Bürgerinitiativen: Altmaiers Beruhigungsveranstaltung für Trassengegner nicht akzeptabel

Neustart der Diskussion um den Netzausbau notwendig

Peter Altmaier (CDU)
Peter Altmaier (CDU)

Anfang September haben einige Bürgerinitiativen der drei Aktionsbündnisse gegen Südlink, Südostlink und Ultranet Post aus dem Bundeswirtschaftsministerium aus Berlin bekommen. Inhalt: Eine Einladung für einen Gesprächsnachmittag in Berlin am Montag, den 17. September 2018. Altmaiers Einladung nach Berlin ist inakzeptabel, heißt es in einer gemeinsamem Mitteilung. Die Aktionsbündnisse und Bürgerinitiativen werden diese Veranstaltung boykottieren.

Denn Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat ein Versprechen geleistet. Im Bundestag gab er per Regierungserklärung zu Protokoll: „Ich verspreche Ihnen: Wenn ich ein halbes Jahr im Amt bin, werde ich jede problematische Leitung persönlich kennen und besucht haben.“ Aus seiner angekündigten Besuchsreise, um die Orte und die Menschen kennenzulernen, die vom Netzausbau betroffen sind, macht Minister Altmaier nun eine unverbindliche Infoveranstaltung. Zu dieser sollen die BI‘s auf eigene Kosten an einem Montag nach Berlin reisen. Er selbst wird nicht anwesend sein. Auch für den Herbst ist laut Auskunft des Bundeswirtschaftsministeriums lediglich ein weiterer Gesprächstermin geplant, zu dem die Betroffenen erneut anreisen sollen, um den Wirtschaftsminister über die Probleme vor Ort zu informieren. „Sein Versprechen hat Minister Altmaier damit gebrochen.“, so Maria Quanz vom Vorstand der Bürgerinitiativen gegen SuedLink (BBgS) heute in Fulda.

Daher kann es nur ein klares Nein zum aktuellen Gesprächsangebot geben!

Die Bürgerinitiativen wurden zu keinem Zeitpunkt bezüglich der Themenauswahl, gewünschter Gesprächsinhalte, Tagesordnungspunkte bzw. eines Vortragsrechts in die Planung der Veranstaltung miteinbezogen. „An Alibiveranstaltungen zum Thema Netzausbau, wie sie in der Vergangenheit zahlreich und unter erheblichem Aufwand für die Bürgerinnen und Bürger stattfanden, haben wir kein Interesse mehr“, begründet Maria Quanz die gemeinsame Entscheidung der Bürgerinitiativen. „Da die Spitzen der Aktionsbündnisse und des BBgS erst gar nicht eingeladen wurden, ist klar, der Berliner Gesprächstermin wird keine neuen Erkenntnisse bringen“.

Strategische Einbindung verhindern

Das Angebot des BMWi halten die Bürgerinitiativen für unangemessen. Denn ein unverbindlicher Gesprächsnachmittag wird den speziellen Problemstellungen und Gefahren an den einzelnen Trassen nicht gerecht und ist eine ebenso durchsichtige wie ärgerliche Beschwichtigungstaktik. Die Veranstaltung in Berlin ist nichts als strategische Einbindung aus dem Lehrbuch. „Damit würde es dem Ministerium ermöglicht, zu behaupten, es hätten ‚konstruktive Gespräche‘ stattgefunden,was bei einem nicht ergebnisoffenen Dialog aber schlicht nicht möglich ist“, kritisiert Dörte Hamann vom Aktionsbündnis gegen die Süd-Ost-Trasse. Für die öffentliche Wahrnehmung soll der Protest durch eine mediale Aufbereitung als kaum existent und befriedet dargestellt werden. Als Showdarsteller für den Medienevent in der Bundeshauptstadt wollen sich die Bürgerinitiativen nicht missbrauchen lassen.

Netzausbau dient nicht der Energiewende

Das Mantra über den angeblich notwendigen Transport von Windstrom in den energiearmen Süden Deutschlands war und ist ein wirksamer Schachzug, um zu suggerieren, der massive Neubau von Stromtrassen sei der Energiewende zuzuschreiben. Einer kritischen Prüfung hält diese Behauptung jedoch nicht Stand. Das Eingeständnis, dass die großen Übertragungsleitungen in erster Linie dem grenzüberschreitenden Stromhandel und somit der Gewinnmaximierung für die Großkonzerne auf Kosten der Stromkunden dienen, ließe sich nicht annähernd so gut verkaufen. Die Tatsache, dass Deutschland als Transitland für Europas Stromverbundnetz eine zentrale Rolle spielen soll, könnte ebenfalls unliebsame Fragen aufwerfen – nicht zu vergessen die weiteren Kohle- und Atomstromlieferungen aus dem benachbarten Ausland. Mit einer besseren regionalen Verteilung der Erzeugung Erneuerbarer Energien und Speichertechnik wird die derzeitig geplante hohe Anzahl an neuen Stromtrassen technisch und wirtschaftlich überflüssig. Franziska Hennerkes vom Aktionsbündnis Ultranet betont, „dass es sich bei den HGÜ-Trassen um reine Transportleitungen handelt, ohne Einspeisungs- und Abnahmemöglichkeit. 97 Prozent aller regenerativen Anlagen befinden sich jedoch im regionalen Verteilnetz. Damit dienen die ‚Stromautobahnen‘ hauptsächlich dem klima- und umweltschädlichen Transport von Atom- und Kohlestrom. Die Behauptung von Minister Altmaier, die geplanten Trassen seien alternativloser Bestandteil der Energiewende, ist unzulässig.“

Widerstand zwecklos?

Wer sich also vor die Pressemikrophone stellt und vollmundig den Stromleitungsausbau zur Chefsache erklärt, muss sich den dringenden Fragen der Betroffenen vor Ort stellen. In Anbetracht der Landtagswahlen in Bayern und Hessen reicht es nicht, den Bürgerinitiativen zu raten, endlich den Widerstand gegen den Netzausbau aufzugeben. Durch Verbreitung von Halbwahrheiten und gezielter Irreführung der Bevölkerung werden sich die Gemüter der Menschen in den betroffenen Regionen nicht beruhigen lassen. Der Protest der Aktionsbündnisse und Bürgerinitiativen seit Anfang 2014 hat eines gezeigt: Wer unbeugsamen Widerstand signalisiert, gewinnt. Das weiß auch Bundesnetzagentur-Chef Jochen Homann: „Eine Planung gegen die Totalablehnung in manchen Regionen war schlicht nicht erfolgsversprechend.“ (Zitat Jochen Homann, Bundesnetzagentur)

Neustart der Diskussion um den Netzausbau notwendig

Tatsächlich hat bislang auf keiner vergleichbaren Veranstaltung jemals ein Dialog stattgefunden, der diesen Namen verdient hätte. „Einem ergebnisoffenen Dialog werden sich die Bürgerinitiativen nicht verschließen. Dabei erwarten wir, dass das Thema Energiewende und Klimaschutz mit einem raschen Kohleausstieg als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet und so schnell wie möglich in die Tat umgesetzt wird. Unter dieser Prämisse muss die Netzausbau-Planung kritisch hinterfragt werden. Geschwärzte Zahlen in Genehmigungsbescheiden verhindern eine transparente Kontrolle der Übertragungsnetzbetreiber und sind offenzulegen. Es ist untragbar, dass der Netzausbau als Gelddruckmaschine für Großkonzerne und Übertragungsnetzbetreiber auf Kosten der Bevölkerung missbraucht wird.“ – dies betonen Quanz, Hamann und Hennerkes abschließend. +++ pm