Bouffier eröffnete 69. Bad Hersfelder Festspiele

In Bad Hersfeld sind gestern die 69. Bad Hersfelder Festspiele durch den Hessischen Ministerpräsidenten, Volker Bouffier, eröffnet worden. Als Festredner beim Festakt zur Eröffnung der Festspiele in der Stiftruine fungierte der deutsch-türkische Journalist und Publizist, Deniz Yücel. Festspielintendant Joern Hinkel hieß die geladenen Gäste – unter ihnen Repräsentanten aus der Kommunal-, Landes-, Bundes- und Europapolitik, Wirtschaft und Gesellschaft – willkommen. In seiner Rede erinnerte der Intendant der Bad Hersfelder Festspiele an den vor wenigen Wochen ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten, Dr. Walter Lübcke. Vor genau zwei Jahren habe er „an diesem Platz“ gestanden und im Rahmen der Bad Hersfelder Festspiele auf der Stiftsruinenbühne gesprochen. Wie auch Lübcke in 2015 bei einer öffentlichen Veranstaltung äußerste sich auch Intendant Hinkel zu dem Recht auf freie Meinungsäußerung in diesem Land. Jeder, so Hinkel, habe in diesem Land das Recht auf freie Meinungsäußerung. Jeder, der vor dem Hintergrund aktueller, gesellschaftspolitischer Ereignisse ein Problem mit unserer Verfassung habe und diese nicht akzeptiere, dem stehe es frei, dieses Land jederzeit zu verlassen, so der Festspielintendant. In diesem Kontext bat er die Ehrengäste sich für eine Gedenkminute einen kurzen Moment von ihren Sitzplätzen zu erheben, dieser Aufforderung waren die Premierengäste gerne nachgekommen.

Bad Hersfelds Bürgermeister, Thomas Fehling (parteilos), hieß die geladenen Gäste im Namen der Kreisstadt Bad Hersfeld willkommen. „Die Stiftsruine steht nicht nur seit 69 Jahren für lebendiges Theater, sondern ist auch Bühne für bewegende Ideen, denkwürdige Meinungsvielfalt, spannende Diskussionen und Denkansätze über Grenzen hinaus“, sagte er in seinen einleitenden Worten zur Begrüßung. In den Werken bedeutender Literaten, so der Bad Hersfelder Bürgermeister weiter, haben die Bad Hersfelder Festspiele der Gesellschaft oft den Spiegel vorgehalten. „Der Blick dort hinein enthält oft unangenehme, unbequeme Wahrheiten; Er ist immer Auseinandersetzung, Hinterfragung und Erkenntnis“, sagte er. Zur Eröffnungspremiere von Franz Kafkas „Der Prozess“ sagte Bürgermeister Fehling: „Franz Kafka erzählt in seinem Roman ‚Der Prozess‘ wie ein Rechtstaat in einer Demokratie ausgehöhlt wird, wie Absurdität zur Normalität wird. Der Prozess ist von erschreckender Aktualität. Anklage ohne öffentliche Rechtsprechung, Verurteilung durch Mächte, die wir nicht verstehen. Aufhebung der Privatsphäre, Verleumdung und falsche Behauptung bestimmen immer mehr persönliche Schicksale.“ Ein Blick in die Sozialen Medien legitimiere die sensible Frage: „Wo fängt Meinungsfreiheit an – und wo hat sie ihre Grenzen?“ Zudem bestehe auch die Gefahr, dass die Mechanismen einer immer schneller und stärker vernetzten Welt durch den riesigen Kosten- und Konkurrenzdruck unter den Medien dazu führen, dass Fakten und Wahrheiten an Bedeutung verlören, „um bei der Jagd nach der nächsten Meldung vorne mit dabei zu sein“. „Es ist paradox, dass gerade 70 Jahre Grundgesetz stolz gefeiert werden und gleichzeitig Maßstäbe dieser Verfassung Ausschnitte haben -, nämlich Menschenwürde, Demokratie und Anstand im Alltag in den Hintergrund geraten. Ich kann unserem Intendanten, Joern Hinkel, nur beipflichten, wenn er sagt: ‚Unsere Welt ist im Umbruch. Demokratien verschwinden. Manche stillschweigend – manche mit lautem Getöse.‘ Diese Entwicklung erfüllt auch mich mit großer Sorge. Der deutsch-türkische Journalist und Publizist, Deniz Yücel, saß ein Jahr ohne Anklageschrift im Gefängnis. Verhaftung ohne Anklageschrift – die erschreckende Parallele zu unserer heutigen Premiere.

