Wir reden über die Verbandsliga-Kicker der SG Eiterfeld/Leimbach. Die befanden sich in der Winterpause der soeben beendeten Saison im negativen Strudel der öffentlichen Wahrnehmung und rangen mit ihrer jungen Mannschaft um den Klassenerhalt. Da kam dem Sportlichen Leiter des VfL Eiterfeld, Florian Roth, eine spezielle Idee. Eine, die für Außenstehende etwas waghalsig schien, die sich aber wenige Monate später als goldrichtig erwies. Roth, von 2007 bis 2009 selbst Spieler im Landesliga-Team in Eiterfeld, zapfte seinen ehemaligen Trainer Andreas Herzberg an. Der entwickelte das Gespür eines Freundschaftsdienstes. Dieser Charakter hält auch heute - und für die Zukunft - an. Und hatte zunächst das vordergründig wichtige Ergebnis: den Erhalt der Liga. Dazu muss man wissen: 2009 hatte Herzberg, einer der größten Trainer-Köpfe in Osthessen und Thüringen, den VfL in der Winterpause übernommen, schälte sich als drittbeste Rückrunden-Mannschaft heraus - und realisierte den kaum für möglich gehaltenen Klassenerhalt. „Du musst das machen wie damals“, sagte Roth anfangs des Jahres zu Herzberg.
Beginnen wir unsere Recherche mit einem Besuch bei Andreas Herzberg in Geisa. Der 67-Jährige wohnt mit seiner Ehefrau Martina inmitten eines - halten Sie sich fest - nicht alltäglichen Grundstückes: einem idyllischen, zauberhaften, fast magischen Garten. Der liegt so schön und gepflegt, fast ein bisschen märchenhaft da, dass man auf die Idee kommt: Es gibt doch wichtigere Dinge als Fußball; solche, in denen man sich auf Anhieb wohlfühlen kann. Manche Sinnsprüche tragen und begleiten einen zudem. Einer macht aufmerksam. Kurz vor dem Eingang ins Wohnhaus. „Hier wohnt ein Leipzig-Fan. Betreten an Spieltagen auf eigene Gefahr“ heißt es da. „Das betrifft meine Frau“, erklärt Andreas Herzberg. Die ist Fan von, nein nicht von Lok oder Chemie - sondern von Rasenballsport Leipzig; früher mal und noch immer in der Wahrnehmung vieler „Red Bull“. Martina Herzberg studierte einst in Leipzig und hatte eine spezielle Nähe dorthin. Zu dieser Zeit machte Andreas in der Sportschule Hennef seine A-Lizenz - Seite an Seite mit dem bekannten Coach Ralph Hasenhüttl, „jeden Abend haben wir in der Sauna zusammen gesessen“, erinnert sich Herzberg.
Schon ist die Brücke geschlagen. Sobald Andreas Herzberg über Fußball redet, spürt man: Er lebt Fußball. Analytisch kommt er rüber. Strukturiert. Mit klarer Sprache. Klaren Worten. Klaren Vorgaben. Man denkt sich: so, wie er spricht, so trainiert er auch. Oder so tritt er seiner Mannschaft gegenüber. Und schon sind wir mitten im Thema, das hier im ersten Teil der Geschichte im Fokus stehen soll: Wie es die SG Eiterfeld/Leimbach zum Klassenerhalt schaffte - und welchen Anteil Herzberg daran hatte.
Er übernahm das Team also in der Winterpause, und rückblickend betont er: „Das Wichtigste war für mich: wie breit ist das Leistungsspektrum? Die Vorbereitung war herausfordernd.“ Die hatte sein Vorgänger Romeo Schäfer noch entworfen. Herzberg machte bald, obwohl es nichts Neues für ihn war, Bekanntschaft mit der Realität. „Nach dem ersten oder zweiten Spieltag waren wir im negativen Trend“, „und er erkannte Dinge, die ihm nicht so schmeckten. Das Defensivverhalten stimmte nicht. In diesem Prozess auch das Abkappen. Nach sechs oder sieben Spielen hatte sein Team nur einen Punkt geholt. Ein zäher Beginn seines „Freundschaftsdienstes“ - so artikulierte es selbst seine Aufgabe und die Zusage, die er seinem ehemaligen Kapitän Florian Roth gegeben hatte. Und eigentlich hatte er mit seiner Trainer-Karriere abgeschlossen.
„Die Jungs hatten einen ziemlichen Hänger“, spürte Herzberg, „ich hatte selber zu kämpfen“, und er nahm das auch und nicht zuletzt bei seinem Spezi Florian Roth wahr. „Für uns gab es erst einmal nur eine Aufgabe: die Verbandsliga zu halten.“ Eine fußballerische Entwicklung schob er beiseite, an Automatismen, die seine Philosophie vom Fußball so markieren, dachte er nicht. Die waren weit weg. „Die Zeit war zu kurz. Der Druck zu hoch“, spürte und wusste er. Er, der analytische Trainer-Kopf, sah keinen schönen Fußball. Mit „Zufallsfußball“ fand er ein passendes Etikett. Alle, die es wissen oder noch wissen wollen, macht er schlau. „Ich bin jemand, der Positionsspiel bevorzugt. Und dazu braucht man Automatismen.“ Oder auch: maximales Vorausdenken. Etwa so: „Wenn A weiß, dass B an den Ball kommt und C weiß, wie er reagieren muss …“ Abläufe, die in jeder Mannschaftssportart elementar wichtig seien. Auch und erst recht im Fußball.
