
Landtagspräsidentin Astrid Wallmann hat gestern das Bildungsunternehmen „Dr. Jordan“ in Fulda besucht und vor Schülerinnen und Schülern der gymnasialen Oberstufe, Fachoberschule sowie Studierenden der Privaten Berufsakademie (BA) Fulda über die Aufgabenstellung und Herausforderungen in ihrem Amt als Landtagspräsidentin gesprochen und einen Einblick in den Plenarbetrieb im Hessischen Landtag gegeben.
Unter der Überschrift ihrer 30-minütigen Impulsvortrages „Am Puls der Zeit: Hessens Herzkammer der Demokratie in politisch bewegten Zeiten“ verdeutlichte die Repräsentantin des höchsten hessischen Verfassungsorgans, für was sie eintritt, warnte im Zeitalter zunehmender Digitalisierung aber auch vor KI-generierten Fake News als Gefahr für unsere Demokratie. Ferner ließ die Parlamentspräsidentin die Heranwachsenden an ihrem Leben als Privatperson teilhaben, dass als Person des öffentlichen Lebens auch viel Entbehrung und Verzicht bedeutet.
Dass sie einmal dem höchsten hessischen Verfassungsorgan vorstehen sowie dieses repräsentieren würde, hätte sich die einstige Bankkauffrau und Diplom-Verwaltungswirtin, als sie 2009 erstmalig als direkt gewählte Abgeordnete in den Hessischen Landtag gewählt wurde, wie sie heute sagt, „persönlich nicht erträumen lassen“. Ihr Amt als Landtagspräsidentin übernahm Wallmann damals von ihrem Vorgänger, dem heutigen Hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein im Mai 2022, der mit der Frage an sie herangetreten war, ob sie sich vorstellen könne, dieses Amt von ihm zu übernehmen. Die Entscheidung fiel der damaligen Abgeordneten des Hessischen Landtags, die seit 2009 der CDU-Landtagsfraktion angehört und in ihr bis dato die Interessen ihres Wahlkreises (Wiesbaden I) vertreten hatte, leicht. „Das war für mich eine sehr einfache Entscheidung; denn ich habe sofort ‚ja‘ gesagt“, so Wallmann, für die das Amt als Parlamentspräsidentin besonders reizvoll ist.
Astrid Wallmann: „Politik war nie Teil meiner Lebensplanung.“
Über ihren heutigen Beruf führte die Landtagspräsidentin aus: „Als Landtagspräsidentin hat man andere Aufgaben wie als Abgeordnete. Zum einen ist es ein überparteiliches Amt; Ich gehöre keinen Fachausschüssen mehr an, sondern leite jetzt den Ältestenrat unseres Parlamentes und das Präsidium. Meine wesentliche Aufgabe ist es, die Sitzungen im Hessischen Landtag zu leiten, zu dem leite ich die Landesverwaltung mit rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.“ Dass Wallmann zum einen überparteiliche Politik machen darf, zugleich aber auch ihrem früheren Beruf nachgehen darf, hätte sie sich „nicht erträumen lassen“. „Umso schöner ist es, dass sich diese Berufsbilder dann doch wieder zusammengefügt haben“, sagt Wallmann, die eigentlich gar nicht vorhatte, in die Politik zu gehen. Dieser Plan sei ihrer Meinung „kräftig schiefgegangen“. Denn eigentlich gehörte Astrid Wallmann zu Schulzeiten zu den eher schüchternen Personen, die eher introvertiert waren.