Es sind die großen Themen der Zeit, die bei den Bad Hersfelder Festspielen auch weiterhin eine große Bühne vorfinden werden. In den letzten Jahren wurde viel investiert, um die Stiftruine, als einen magischen Theaterort zu erhalten.“ Daran wolle man auch in Zukunft festhalten. Bürgermeister Fehling dankte abschließend allen Sponsoren und Unterstützern der Bad Hersfelder Festspiele – allen voran den Freunden und Förderern der Festspiele, im besonderen Maße den Besucherinnen und Besuchern. „Ihr Kommen versetzt uns überhaupt erst in die Lage, bei jeder Saison außergewöhnliche Produktionen überhaupt erst anbieten zu können.“

Festredner, WELT-Korrespondent Deniz Yücel sagte zur Anklageschrift, dass diese „gar nicht so wichtig“ sei. Letztlich habe er in Gefangenschaft immer gewusst, weshalb er im Gefängnis saß, das Yücel persönlich gestern „als Gefühl“ beschrieb, welches ihm „große Sicherheit gegeben“ habe. „Weil ich mir immer bewusst war, dass ich kein Verbrechen begangen habe. Ich saß im Gefängnis, wie viele meiner Kollegen auch. Es war mir gleichgültig, was eines Tages in dieser ‚lächerlichen Anklageschrift‘ stehen würde; Ich wurde verhaftet, weil ich meiner Arbeit als Journalist nachgegangen bin, und das ist etwas, wofür ich mich nicht schämen muss“, so Deniz Yücel beim Festakt zur Eröffnung der 69. Bad Hersfelder Festspiele am Freitag auf der Stiftruinenbühne in Bad Hersfeld. Diese Ausführungen des WELT-Korrespondenten wurden vom Publikum mit langem Beifall bedacht. Vor dem Hintergrund des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten, Dr. Walter Lübcke, hatte Yücel die Rolle des Verfassungsschutzes scharf kritisiert. „Der Verfassungsschutz – und ich meine damit sowohl die Bundesbehörden als auch die Landesbehörden – Herr Bouffier, ich muss es leider sagen – gerade auch der Hessische Verfassungsschutz: Es ist die gefährlichste Behörde Deutschlands; Sie hat erwiesen, dass sie nicht reformfähig ist.“

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier wünschte, dass auch die 69. Bad Hersfelder Festspiele wieder ein großer Erfolg werden. Daneben erinnerte er an den, vor wenigen Wochen in Bad Hersfeld ausgetragenen Hessentag. Bouffier dankte den vielen, ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die sich bei diesem Fest mit viel Engagement eingebracht hatten. „Das größte und wie ich finde auch das faszinierendste Landesfest in Deutschland kann nur gelingen, wenn Bürger sich ehrenamtlich engagieren in das in allen möglichen Bereichen“, so Bouffier. So sei der Hessentag am Ende auch „ein Fest von Bürgern für Bürger“ gewesen. Der Hessische Ministerpräsident brachte gestern seine persönliche Freude darüber zum Ausdruck, dass Yücel aktuell wieder ein Leben in Freiheit führen kann. Seine Rede befand er, die Yücel aufgrund seines kürzlich vollzogenen Umzuges, ohne groß vorzubereiten vortrug, als ein „sehr ausgefallener Vortrag“, der insbesondere hinsichtlich journalistischer Betrachtung als besonders „meinungsstark“ rüberkam. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Ereignisse in der Türkei, sagte Hessens Ministerpräsident: „Viele Menschen in unserem Landtag haben einen türkischstämmigen Hintergrund. Das, was da in der Türkei abläuft, das geht auch hier in unserem Land bis in so viele Familien. Sie wissen es. Die haben Angst, sie äußern sich nicht. Sie wollen nicht denunziert werden. Und umso mehr freue ich mich, dass dieses, faszinierende Land ganz offensichtlich eine Situation hat, die vielleicht in ihrer Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Auf der einen Seite klar – da reden wir über die Diktatur – auf der anderen Seite ein Urteil, in Ihrem Fall verfassungswirksam, wie Sie es selbst gesagt haben und wie Sie es nicht erwartet haben. Das lässt hoffen. Und ich kann Ihnen nur wünschen, dass dieses Land, das uns auf der einen Seite so nah ist, für viele Menschen, die hier leben so nah ist, es gelingt, diesen Weg immer weiter in Willkür mangelnde Rechtstaatlichkeit und damit verbunden auch Angst für viele Menschen doch umzukehren.“ Zu Yücels Kritik an der „Rolle des Verfassungsschutzes“, wie er es gestern nannte, sagte Ministerpräsident Volker Bouffier: „Sie haben ein sehr hartes Urteil über den Hessischen Verfassungsschutz gefällt – dieses ist grundfalsch; Viele Hundert Menschen arbeiten dort nach bestem Wissen und Gewissen. Dank dieser Arbeit haben wir Anschläge und Morde verhindert. Keine Behörde kann von sich behaupten, sie wäre perfekt. Wir werden nachher Gelegenheit haben, das ein wenig miteinander zu diskutieren. Das ist nicht nur falsch, sondern es ist auch ungerecht.“