Doch Herzberg gab die Hoffnung, dass sein Team die Klasse halten könnte, nicht auf. „Ich habe versucht, Zuversicht in die Mannschaft zu bringen. Ich habe ihr auch verboten, zu rechnen. Und ich habe ihr gesagt, dass ich im Falle eines Abstiegs weitermachen würde. Um eine Initialzündung zu bringen.“ Und diese Botschaft kam an. „Ich hab‘ positive Resonanz bekommen aus der Mannschaft.“ Spieler wollten bleiben. Nicht zuletzt wegen Andreas Herzberg. Weil auch er blieb - wohlgemerkt: Der Wunsch der Vertragsverlängerung kam von Vereinsseite aus, der Verein trat an ihn heran. Der erste Sieg kam, „das hat uns einen Schub gegeben“, merkten Trainer und Team. Positiv auch: Die Mannschaft lieferte gegen starke Gegner gute Leistungen ab. Die Zuversicht wuchs Am Hain. Der Weg war kein leichter, aber es wurde von mal zu mal besser. Am letzten Spieltag machte das Team mit dem 3:1-Sieg in Eichenzell den Klassenerhalt endgültig perfekt.
„Komischerweise war ich sehr gefasst“, sagt der Trainer rückblickend, „diese Situation hatte ich zum dritten Mal durchgemacht“. Im vergangenen Jahr erst beim nahen Thüringer Traditionsklub Wacker Bad Salzungen, den er gar auf dem letzten Tabellenplatz übernahm, aber auch noch zum Klassenerhalt, in den sieben Teams verstrickt waren, führte. Und vor 15 Jahren in Eiterfeld. Mit Spielern wie Carsten Rericha, Johannes Richter, André Schilling, Daniel Pfromm, Bertram Laibach oder aber Florian Roth. Über den sagt Herzberg, er lebe den Verein. Roth entgegnet: „Ich habe Andreas Herzberg schon damals als Fußball-Verrückten und Detail-Versessenen kennengelernt, der nichts dem Zufall überlässt. Als einen, der sowohl jüngere als auch erfahrene Spieler aus- und weiterentwickeln kann. Der mit seiner Art, seinem Erfahrungsschatz und seiner klaren Ansprache Werte rüberbringt.“ Und er schiebt nach: „Wir haben durchaus eine Entwicklung genommen. Zum Schluss der Saison haben wir unsere ersten Spiele korrigiert. Und in den letzten Spielen eine überragende Geschichte geschrieben.“ Das bemerkt in Florian Roth einer, der nach seinem Engagement als Spieler drei Jahre Trainer Am Hain war - und als Krönung 2015/16 Meister der Kreisoberliga Nord wurde und den Aufstieg in die Gruppenliga schaffte.
Indessen ist die Zeitreise des Andreas Herzberg noch nicht beendet. Irgendwelche Zielvorgaben, die eh nichts bringen, möchte er nicht benennen. Sechs A-Junioren rücken aus der starken Nachwuchsabteilung auf, „die sind alle gut. Vom Kopf her. Ihrer Einstellung. Christian Winter hat da als Trainer gute Arbeit gemacht“, lobt der Coach der Ersten. Der findet auch abschließend passende Worte. Wichtig sei ihm, dass Ruhe in den Verein gekommen ist. „Diese Ruhe wünsche ich dem Verein auch weiterhin.“ Und er fügt noch an: „Eigentlich ist es ja ein Unternehmen Jugend forscht.“ Nächste Woche beginnt die Vorbereitung in Eiterfeld. Andreas Herzberg macht mit seiner Frau einen Wanderurlaub in Südtirol, seine rechte Hand Simon Schilling absolviert die ersten Einheiten. „Die Spieler haben alle einen Vorbereitungsplan bekommen, mit welcher Herzfrequenz sie trainieren und laufen sollen. Wenn ich zurückkomme und merke, einer hat das nicht gut gemacht, dann läuft er. Da bin ich konsequent.“ Herzberg steht für Werte. Für Verantwortlichkeit und Verantwortung. Für Pflichtbewusstsein. In die Suppe spucken lässt er sich nicht. 200 Spieler etwa gingen in seiner rund 30-jährigen Trainerlaufbahn durch seine Hände.
In Teil zwei lesen Sie den Weg, den Andreas Herzberg hin zu einer Trainer-Persönlichkeit machte. Wie er ihn aus Berlin nach Geisa fand, wie irrsinnig auch seine Erlebnisse auf dem Weg der Flucht vom Osten in den Westen waren. Auch diese Geschichte ist spannend. +++ rl
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