Bsirske fordert neues Profil der SPD

Verdi-Chef Bsirske

Berlin. Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, hat die SPD zu einem Kurswechsel aufgefordert. "Die SPD braucht ein Profil, mit dem sich wieder mehr Menschen identifizieren können", sagte Bsirske den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Vor einem Jahr hätten die Sozialdemokraten in Umfragen mehr als 32 Prozent erreicht, weil Martin Schulz als nominierter Kanzlerkandidat den Wunsch nach mehr sozialer Gerechtigkeit und Zusammenhalt zu erfüllen schien.

"Viele, die sich wegen der Agenda 2010 von der SPD abgewandt hatten, kehrten vorübergehend zurück", stellte Bsirske fest. "Das Potenzial ist also da. Man muss sich keine existenziellen Sorgen um die SPD machen." Er traue der nominierten Parteivorsitzenden Andrea Nahles zu, "die SPD zu neuem Erfolg zu führen", sagte der Gewerkschaftschef. Sie habe als Arbeitsministerin "einen beachtlichen Job gemacht". Ein klares Profil, Verlässlichkeit in den Aussagen und eine Politik, die das Leben der Menschen verbessere, seien eine solide Grundlage, um der SPD neue Stabilität zu verleihen. Bsirske machte deutlich, dass er mit einem Ja der SPD-Basis zum Koalitionsvertrag mit der Union rechnet. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Mehrheit der SPD-Mitglieder tatsächlich mit Nein stimme. "Dafür ist die Koalitionsvereinbarung zu gut - und die Alternative zu bedrohlich." Die SPD müsste "in Neuwahlen gehen, nachdem die eigene Führung demontiert wurde - und dass mit der Botschaft, gewählt werden zu wollen, um nicht regieren zu müssen". Dies wäre "kein wirklich attraktives Angebot für die Wählerinnen und Wähler".

Mit den Koalitionsvereinbarungen, etwa zu Rente, Pflege, Krankenversicherung, Bildung, Wohnungsbau oder Nahverkehr, könnten die Lebensbedingungen vieler Bürgerinnen und Bürger verbessert werden. Bsirske kritisierte allerdings die Beschlüsse zur Steuerpolitik. "Deutschland bleibt eine Steueroase für reiche Erben und große Vermögen", sagte er. "Wir haben ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefälle bei der Abgeltungssteuer. Leider sperrt sich die Union weiterhin dagegen, mehr Steuergerechtigkeit zu schaffen." Immerhin sollten Vermeidungspraktiken eingedämmt werden. "Das wird zu konkretisieren sein", forderte er. "Ich denke da an die Einführung einer Quellensteuer, damit Unternehmen wie Google, Ikea oder Amazon nicht länger Gewinne mittels Lizenzgebühren am deutschen Fiskus vorbeiführen können." +++


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1 Kommentar

  1. Gerade die "Keule" Hartz IV, die über jedem Arbeitnehmer schwebt, der nicht vor seinem Arbeitgeber kuscht, ist es, die bei Vielen die Glaubwürdigkeit, daß sich die SPD für soziale Gerechtigkeit einsetzt, arg strapaziert hat. Denn es ist für manchen echten Genossen immer noch nur schwer erträglich, daß dieses Monstrum Hartz IV ausgerechnet von der SPD, ge- und unterstützt vom VW Kapital unter Piech (Abgasskandal!) und Konsorten eingeführt wurde.

    Die Menschenwürde ist dabei auf Seiten der Berliner SPD völlig unter die Räder gekommen. Die Abgehobenheit, mit der derzeit in Berlin Häuptlinge kommen und gehen unterstreicht dies nur eindruckvoll.

    Der Grund, warum die SPD vor einem Jahr um die 30 Prozent lag gründete sich vor allem in der Hoffnung, daß Martin Schulz energisch dieses Unrechtssystem Hartz IV und deren Folgen kritisch unter die Lupe nehmen wird und die SPD dazu bringt, sich davon abzuwenden, weil Hartz IV unmenschlich und unsozial ist.

    Doch leider verließ Schulz angesichts der massiven Proteste aus den Reihen derer, die Hartz IV einst eingeführt hatten (Schröder, Müntefering u.a.) der Mut. Und genau das ist der Grund, warum die SPD dermaßen bei der Wahl verloren hat: niemand nimmt eine SPD ernst, die von Gerechtigkeit schwadroniert, aber nicht bereit ist, dieses menschenunwürdige System wieder abzuschaffen. Stichwort: bedingungsloses Grundeinkommen.

    Und ganz abgesehen davon; Martin Schulz war nie ein starker Parteiführer. Beim kleinsten Widerstand ist er in allem, was er einst versprach, wieder eingeknickt. Daher merke: Vieles, was aus Brüssel hierherkommt, ist und war nur politische Altlast, die besser dort geblieben wäre. Gute Leute gehen eben nicht nach Brüssel. Die bleiben hier!

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