Um 21.00 Uhr erfolgte auf der Stiftsruinenbühne die Eröffnungspremiere von Franz Kafkas „Der Prozess“. Das Stück ließ Parallelen zu Kafkas Verwandlung erkennen. Wie Gregor Samsa, befindet sich auch Josef K. zu Romanbeginn in einer prekären Lage. Verzweifelt sucht er nach einer Erklärung, nach Antworten, die ihm aber verwehrt bleiben. Und genau wie in der Erzählung, ist Josef K. ein verlässlicher Angestellter, gutsituiert und indem, was er tut, erfolgreich. Vieles aus dem Roman lässt sich deshalb autobiografisch deuten, Aufschlüsse hierüber geben auch die „Briefe an den Vater“. Regisseur Joern Hinkel fasziniert Kafkas Roman schon seit Längerem: „Kafkas Roman ist ausgesprochen vielschichtig. Auf den ersten Blick ist es eine Geschichte über den Verlust von Rechtsstaatlichkeit, ausgelöst durch eine undurchdringliche Organisation, ein anonymes Gericht, das durch seine Vorgehensweise elementare Menschenrechte verletzt. Aber es ist auch die Geschichte, über eine schweigende Masse, die das Unrecht als gegeben hinzunehmen scheint. Josef K. begehrt auf. Er versucht hinter das Unrechts-System zu blicken und wird dafür bestraft. Auf den zweiten Blick, ist der Prozess eine Parabel über die Befreiung aus den Fesseln eines unzumutbaren, willkürlichen Gesetzes, über die Auflehnung gegen einen ungerechten Gott, der den Menschen in einer absurden Welt allein zu lassen scheint.“ Damit ist Kafkas Prozess vor dem Hintergrund aktueller politischer und gesellschaftspolitischer Ereignisse, die einen persönlich gegenüber jeglichen Machtinstanzen manchmal ohnmächtig erscheinen lassen, nicht zuletzt ein Stück, wie es derzeit aktueller nicht sein könnte. +++ ja  ch die „Briefe an den Vater“. Regisseur Joern Hinkel fasziniert Kafkas Roman schon seit Längerem: „Kafkas Roman ist ausgesprochen vielschichtig. Auf den ersten Blick ist es eine Geschichte über den Verlust von Rechtsstaatlichkeit, ausgelöst durch eine undurchdringliche Organisation, ein anonymes Gericht, das durch seine Vorgehensweise elementare Menschenrechte verletzt. Aber es ist auch die Geschichte, über eine schweigende Masse, die das Unrecht als gegeben hinzunehmen scheint. Josef K. begehrt auf. Er versucht hinter das Unrechts-System zu blicken und wird dafür bestraft. Auf den zweiten Blick, ist der Prozess eine Parabel über die Befreiung aus den Fesseln eines unzumutbaren, willkürlichen Gesetzes, über die Auflehnung gegen einen ungerechten Gott, der den Menschen in einer absurden Welt allein zu lassen scheint.“ Damit ist Kafkas Prozess vor dem Hintergrund aktueller politischer und gesellschaftspolitischer Ereignisse, die einen persönlich gegenüber jeglichen Machtinstanzen manchmal ohnmächtig erscheinen lassen, nicht zuletzt ein Stück, wie es derzeit aktueller nicht sein könnte. +++ ja

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