Altmaier: Verhaftungen in der Türkei „rechtsstaatlich hochproblematisch“

Richterbund: Kaum rechtsstaatliche Verfahren in der Türkei zu erwarten

Peter Altmaier (CDU)
Peter Altmaier (CDU)

Berlin/Ankara. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) hat die jüngsten Entwicklungen in der Türkei und das Vorgehen türkischer Institutionen gegen Ausländer scharf kritisiert. Die Bundesregierung stelle mit Sorge fest, „dass vor allen Dingen auch deutsche Staatsbürger in das Visier der türkischen Sicherheitsbehörden geraten sind“, sagte Altmaier am Freitag im ZDF. „Wir wissen in vielen Fällen nicht, was ihnen vorgeworfen wird. Und deshalb sind wir überzeugt, dass das rechtsstaatlich hochproblematisch ist.“

Es handele sich in einigen Verhaftungsfällen um Personen, „die Beziehungen haben zur Türkei, die Verwandte haben, die in Medien tätig sind, Journalisten wie Deniz Yücel“, so der Kanzleramtsminister. Es sei „unsere Verpflichtung diese Menschen zu schützen“, weshalb das Auswärtige Amt nun die Reise- und Sicherheitshinweise für die Türkei verschärft hat. Er hoffe darüber hinaus, dass sich die Situation für Deniz Yücel, Peter Steudtner und alle anderen Inhaftierten „in den nächsten Wochen und Monaten verbessert“, so der CDU-Politiker weiter. Altmaier wörtlich: „Dass sie schnell ihr Gerichtsverfahren bekommen, dass die Haftbedingungen so gestaltet werden, dass es europäischen Standards entspricht.“

Richterbund: Kaum rechtsstaatliche Verfahren in der Türkei zu erwarten

Nach Einschätzung des Deutschen Richterbundes (DRB) können die in der Türkei inhaftierten Deutschen kaum noch auf rechtsstaatliche Verfahren und eine unabhängige Prüfung der gegen sie erhobenen Vorwürfe durch die Justiz hoffen. „Das Erdogan-Regime ist in seiner Willkür inzwischen unberechenbar, zumal eine effektive rechtsstaatliche Kontrolle weitgehend ausfällt“, sagte Verbandsgeschäftsführer Sven Rebehn der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „In der türkischen Justiz herrscht ein Klima der Angst.“ Richter und Staatsanwälte seien zu Tausenden wegen vermeintlicher Nähe zur Gülen-Bewegung entlassen und inhaftiert worden, ihre wirtschaftliche Existenz wurde vernichtet. Rebehn kritisierte: „Die Stellen sind im Schnellverfahren nach einer Schmalspurausbildung durch regierungsnahe Juristen nachbesetzt worden.“ Rechtsanwälte, die Inhaftierte verteidigten, müssten selbst mit dem Vorwurf der Terrorhilfe rechnen und stünden mit einem Bein im Gefängnis. „Unabhängige, rechtsstaatliche Entscheidungen der Justiz sind in dieser fatalen Situation kaum noch zu erwarten“, so der Verbandsgeschäftsführer. Der Deutsche Richterbund fordere die Politik auf, den Druck aus dem Ausland auf das Erdogan-Regime zu erhöhen: „Es ist richtig und längst überfällig, dass die Bundesregierung und andere nun zu einer klaren Sprache gegenüber Ankara finden“, sagte Rebehn. Die EU müsse endlich die milliardenschweren EU-Beitrittshilfen für die Türkei auf Eis legen. Deutschland sollte keine staatlichen Hermes-Bürgschaften zur Absicherung von Türkei-Exporten der deutschen Wirtschaft mehr gewähren. Rebehn: „Das wären zwei klare Stopp-Signale an Ankara.“ +++