Aus einem hässlichen Thema etwas Schönes gemacht

Lauterbach. „Ich wollte keine Gewalt zeigen, keine Opfer. Ich wollte das Thema Gewalt inhaltlich packen, es mit Leben und Gesichtern füllen – aus dem hässlichen Thema etwas Schönes machen.“ Mit diesen Worten beschreibt die Kuratorin Annette Schiffmann, wie sie zur Idee für ihre Ausstellung „55 Frauen & Du“ kam. Sie wollte keine nüchterne Statistik über die vielfältigen Leiden erstellen – also habe sie damit begonnen 99 Interviews mit Frauen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Berufe zu führen. Sie habe Erstaunliches erfahren und manchmal philosophisch anmutende Antworten erhalten.

Gleichstellungs- und Migrationsbeauftragte Magdalena Pitzer hieß auch im Namen des Lokalen Bündnisses für Familie im Vogelsbergkreis rund 70 Besucherinnen und Besucher im Sitzungssaal des Landratsamtes willkommen. Für die musikalische Umrahmung sorgte die Trommelgruppe von Elke Ama`Sora Saller und Sängerin Claudia Munsch mit eingängigen Rhythmen, das türkische Buffet hatte Silvia Bicakci hergestellt. Unter den Gästen waren Bürgermeister, Vertreter der Kirchen und Repräsentantinnen und Repräsentanten aus Vereinen und Verbänden, von sozialen Einrichtungen und auch aus anderen Bereichen des öffentlichen Lebens.

Das Bündnis für Familie im Vogelsbergkreis hatte dieses wichtige Thema aufgegriffen und 2012 das Handlungsfeld „Gewaltprävention“ gegründet, in dem sich Fachleute und Ehrenamtliche gemeinsam engagieren, „gegen jede Form von Gewalt“, so Frau Pitzer.

Von Gewalt betroffene Frauen finden in der Kreisverwaltung verlässliche Hilfs- und Unterstützungsangebote über die Fachberatungsstelle für Frauen in Not. „Über 100 Frauen, ein Viertel davon mit Migrationshintergrund, haben sich im vergangenen Jahr an die Fachberatungsstelle gewandt und haben sich dort individuell beraten und begleiten und bei der Einleitung notwendiger Schritte unterstützen lassen“, führte sie aus.

„Ob eine Frau Gewalt erlebt hatte, war kein Auswahlkriterium für mich“, erklärte Kuratorin Schiffman. Sie habe einen Querschnitt erhalten wollen, und die Interviews spiegelten tatsächlich die Statistiken wider: 19 sind nie mit Gewalt in Berührung gekommen, 23 wurden vergewaltigt, 14 wurden als Kinder missbraucht, zwölf wurden geprügelt, vier haben Hunger erlitten, neun haben Angehörige in Kriegen verloren – um nur ein paar Zahlen zu nennen.

Die Fragen in den Interviews lauten: Worauf sind Sie in Ihrem Leben stolz? Was ist für Sie das Schöne daran, eine Frau zu sein? Was haben Sie als Nachteil erlebt? Sind Sie jemals mit Gewalt in Berührung gekommen? Was wünschen Sie sich von der guten Fee, damit unsere Mädchen und Jungen in Würde leben können?

„Auf die Frage nach der Gewalt haben mich die Frauen damit überrascht, dass sie allesamt über sich selbst gesprochen haben, nicht über Bekannte, Nachbarn oder andere“, erzählt Frau Schiffmann. Und der am häufigsten gebrauchte Begriff sei das Wort „Respekt“ gewesen. Für die Kuratorin der Schlüssel zu allem: „Mit Achtung vor sich selbst lässt man sich weniger gefallen, und mit Respekt vor anderen würde Vieles gar nicht erst passieren.“

Die Ausstellung mit begleitenden Audioguides ist noch bis zum 22. Mai im Lauterbacher Landratsamt zu sehen und zu hören. Zwei Vorträge ergänzen die Ausstellung: Am Montag, 11. Mai, geht es bei Martina Mohr-Gärtner um Übungen zu Nähe und Distanz, Körpersprache und Selbstbehauptung. „Nein heißt Nein“ beginnt um 19 Uhr im Sitzungssaal des Landratsamtes. Am Dienstag, 19. Mai um 19 Uhr, spricht Rechtsanwältin Daniela Elger über „Alles, was Recht ist“. Dabei geht es um die Rechte von Frauen und darum, häuslicher Gewalt zu entkommen. Zu allen Veranstaltungen ist der Eintritt frei. +++ fuldainfo