„Mir war lieber, wenn mich, wenn ich im Klassenzimmer saß, mein Klassenlehrer nicht angesprochen hat“, sagt Wallmann. Umso erstaunter sei dieser gewesen, als er von dem späteren Berufsweg seiner einst ruhigen Schülerin durch die Medien erfuhr. Dies zeige nach Wallmann aber auch, dass sich Menschen verändern können und im Laufe ihres Lebens Entwicklungen durchlaufen, die sie zuvor nicht für möglich gehalten haben. „Politik war tatsächlich nie Teil meiner Lebensplanung; Ich habe mich immer viel ehrenamtlich in ganz unterschiedlichen Bereichen engagiert“, so Wallmann. Im Gegensatz zu der Frage, die sich für sie im Jahr 2022 stellte, ob sie sich vorstellen könne, Landtagspräsidentin zu werden, habe sie sich die Entscheidung 2008 für den Hessischen Landtag zu kandidieren, nicht so leicht gemacht, zumal dies eine Entscheidung ist, die das Leben grundlegend verändere und die primär nicht ihrer Wunschvorstellung entsprach.
„Es gibt Menschen, die von sich sagen, dass sie unbedingt in die Politik gehen wollen; das war bei mir nicht so, weshalb ich diese Frage auch nicht sofort mit ja beantworten konnte. Und ich wusste auch nicht, ob ich dieser Aufgabe gerecht werden würde und, ob die Politik mein Leben so bestimmen würde, wie ich mir das vorstelle“, so Landtagspräsidentin Astrid Wallmann, die weiter ausführte: „Es gibt natürlich gravierende Unterschiede, wenn man in die Politik geht. Das eine ist die öffentliche Wahrnehmung. Auch muss man sich im Klaren darüber sein, dass man keine geregelten Arbeitszeiten mehr hat und immer und überall erreichbar sein muss. Auch gehört zur Wahrheit, dass man aushalten muss, beschimpft und beleidigt zu werden, und das unabhängig davon, ob eine Position richtig oder falsch ist. Von daher ist das eine Entscheidung, die man sich reiflich überlegen sollte. Ich hatte leider nur 48 Stunden Zeit, mir das zu überlegen.“
„Die Überparteilichkeit und das Eintreten für die Demokratie machen den besonderen Reiz dieses Amtes aus.“
Bereut, dass sie diesen Weg einschlug, hat sie bis heute nicht, auch wenn sich ihr Leben mit dem 2009 direkt gewonnen Wahlkreis und Landtagsmandat schlagartig veränderte. Auf ihre berufliche Tätigkeit in der Verwaltung und auch als „gewöhnliche Abgeordnete“ blickt Astrid Wallmann heute dankbar zurück. Die Aufgabe als Landtagspräsidentin erfülle sie jedoch persönlich in einer ganz besonderen Weise. Im Besonderen ist es die Überparteilichkeit und das Eintreten für die Demokratie, was den Reiz dieses besonderen Amtes ausmache. „Mit dem Amt als Landtagspräsidentin stehe ich für keine politische Position mehr im parteipolitischen Sinne; das verbietet sich. Ich habe diese Überparteilichkeit angenommen und sie fällt mir auch nicht schwer. Meine Aufgabe in dieser Überparteilichkeit bedeutet, wo immer ich auch auftrete, ich nicht für irgendeine Fraktion stehe, sondern für die aktuell 133 Abgeordneten des Hessischen Landtages.“
Zum Plenarbetrieb sagte die Parlamentspräsidentin: „Wir haben durchaus eine herausfordernde Situation im Hessischen Landtag. Die Herausforderung ist, wenn Sie eine Sitzung leiten, Entscheidungen – beispielsweise, wenn sich jemand nicht korrekt verhält – innerhalb kürzester Zeit treffen müssen. Wenn sich jemand im Plenarsaal nicht angemessen verhält, müssen Sie in dem Moment zu einem Ergebnis kommen, wie Sie mit diesem Sachverhalt umgehen. Die Sachverhalte können Sie nicht planen, denn Sie wissen, was geschieht und auch nicht, wer etwas sagt.“ Gemeinsam mit ihren Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten achtet Wallmann auf ein ordentliches Miteinander im Plenarsaal. „Dazu gehört, dass man einander zuhört, dass man sich nicht persönlich beleidigt, dass keine rassistischen und sexistischen Äußerungen fallen, keine antisemitischen und nichts Menschenverachtendes. Für mich persönlich ist das eine Selbstverständlichkeit, aber leider darf man es als keine Selbstverständlichkeit voraussetzen“, so Wallmann.
