Armut in Hessen erstmals über dem Bundesdurchschnitt

Landesregierung muss Ursachen analysieren und gegensteuern

Während die Armut im deutschlandweiten Schnitt leicht gesunken ist, steigt sie in Hessen gegen den Trend stetig weiter an. Im Armuts-Ranking der Bundesländer ist Hessen binnen drei Jahren von Platz 3 auf Platz 7 nach unten abgerutscht. Laut Mitteilung, stieg die Armutsquote zwischen 2015 und 2018 von 14,4 Prozent auf 15,8 Prozent und liegt nun erstmals über dem Bundesdurchschnitt von 15,5 Prozent. Im Zehnjahresvergleich ist die Armutsquote in Hessen um fast ein Viertel gestiegen und damit so stark wie in keinem anderen Bundesland. Nach dem Armutsbericht 2019, den der PARITÄTISCHE Gesamtverband heute in Berlin veröffentlicht hat, gehört Hessen zu den Bundesländern, die sich seit 2008 ausgehend von einer relativ guten Situation auffallend schlecht entwickelt haben. Da Hessen bei der EinkommensReichtumsquote im Bundesvergleich gleichzeitig an zweiter Stelle liegt, lässt sich aus der Statistik auch eine überdurchschnittliche Spaltung in Arm und Reich ablesen.

„Der Anstieg der Armut und das hohe Maß an Ungleichheit in Hessen sind alarmierend“, erklärt Dr. Yasmin Alinaghi, Landesgeschäftsführerin des PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverbands Hessen. „Wir fordern die Landes-regierung auf, den Ursachen dieser negativen Entwicklung auf den Grund zu gehen und rasch einen Masterplan zur Armutsbekämpfung zu erarbeiten.“ Diese Analyse kann im Rahmen des Landessozialberichts erfolgen, der derzeit erstellt wird. Seine Handlungsempfehlungen zur Armutsbekämpfung sollten verbindlich umgesetzt werden. Nach der aktuellen Statistik gehört Mittelhessen, also die Region von Limburg über Gießen und Marburg bis zum Vogelsberg, mit einer Armutsquote von 19,5 Prozent zu den zwölf ärmsten Regionen in Deutschland. Doch auch die Entwicklung im dichtbesiedelten Südhessen gibt Anlass zur Sorge: Im Rhein-Main-Gebiet ist die Quote von 2008 bis 2018 um 2,7 Prozentpunkte auf 14,1 Prozent gestiegen, in der Region rund um Darmstadt sogar um 4,9 Prozentpunkte auf 15,6 Prozent.

Schlicht nicht hinnehmbar ist auch, dass in Hessen mehr als ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen in Armut aufwachsen, die Quote bei den unter 18-Jährigen beziffert der Armutsbericht mit 21,1 Prozent. „Ein umfassendes Konzept zur Armutsbekämpfung muss in allen sozialen und gesellschaftlichen Bereichen ansetzen und die Themen Arbeit, Wohnen Alterssicherung, Pflege, Gesundheit, Familie, Bildung und Teilhabe in den Blick nehmen“, sagt Annette Wippermann, Grundsatzreferentin des PARITÄTISCHEN Hessen: „In den hessischen Ballungsräumen verstärken die horrenden Mietpreise das Armutsrisiko, die selbst bei mittleren Einkommen eine große Belastung sind.“ Der Armutsbericht des PARITÄTISCHEN zählt einer EU-Konvention entsprechend Haushalte als arm, die mit ihrem Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegen. Diese Armutsschwelle lag 2018 bei einer alleinstehenden Person bei einem monatlichen Einkommen von 1035 Euro, bei einem Paar ohne Kinder bei 1533 Euro. Alleinerziehende mit einem Kind unter 14 Jahren gelten nach dieser Definition als armutsgefährdet, wenn sie weniger als 1346 Euro monatlich zur Verfügung haben. Bei einem Paar mit zwei Kindern unter 14 Jahren sind es 2174 Euro. +++