Bischofskonferenz: Weltkirche fühlt sich von dieser Situation herausgefordert

Schick: Kirche muss lebens- und zukunftsrelevant sein

„Wir werden die Corona-Pandemie nur dann in den Griff bekommen, wenn wir genau diese, weite Sicht, die uns das Corona-Virus aufgedrückt hat, sehen und auch dementsprechend handeln“, stellte der Vorsitzende der Kommission Weltkirche, Erzbischof Dr. Ludwig Schick, im Rahmen der Deutschen Bischofskonferenz heute in Fulda heraus. Wichtig dabei sei es, die Gesundheitssysteme und die Gemeinschaft weltweit zu stärken. Hierzu gehöre auch, die Achtsamkeit zu stärken sowie Hungersnöte und Kriege zu überwinden. Die deutschen Bischöfe haben sich am zweiten Tag ihrer Beratungen im Rahmen der Vollversammlung mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie befasst – auch aus der weltkirchlichen Perspektive. Fragen nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und dem, was die Mitte der Gesellschaft ausmacht, waren dabei ebenso Themen wie die pastorale Präsenz der Kirche und die seelsorglichen Angebote für die Menschen in der Corona-Pandemie.

Sechs Monate nach dem Lockdown zeichnen sich auch für die katholische Kirche – deutlicher als am Beginn – die Folgen der Corona-Pandemie ab. Der Vorsitzende der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Franz-Josef Bode, sagte im heutigen Pressegespräch unter der Überschrift „Corona – kirchliche Verantwortung und Anwaltschaft“, dass Corona nicht nur die Entwicklungen, die es zuvor auch schon gegeben hatte, beschleunigt habe, sondern Schwerpunkte in der Pastoral verschiebe bzw. eine Konsequente Aufmerksamkeit für neue Situationen von Seelsorge fordere, zudem lasse uns das Virus bescheidender werden, „wenn wir von Gott und seinen Wegen mit den Menschen sprechen.“

In der Corona-Krise habe sich gezeigt, dass die Pfarreien und Seelsorger auch im Lockdown kreativ und aktiv pastoral tätig sein konnten, stellte der Vorsitzende der Pastoralkommission in seinem heutigen Pressestatement heraus. So haben diese gemeinsam mit Ehrenamtlichen beispielsweise Online-Gottesdienste – oder gebete organisiert, sich in örtliche Hilfsnetzwerke eingebracht oder sich auf elektronischen Wege nach dem Befinden der Menschen erkundigt. „Corona hat das Selbstvertrauen mancher Gläubigen gestärkt, ihr Glaubensleben und ihr Engagement aus dem Glauben selbstbestimmt zu gestalten. Für andere wurde in Corona-Zeiten eine bisher schleichende Entfremdung vom Glauben und von der Kirche plötzlich offenkundig und führte zum Abbruch ihrer Beziehungen zur Kirche“, sagte Bischof Dr. Franz-Josef Bode. Und weiter: „Corona hat eine Entwicklung in der Pastoral beschleunigt, die in Zukunft weniger klerikerzentriert, dafür aber mit engagierten Gläubigen und damit auch partizipativer, selbstbestimmter und vielfältiger gestaltet sein will.“

Besonders herausgefordert vor dem Hintergrund der Pandemie sei die Seelsorge an anderen, nicht gemeindlichen, weltlichen Orten gewesen. Weitaus mehr als vorher seien in der Corona-Krise die ehrenamtlichen Telefonseelsorger gefragt gewesen. Gleiches gelte für Krankenhausseelsorger, die an den Betten der Kranken oftmals die einzige Verbindung zu den Familien draußen gewesen sind. „Diesen und anderen Orten der Seelsorge ist gemeinsam, dass sie diakonisch, ökumenisch und in Zusammenarbeit mit anderen professionellen, wie zum Beispiel caritativen und auch ehrenamtlichen Diensten geschieht. Es ist eine Seelsorge nicht in den eigenen kirchlichen Räumen, sondern in weltlichen Einrichtungen, staatlichen Organisationen oder anderen sozialen Trägern“, so der Vorsitzende der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Franz-Josef Bode. Durch die Corona-Pandemie haben bislang wenig beachtete Orte der Pastoral und Caritas an Bedeutung gewonnen. „Als Bischöfe müssen wir uns zum Beispiel selbstkritisch hinterfragen, ob wir nicht gerade für Alte und Kranke viel früher im Lockdown eine Anwaltschaft hätten wahrnehmen müssen. Dennoch gibt es gute theologische Gründe, in unserem Reden von Gott sehr bescheiden, ja demütig zu sein oder es zu werden“, so Bischof Dr. Franz-Josef Bode in seinem heutigen Pressestatement.