„In einer Demokratie muss man auch Kritik aushalten können.“
Ungeachtet politischer Meinungen ist Astrid Wallmann überzeugt, dass man in einer Demokratie auch Kritik aushalten muss. „Es gibt viele Möglichkeiten, das auch zum Ausdruck zu bringen. Man kann beispielsweise darauf verzichten, zu applaudieren. Man kann übrigens auch einer Veranstaltung fernbleiben, wenn man eine andere Auffassung vertritt.“ Im Zeitalter fortschreitender Digitalisierung sprach Wallmann im Bildungsunternehmen „Dr. Jordan“ auch über die Gefahren von KI-generierten Fake Videos, die durch das Massenmedium Internet und Social Media binnen kürzester Zeit Millionen von Nutzerkonten erreichten. Gefährlich wie gleichermaßen bedrohlich für die Demokratie seien diese nicht nur bei Präsidentschaftswahlen. Denn oft merke man gar nicht, ob eine Video KI-generiert ist oder nicht. „Das sind Tendenzen und auch Entwicklungen, die mich zunehmend sehr besorgen. Und deshalb ist auch der Hessische Landtag als ein Ort, an dem man zuhört und respektvoll miteinander umgehen soll für mich persönlich auch so wichtig“, so die Landtagspräsidentin, der es darauf ankommt, dass Werte noch miteinander geteilt werden.
„Es gibt nicht nur den politischen Streit, sondern auch das Verbindende.“
Froh und dankbar ist Wallmann über die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihren Landtagsvizepräsidenten, das sie als „unglaubliches Privileg“ empfindet. „Wenn Sie uns gemeinsam in einem Raum erleben würden, so würden Sie feststellen, dass Parteipolitik überhaupt keine Rolle spielt. Und das ist auch gut so. Wir haben uns aber auch darauf verständigt, dass, wenn einer von uns eine Entscheidung trifft, diese von allen mitgetragen wird. Und das ist auch etwas, das einen besonderen Wert im Hessischen Landtag hat. Es gibt eben nicht nur den politischen Streit, sondern auch das Gemeinsame und Verbindende.“ Zu ihrer Rolle als erste Landtagspräsidentin in Hessen befragt, antwortete Wallmann, dass dies heutzutage etwas Selbstverständliches sein sollte. Wallmann: „Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der sich die Frage nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf gar nicht mehr stellt.“
Ihrem Beruf als Repräsentantin des höchsten Verfassungsorgans und ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter zweier Töchter gehe sie ebenso nach wie jeder andere Bundesbürger. „Ich finde, das sollte gar nichts besonderes mehr sein.“ Kürzlich sei an sie die Frage adressiert worden, ob sie denn eigentlich stolz darauf sei, die Erste Bürgerin in diesem Land zu sein. Die kurze Antwort wählte Wallmann ganz bewusst: „Nein!“ Daran, dass Astrid Wallmann – zumindest wenn sie in ihrem Wahlkreis unterwegs ist – mittlerweile überall erkannt und auch angesprochen wird, hat sie inzwischen gewöhnt. „Auch wenn Astrid Wallmann keine aktive Politikerin mehr ist und heute andere Aufgaben als früher wahrnimmt, vertritt sie die Auffassung: „Am Ende leben Politiker davon, dass sie erkannt und angesprochen werden. Viel schlimmer wäre es, wenn man nicht wahrgenommen wird. Trotz ihres zeitlich sehr fordernden Amtes, das vor allem familiär viel Verzicht bedeutet, erfülle sie ihr Amt als Landtagspräsidentin, dass sie sich noch ein paar Jahre vorstellen könne. +++ Jessica Auth
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