden Urlaubern belegt und genutzt werden? Dort hält sich jeder in seinem Bereich auf, hat nur mit der eigenen Familie Kontakt und nicht mit Fremden. Die Infektions- bzw. Ansteckungsgefahr ist dort meines Erachtens nicht höher als zu Hause. Mit Rucksackverpflegung, die man sich vor Ort besorgt, kann man zu herrlichen Wanderungen in der Rhön, im Land der offenen Fernen, aufbrechen und sich in der gepflegten Natur erholen. Weiterhin bin ich der Auffassung, dass Restaurants bis etwa 22:00 Uhr öffnen könnten, um ihren Abholservice anzubieten und um ihre Gäste zu bewirten. Die Gastwirte haben funktionsfähige Hygiene-Konzepte entwickelt und bieten zur Gewährung des Mindestabstands nur etwa die Hälfte ihrer Tischplätze an. Was spricht dagegen, wenn Einheimische oder Gäste in Restaurants ein Essen einnehmen oder ein Getränk zu sich nehmen? Anders sind in diesem Zusammenhang derzeit noch die Bars und Bierkneipen zu beurteilen. Die Menschen sehnen sich wieder nach mehr Freiheit und Lebensqualität, ohne dass sie für andere eine Gefahr darstellen wollen.

Es ist nicht zu verstehen und inakzeptabel, dass man diese Branche voll gegen die Wand fahren lässt. Die finanzielle Unterstützung des Staates durch Ausgleichszahlungen, die Möglichkeit der Kurzarbeit sowie die Aussetzung der Verpflichtung der Insolvenzanmeldung sind zwar wichtige Bausteine zur Unterstützung der Tourismuswirtschaft, doch mit Zeitablauf suchen sich immer mehr Beschäftigte dieser Branche einen neuen Arbeitsplatz. Zahlreiche Kräfte gehen so für immer verloren. Wer soll die Arbeit dann machen, wenn irgendwann die Gastronomie und Beherbergungsgewerbe wieder öffnen? Verzweiflung und Existenzängste nehmen im Gastgewerbe dramatisch zu. Viele Betriebe sehen sich in großen Schwierigkeiten. Dabei muss man unterscheiden zwischen den nebenberuflichen Tourismusanbietern, die sich etwas dazuverdienen und denen, die mit dem Tourismus ihren Lebensunterhalt bestreiten, Beschäftigte bezahlen müssen und Investitionen abtragen müssen. Untersuchungen ergaben, dass jedes vierte Tourismusunternehmen erwägen würde, aufzugeben. Die Verantwortlichen der Politik, das Corona-Kabinett, sollten zügig eine Aussicht auf Öffnung geben, sonst werden Folgen mit Schäden riskiert, die nicht mehr zu reparieren sind….

Ich wünsche Ihnen und Euch allen Durchhaltevermögen, Hoffnung und Zuversicht, trotz allerlei Einschränkungen ein schönes Osterfest und vor allem: bleibt gesund!

Manfred Helfrich, Bürgermeister der Gemeinde Poppenhausen (Wasserkuppe), Vorsitzender des Vereins für Tourismus und Sprecher der Touristischen Arbeitsgemeinschaft „Die Rhöner“

+++ jessica auth