Der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Ludwig Schick, sagte in der heutigen Pressekonferenz vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie in ärmeren Ländern mit schwachen Gesundheitssystemen, wo die Infektionswelle bis heute kaum unter Kontrolle ist: „Es bedarf keiner ausdrücklichen Betonung, dass die Kirche sich von dieser Situation herausgefordert fühlt. Viele Bistümer und Ordensgemeinschaften in Lateinamerika, Asien, Afrika und auch in Osteuropa engagieren sich in großartiger Weise, um den notleidenden Menschen beizustehen: seelsorgerlich und sozial-caritativ.“

Auch in Deutschland haben die kirchlichen Hilfswerke, die Diözesen und die Orden viele ihrer internationalen Hilfsprogramme schnell auf die Corona-Situation ausgerichtet. Auch staatliche Mittel sind in die Not- und Katastrophenhilfe der Werke geflossen. Seit Ausbruch der Corona-Krise konnten bis heute knapp 40 Millionen Euro durch katholische Träger in Deutschland für die internationale Corona-Hilfe eingesetzt werden. Um die kirchliche Hilfe für die Opfer der Pandemie und der wirtschaftlichen Folgen zu verstärken, hatte die Bischofskonferenz – gemeinsam mit den Diözesen, der Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke und den Orden – für den 6. September 2020 zu einem „Weltkirchlichen Sonntag des Gebetes und der Solidarität mit den Leidtragenden“ aufgerufen. Die Aktion umfasste drei Dimensionen: Gebet, Information und Kollekte bzw. das Einwerben von Spenden. „Wir haben Wert darauf gelegt, dass es gerade nicht nur ums Geld gehen sollte. Die deutschen Katholiken sollten vielmehr animiert werden, ein starkes Zeichen auch der geistlichen Zusammengehörigkeit in der Weltkirche zu setzen“, so der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Ludwig Schick, der hervorhob: „Auch wenn es noch zu früh ist, um über die Kollektenerträge und Spendenergebnisse zu sprechen, so kann man doch jetzt schon feststellen: Es ist gelungen, unter den Katholiken in unserem Land das Bewusstsein für die Sorgen und Nöte in der Welt einmal mehr zu vertiefen und auch der Verbundenheit mit der ganzen Kirche Ausdruck zu verleihen.“

„Die Corona-Pandemie ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt eine Bewährungsprobe mit weitreichenden Auswirkungen“, so der Vorsitzende der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck. Corona führe uns schon bekannte Entwicklungen und ihre sozialethischen Dimensionen mit neuer Wucht vor Augen. Viele Signale, so Bischof Overbeck, seien ermutigend. Zu beobachten seien eine neue Aufmerksamkeit und Achtsamkeit für den Nächsten. „Während die tägliche, oft sehr anstrengende Arbeit in vielen, insbesondere sozialen Berufen vor der Pandemie recht unbeachtet blieb, erfahren diese Aufgabe und die Menschen, die sie tun, heute eine erhöhte Wertschätzung, die hoffentlich von Dauer ist“, sagte der Vorsitzende der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz.

Das Wort Solidarität wurde in den akuten Krisenmonaten mit neuen Inhalten gefüllt. „Die Solidarität sowohl im Kleinen, etwa in der Nachbarschaft oder in der Unterstützung zwischen Jung und Alt als auch im Großen – auf nationaler und internationaler Ebene – lebte auf.“ „Vieles stimme aber auch beunruhigend. Die Corona-Krise scheine wie ein Brandbeschleuniger zu wirken. Menschen aus den verschiedensten Milieus schließen sich – in ihrer Staatsferne verein – zu eigentümlichen Allianzen zusammen und hängen teilweise gar Verschwörungsideologien an“, so Bischof Dr. Overbeck weiter. Diese, angstgetriebenen Bewegungen dürfen nicht überbewertet werden. „Lebhafte Debatten über Inhalte sowie eine Vielfalt der Perspektiven sind das A und O jeder Demokratie und es ist von zentraler Bedeutung, dass das Handeln der Regierenden einer parlamentarischen und außerparlamentarischen Kontrolle unterworfen wird. Aber es ist für unser Zusammenleben in einer Demokratie brandgefährlich, wenn deren Grundfeste infrage gestellt werden, wenn Antisemitismus, Rassismus und Hetze aufflammen. Das ist mit unserem Menschenbild nicht vereinbar!“, so der Vorsitzende der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck heute in Fulda.

Und weiter: „Als Teil der Sorge um das Wohl der Menschen ist es für die Kirche ein zentrales Anliegen, dass die Corona-Pandemie und ein dadurch in einigen Branchen ausgelöster Strukturwandel nicht zu noch mehr Ungleichheit und Ungerechtigkeit führen. Manche Teile der Bevölkerung können auch unter Corona-Bedingungen gut leben, während andere in ihrer Gesundheit oder in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sind. Es darf nicht sein, dass wir Teile unserer Gesellschaft zurücklassen. Als Kirche setzen wir uns gesellschaftlich, aber auch ganz konkret in der caritativen Praxis für die Menschen vor Ort ein. Zudem macht unser Bestreben, Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten zu lindern, nicht an Landesgrenzen halt, sondern gilt auch im internationalen Maßstab.“ Abschließend stellte Bischof Overbeck heraus: „Angesichts des fortdauernden Infektionsgeschehens steht uns aller Voraussicht nach ein langer, schwieriger Winter bevor. Ich wünsche mir, dass trotz des Abstandsgebotes in unserer Gesellschaft die Zeichen der Wärme und Zuneigung überwiegen und Gefühle von Einsamkeit und Verlassenheit nicht weiter um sich greifen. Die Schutzmasken sollen unsere Menschlichkeit nicht verstecken, sondern uns anspornen, neu das Antlitz vieler Menschen und unserer Welt zu entdecken.“ +++ ja