Beck: Regierung hat zu langsam auf Ditib-Affäre reagiert

Es habe "ein hinreichender Verdacht" bestanden

Mosche

Berlin. Nach Ansicht des religionspolitischen Sprechers der Grünen im Bundestag, Volker Beck, haben die Bundesregierung und der Generalbundesanwalt viel zu langsam auf die Spionage-Affäre des türkisch-islamischen Moscheeverbands Ditib reagiert. Eigentlich hätten schon unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe Ermittlungen beginnen müssen, sagte Beck der am Freitag erscheinenden „Frankfurter Allgemeinen Woche“. Es habe „ein hinreichender Verdacht“ bestanden, „dass es hier Spionage zum Nachteil der Bundesrepublik gegeben hat“, sagte Beck.

Selbst auf seine Strafanzeige hin, die er Mitte Dezember beim Generalbundesanwalt stellte, habe es aber noch keine Ermittlungen gegeben. Derweil seien die tatverdächtigen Imame und Religionsattachés in aller Ruhe in die Türkei zurückrufen worden. Als Grund für die „merkwürdige Zurückhaltung“ vermutet Beck, dass die Bundesregierung aus Rücksicht auf ihr Flüchtlingsabkommen mit der Türkei so spät reagierte. Die Spionageaffäre sei „ein richtig großes Ding: Außerhalb des türkischen Geheimdienstes existiert offensichtlich eine Organisation, die eigentlich einen ganz anderen Hauptzweck hat, aber als eigenständige geheimdienstliche Organisation genutzt wird.“ Die Forderung, dass die Ditib sich vollständig organisatorisch und finanziell vom türkischen Staat lösen müsse, hält Beck für wenig realistisch. „Das kann die Ditib letztlich nicht so schnell. 900 Imame aus eigener Tasche zahlen. Wie soll das gehen? Das kann ja nur funktionieren, wenn die Menschen in den Gemeinden vor Ort das Sagen haben und sich im Gegenzug auch selbst finanziell einbringen“, sagte Beck der Zeitung.

Man dürfe nicht glauben, dass es sich um einen Wandel handelt, der in drei Monaten vollzogen sein könne. „Vor allem müsste man dieses ganze Abhängigkeitsgeflecht angehen. Es ist ja ausgeklügelt auf zentrale Steuerung angelegt.“ Die Ditib habe zudem einen religions-verfassungsrechtlichen Systemfehler. Sie sei als Tochtergesellschaft der türkischen Religionsbehörde Diyanet dem türkischen Ministerpräsidenten unmittelbar unterstellt. „Ihre Aufgabe war es immer, die Religion im Sinne der jeweils Herrschenden und deren Interessen zu lenken“, sagte Beck. In Deutschland wiederum seien alle, „von der SPD bis zur CSU, von Otto Schily bis Günther Beckstein“, im Umgang mit der Ditib auf eine „etwas wurschtige Art“ pragmatisch gewesen. „Das war einfach so ungeheuer praktisch mit der Ditib: ein Anruf in Ankara, dann schien alles geritzt.“ Viel zu lange habe die Parole gegolten: „Wir haben ja die Ditib“. Das sei so lange gut gegangen, wie die politischen Mehrheiten in der Türkei „zu unseren Auffassungen zu passen schienen“. Wolle man künftig in Deutschland muslimische Religionsgemeinschaften auf Augenhöhe mit den Kirchen, sei eine „Umgründung“ unumgänglich, sagte Beck.

Nötig seien religiöse Gemeinschaften von Muslimen in Deutschland. Entweder in einer großen Gesamtgemeinschaft oder mehreren kleineren Gemeinschaften mit bestimmten Glaubenstraditionen. Das müssten die Muslime aber selbst entscheiden, der Staat habe sich herauszuhalten. „Aber auf keinen Fall darf es wie bisher entscheidend sein, wo die Eltern, Großeltern und oft ja schon die Urgroßeltern herkamen. Es ist keine Glaubenskategorie türkisch zu sein, es ist eine Glaubenskategorie muslimisch zu sein oder sunnitisch oder schiitisch und der gleichen mehr“, sagte Beck. Er wünsche sich, dass die Muslime irgendwann ankommen und sich als Muslime in Deutschland organisieren und nicht als türkische, marokkanische oder bosnische Muslime. +++