Billigere Tickets: Bahn erwartet fünf Millionen zusätzliche Reisende

Bahn-Betriebsräte schlagen wegen Schienennetz Alarm

Die deutsche Bahn rechnet bei der Einführung billigerer Tickets durch geringere Steuersätze mit einem Ansturm auf die eigenen Züge. „Unsere Analysen zeigen, dass wir dadurch über fünf Millionen zusätzliche Reisende im Fernverkehr für die umweltfreundliche Schiene gewinnen könnten“, sagte Bahnchef Richard Lutz der „Süddeutschen Zeitung“. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte in dieser Woche vorgeschlagen, den Mehrwertsteuersatz auf ICE- und IC-Tickets von 19 auf 7 Prozent wie im Nahverkehr zu senken.

Bahnfahrer sollten so um 400 Millionen Euro pro Jahr entlastet werden. „Wir unterstützen diesen Vorschlag ohne Wenn und Aber. Es wäre Rückenwind auf dem Weg zu einer Verdopplung der Fahrgäste“, so Lutz weiter. Die müssen sich allerdings wohl noch länger mit vielen verspäteten Zügen abfinden. Die Marke von 80 Prozent pünktlichen Zügen werde die Bahn erst „in drei bis vier Jahren übertreffen“. Vergangenes Jahr waren knapp 75 Prozent der Züge im Fernverkehr pünktlich. „Dieses Jahr streben wir 76,5 Prozent an, 2020 dann 78 Prozent. So robben wir uns langsam an die 80 Prozent ran“, kündigte der Bahnchef an. Von einem „trägen System wie der Eisenbahn“ dürfe man keine Wunder erwarten. „Wir werden nicht über Nacht pünktlich, sondern Schritt für Schritt besser. Das ist ein Kampf um jede Minute. Jeden Tag“, sagte Lutz der „Süddeutschen Zeitung“. Er mache für die Verspätungen vor allem Engpässe im Netz verantwortlich. Und die werde es „in unserem Netz noch Jahre geben“. Auch wenn Bahn und Bund derzeit Milliarden investierten. Schneller voran kommt die Bahn bei der Bekämpfung der Personalnot. „Im ersten Quartal haben wir 10.000 Einstellungen vereinbart“, so der Bahnchef weiter. Im vergangenen Jahr hatte die Bahn bereits 24.000 neue Mitarbeiter eingestellt, in diesem Jahr sollen es 22.000 werden.

Bahn-Betriebsräte schlagen wegen Schienennetz Alarm

Die Betriebsräte der Deutschen Bahn sind in großer Sorge. „Auch 25 Jahre nach der Bahnreform ist die Schieneninfrastruktur des Bundes weiter dramatisch unterfinanziert und hat aus unserer Sicht einen besorgniserregenden Zustand erreicht“, schreiben die Arbeitnehmervertreter der DB Netz in einem Brandbrief an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), über den die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet. Man appelliere deshalb „dringend an die politisch Verantwortlichen, diese für die Schiene in Deutschland gefährliche Entwicklung umzukehren und endlich eine auskömmliche Finanzierung für den Erhalt, die Digitalisierung und die Modernisierung der Infrastruktur bereitzustellen“, heißt es in dem Schreiben weiter. Unterschrieben sei der Brief, der auch an die drei Bundesminister für Finanzen, Umwelt sowie Wirtschaft gegangen sei, vom Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats der DB Netz, Veit Sobek, sowie rund 270 Betriebsräten der Netzgesellschaft, berichtet die Zeitung. In dem Brief heißt es, die Infrastruktur werde durch zu geringe Ersatzinvestitionen seit längerer Zeit jeden Tag ein Stück anfälliger. Dadurch verliere die Bahn kontinuierlich an Leistungsfähigkeit, Pünktlichkeit und Qualität. „Der Investitionsrückstau ist mittlerweile auf rund 50 Milliarden Euro im Schienennetz und auf 7 Milliarden Euro bei den Bahnhöfen angewachsen. Deutschland hat in den letzten Jahren pro Kopf so wenig wie fast kein anderes Land in Europa in die Modernisierung, den Erhalt und den Ausbau der Schieneninfrastruktur investiert“, heißt es in dem Schreiben der Bahn-Betriebsräte. Die Konsequenz daraus sei ernüchternd: Die Schiene werde die Erwartungen, die Politik und Kunden im Rahmen der Verkehrswende an sie stellen, nicht erfüllen können. Die Auswirkungen bekämen nicht nur die Kunden zu spüren, sondern auch die Mitarbeiter, „die tagtäglich Störungen beseitigen, die veraltete Schieneninfrastruktur so gut es geht am Laufen halten und einen sicheren Eisenbahnbetrieb garantieren – oft am Rande der persönlichen Belastungsgrenze oder darüber hinaus“, heißt es in dem Brief, über den die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet. Dieses Arbeiten „im Krisenmodus“ dürfe kein Dauerzustand bleiben, warnen die Betriebsräte. Sonst werde die Qualität der Bahn weiter sinken. Die Arbeitnehmervertreter fordern deshalb von der Politik deutlich mehr Investitionen in die Infrastruktur als bisher geplant. Derzeit ist eine Aufstockung der Ausgaben für Ersatzinvestitionen um rund eine Milliarde auf 4,5 Milliarden Euro jährlich bis zum Jahr 2024 im Gespräch. Das genügt nach Überzeugung der Bahn-Betriebsräte nicht. Vielmehr werde die Infrastruktur so noch älter und störanfälliger werden mit negativen Folgen für Pünktlichkeit, Qualität und Leistungsfähigkeit. Sie schätzen den zusätzlichen Bedarf für Ersatzinvestitionen auf mindestens 2,7 Milliarden Euro. +++