Aus Syrien stammender Bürgermeister kritisiert Spahn-Vorschlag

Krankenhausgesellschaft befürchtet Abwanderung syrischer Ärzte

Der aus Syrien stammende Bürgermeister von Ostelsheim in Baden-Württemberg, Ryan Alshebl, kritisiert die Forderung von Jens Spahn, syrischen Flüchtlingen ein „Startgeld“ von 1.000 Euro und einen Freiflug anzubieten. „Es wird jetzt Wahlkampf gemacht mit diesem Thema, was ganz unangemessen ist“, sagte Alshebl, der 2015 aus Syrien nach Deutschland geflohen ist und 2023 zum Bürgermeister gewählt wurde, am Montagabend „RTL Direkt“. „Es geht da um Schicksale, um Menschenleben, mit denen Wahlkampf gemacht wird, ziemlich billig, muss ich so formulieren“, kritisierte der Lokalpolitiker.

Jens Spahn hatte am Montagmorgen im RTL/ntv-„Frühstart“ gesagt: „Ich würde in einem ersten Schritt mal sagen, wir machen ein Angebot. Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: Jeder, der zurückwill nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1000 Euro.“ Die Bundesregierung sollte nach Ansicht Spahns von jungen Männern erwarten, dass sie mithelfen, ihr Land wieder aufzubauen. Auf die Frage, ob viele Syrer in ihre Heimat zurückkehren wollen, sagte Alshebl „RTL Direkt“: „Das hängt von der Lage vor Ort ab. Die meisten Syrer die ich kenne sagen, sie würden wenn es sich ergibt, zurückgehen. Das ist auch verständlich.“ Die meisten Syrer „finden Deutschland schön, aber sie sind hierhergekommen weil sie Schutz gesucht haben“, so der Bürgermeister. „Der objektive Grund warum sie geflohen sind, ist jetzt weg. Eine schöne Nachricht. Der Krieg ist beendet.“ Man müsse schauen, dass alle, die zurückgehen wollten, „freiwillig ohne ein Startergeld von Jens Spahn, zurückgehen“.

Merz will nach Syrien-Umsturz stärkere Kooperation mit der Türkei

Nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien sieht CDU-Chef Friedrich Merz die Türkei nun als noch wichtigeren Verhandlungspartner. „Die Türkei ist gestärkt, sie wird jetzt eine noch größere Rolle spielen in der gesamten Region des Nahen und Mittleren Ostens. Deswegen wäre ein guter Rat an uns und an die Europäer, wir müssen jetzt sehr viel stärker mit der Türkei zusammenarbeiten, um diese Region auch politisch zu befrieden“, sagte er am Montagabend der RTL/ntv-Redaktion. Forderungen aus seiner eigenen Partei, neuankommenden syrischen Geflüchteten ab sofort keinen Schutzstatus mehr zu gewähren, will sich Merz vorerst nicht anschließen. „Das ist keine Frage, die man jetzt ganz schnell beantworten kann. Da ist viel im Fluss, aber wir müssen Einfluss haben, auf das, was dort geschieht.“

Stamp: Perspektiven bei Syrien-Migrationszusammenarbeit denkbar

Der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), hat sich nach dem Umsturz in Syrien zurückhaltend mit Blick auf mögliche neue Kooperationen für die Rückkehr syrischer Staatsbürger geäußert. „Der Sturz von Assad wird möglicherweise neue Perspektiven auch in der Migrationszusammenarbeit eröffnen. Noch ist es aber zu früh, um konkrete Maßnahmen in Aussicht zu stellen“, sagte Stamp der „Rheinischen Post“ (Dienstag). „Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge reagiert klug und besonnen, wenn es ab sofort Entscheidungen zu Syrien offen lässt“, sagte Stamp. Er fügte hinzu: „Ich bin auch gegen Kritik immer bei der Haltung geblieben, dass mit dem Massenmörder Assad keine Verhandlungen möglich sind, aber wir die Situation in Syrien permanent weiter beobachten. Jetzt gibt es schneller eine neue Lage, als die meisten erwartet haben.“ Ob dies für eine belastbare Migrationspartnerschaft tragen könnte, sei jedoch heute noch völlig offen, sagte Stamp.

Krankenhausgesellschaft befürchtet Abwanderung syrischer Ärzte

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, erwartet Folgen für Deutschland, sollten syrische Ärzte in der Folge des Machtwechsels in Syrien in ihr Heimatland zurückkehren. „Wir können verstehen, dass viele von ihnen in ihre Heimat zurückkehren möchten und dort auch dringend gebraucht werden“, sagte Gaß dem „Spiegel“. Allerdings spielten syrische Ärzte in Deutschland vor allem in Krankenhäusern kleinerer Städte eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Versorgung. „Verlassen sie in größerer Zahl Deutschland wieder, wird dies in der Personaldecke ohne Zweifel spürbar sein“, so Gaß. Auch der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa) befürchtet Folgen. Deutschland würde Fachkräfte aus dem Ausland benötigen. „Zu diesen Fachkräften gehören auch Menschen aus Syrien, die entweder schon vorher qualifiziert waren oder im Rahmen ihres Aufenthaltes hier in Deutschland ihre Qualifikation erworben haben“, teilte der SpiFa dem „Spiegel“ mit. Diese Menschen leisteten einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung in Deutschland und ihr Weggang hätte sicherlich spürbare Konsequenzen im deutschen Gesundheitssystem. Laut Statistik der Bundesärztekammer arbeiteten Ende vergangenen Jahres 5.758 syrische Ärzte in Deutschland, davon knapp 5.000 im Krankenhaus. Damit sind sie die größte Gruppe ausländischer Ärzte. +++

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