BA: Bundesweit werden 1,2 Millionen Arbeitskräfte gesucht

Es fehlt an Nachwuchs

Deutschland ist von Zuständen wie aktuell in Großbritannien zwar weit entfernt, doch auch hierzulande herrscht enormer Personalmangel. „Insgesamt werden derzeit etwa 1,2 Millionen Arbeitskräfte, davon zwei Drittel Fachkräfte, gesucht“, sagte Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit, der „Welt am Sonntag“. Und weiter: „In etwa 70 Berufen gibt es bereits Personalengpässe auf Fachkraftniveau.“

Welche Bereiche besonders vom Fachkräftemangel betroffen sind, zeigen neue Daten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), über die die „Welt am Sonntag“ berichtet. Demnach ist die Fachkräftelücke mit 18.300 Personen bei Sozialpädagogen am größten. Ähnlich groß ist sie bei Altenpflegern (17.900) und Krankenpflegern (16.700). Auf der Liste mit insgesamt 15 Berufen stehen unter anderem auch Bauelektriker (15.500), Sanitär-, Heizungs- und Klimatechniker (13.200) sowie Lkw-Fahrer (6.700). Die absoluten Zahlen an fehlenden Kräften dürften noch erheblich höher sein. Denn das IW berechnet seine Werte, indem es die bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Jobs und Arbeitslosen in Relation setzt. Die Idee: Jede offene Stelle, für die es deutschlandweit einen auf dem Papier passenden Arbeitslosen gibt, gilt als besetzbar. Nur die Differenz wird als Fachkräftelücke ausgewiesen. Oft passen Ausschreibungen und potenzielle Interessenten jedoch gar nicht zusammen – etwa wegen räumlicher Distanzen oder anderer Hürden. Einen besonderen Fokus legte das IW auf Lkw-Fahrer. Als die Coronakrise die Wirtschaft teilweise zum Erliegen brachte, ging die Fachkräfte-Lücke bei Berufskraftfahrern demnach kurzfristig zurück auf null. Laut IW ist es deshalb beachtlich, dass nun schon wieder Tausende fehlen – Tendenz stark steigend. Dramatisch ist hier das Demografie-Problem: Nur 13,6 Prozent der Fahrer waren zuletzt unter 35 Jahre alt. Im Durchschnitt aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind es 29,3 Prozent. Es fehlt also an Nachwuchs. „Das wird künftige Wirtschaftsaufschwünge bremsen“, sagte IW-Fachkräfteexperte Alexander Burstedde. Jetzt müssten Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Der Experte warnte: „Sonst drohen uns Zustände wie aktuell in Großbritannien.“

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Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels fordert der Mittelstand dringend mehr Einwanderung von Fachkräften aus dem Ausland. „Immer mehr Unternehmen aller Branchen finden derzeit weder Fachkräfte noch Azubis“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), Markus Jerger, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagausgaben). „Das gefährdet elementar die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands und damit des Standorts Deutschland insgesamt.“ Man brauche „die gezielte Einwanderung von Fachkräften, wobei die Betonung auf Fachkräfte liegt“. Viele Unternehmen müssten bereits mangels Fachkräften Aufträge ablehnen, sagte Jerger. Bei den Auszubildenden sehe es nicht besser aus. „Es gibt in Deutschland mehr als 390 anerkannte Ausbildungsberufe, und in nahezu allen fehlt es an neuen Auszubildenden. So konnten zum Start des Ausbildungsjahres 2020 fast 60.000 Ausbildungsstellen nicht besetzt werden.“ Unter akuten Mangel an Fachkräften und Azubis leiden laut Jerger vor allem die MINT-Branchen, der Bereich Gesundheit, Pflege und das Handwerk. Ohne Fachkräfte fehlten den Unternehmern auch potenzielle Nachfolger. „Damit droht dem Unternehmen im worst case die Schließung, dies betrifft besonders Familienunternehmen.“ Nach einer aktuellen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) mangelt es auch an der Personalrekrutierung in Unternehmen. „Nur 32,4 Prozent aller Unternehmen betreiben eine ausgeprägt strategische Personalarbeit“, ergab eine Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) des IW Köln unter 1.433 Unternehmen. Wichtig wären jedoch gezielte Analysen der eigenen Stärken und Schwächen sowie neue Wege zur Rekrutierung und Qualifizierung von Mitarbeitern zu entwickeln. Je kleiner die Betriebe, desto weniger sei die Personalarbeit ausgebaut. Die Gründe: Es fehlt an Know-how und finanziellen Mitteln. „Vor allem kleine Unternehmen verpassen die Chance, sich über Stellenausschreibungen als attraktive Arbeitgeber zu positionieren“, analysiert die KOFA-Studienleiterin Sibylle Stippler. So informierten nur knapp 15 Prozent der befragten kleinen Unternehmen auf einer eigenen Website über sich als Arbeitgeber. Dabei könnten Betriebe von einer starken Arbeitgebermarke im Rekrutierungsprozess sehr profitieren. +++

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