Berlinwahl und Merkel – Unbequeme Wahrheiten

Es braucht ein Einwanderungsgesetz

Angela Merkel (CDU)

Berlin. Die Nachdenklichkeit, mit der sich Angela Merkel nach der Wahlniederlage am Montag zu Wort gemeldet hat, steht ihr gut: signalisiert sie doch Anhängern wie Gegnern, dass weder das Wahlergebnis noch die erhitzten Diskussionen zum Umgang mit den Flüchtlingen spurlos an ihr vorübergegangen sind. Dass sie nicht mehr am Satz „Wir schaffen das“ festhält, ihre Entscheidung vom September 2015, die Grenzen zu öffnen, aber nach wie vor für richtig hält, zeigt sowohl Reflexion als auch Prinzipienfestigkeit.

Aber reicht das? Oder braucht es nicht in der Flüchtlingsdiskussion die Bereitschaft zu unbequemen Wahrheiten? Dass die Integration lange dauert und dass, egal wer an der Regierung ist, mehr Flüchtlinge kommen werden? Dass Integration ein Prozess ist, bei dem auch Politiker Fehler machen dürfen? Die Bundeskanzlerin, die Verteidigungsministerin und der Entwicklungshilfeminister beschwören immer wieder die sogenannte Fluchtursachenbekämpfung. Die soll es richten, sie soll die Menschen in den Lagern in der Türkei, in Jordanien oder Libyen von der Flucht nach Europa abhalten, sie soll Flüchtlinge aus Afrika darin bestärken daheimzubleiben. Dabei hantieren Merkel und ihr Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier mit Klischees, etwa dem, dass halb Afrika in den nächsten Jahren vor der Tür stehe.

Flüchtlinge aus Afrika kommen aus einigen wenigen Ländern wie Eritrea oder Gambia oder aus Nordafrika. Altmaier meint aber, Afrikas Mittelstand träume von Europa und Merkel glaubt, der gewöhnliche Afrikaner müsse noch Bekanntschaft mit der Glühbirne und dem Handy machen. Kein zur Flucht entschlossener Syrer bleibt in Jordanien, nur weil deutsche Stellen im Rahmen der Fluchtursachenbekämpfung sein Essen zahlen. Und kein zur Flucht getriebener Eritreer verharrt, weil Deutschland im fernen Tansania Handwerkerausbildungen finanziert. Es braucht mehr als teure Fluchtursachenbekämpfung: Es braucht ein Einwanderungsgesetz und einen langen Atem. Merkel weiß das. Jetzt muss sie es auch noch sagen, so die Schwäbische Zeitung. +++