Algermissen hielt traditionellen Neujahrsempfang in Fulda ab

Fulda. Im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Debatte um die Legalisierung aktiver Sterbehilfe und des ärztlich assistierten Suizids argumentiert die Kirche aus dem christlichen Glauben heraus und benennt die Unverfügbarkeit des von Gott geschenkten Lebens als Maßstab. „Aber welche Überzeugungskraft hat das in einer Gesellschaft, in der eine Mehrheit der Menschen keine ernsthafte persönliche Beziehung mehr zum christlichen Glauben oder jedenfalls nicht eine enge Bindung an die christlichen Kirchen hat?“, fragte der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen am Donnerstag, 1. Januar, beim traditionellen Neujahrsempfang der Diözese im Fuldaer Priesterseminar. Der Oberhirte betonte, dass es nicht um eine „christliche Sondermoral“ gehe. Vielmehr sei die Werthaltung, das Leben an seinem Anfang wie an seinem Ende unbedingt zu schützen, generell für den Menschen, für seine Würde und seine Zukunft wichtig – unabhängig davon, ob der Einzelne eine entsprechende Bindung an Glauben oder Kirche habe.

Umfassende Wahrung der Menschenwürde während des ganzen Lebens

Der Hinweis, es sei christliche Tradition, sich gegen aktive Sterbehilfe zu stellen, sei in der heutigen Zeit für die Mehrheitsbildung nicht mehr ausreichend. „Zugleich dürfen wir uns auch nicht von anderen in eine Minderheitenposition drängen lassen. Die Argumentation aus den Reihen der Sterbehilfebefürworter, z. B. von den sich humanistisch nennenden Organisationen, zielt ja genau darauf. Uns wird als Christen abgesprochen und bestritten, dass wir Argumente vorbringen könnten, die auch für Nichtchristen einsichtig sind.“ Das sei eine unredliche Verkürzung, denn es geht der Kirche nicht um einen christlichen Herrschaftsanspruch, sondern um die umfassende Wahrung der Menschenwürde und das Wohl der Menschen während seiner ganzen Lebensspanne. „Dafür unter allen Umständen einzutreten ist unser christlicher Auftrag“, zeigte sich der Bischof überzeugt.

Die Christen müssten eine überzeugende Antwort auf das Hauptmotiv der ca. 70 Prozent Befürworter einer Sterbehilferegelung wie in den Niederlanden geben. Es gehe um eine überzeugende Antwort auf ihre Ängste. „Die Angst kann man nicht einfach wegargumentieren. Die notwendige Antwort, die notwendige Hilfe ist der Weg der Hospizbewegung, ist die Begleitung des Kranken und seiner Angehörigen mit menschlicher Zuwendung und den heutigen Möglichkeiten der Palliativmedizin“, stellte Algermissen heraus. Mit ihnen könne in vielen Fällen der Angst vor großen Schmerzen, Einsamkeit und Hilflosigkeit sowie der Situation, dass medizinische Heilung nicht mehr möglich sei, begegnet werden. In diesem Zusammenhang müssten katholische Krankenhäuser und Hospize ein Beispiel deutlicher Alternative geben. Bischof Algermissen rief die anwesenden Vertreter aus Kirche und Politik auf, die die Argumente der Kirche für den Lebensschutz und gegen aktive Sterbehilfe und assistierten Suizid in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen und bei der Aufklärung zu helfen. Nach der Überzeugung der katholischen Kirche geht die Frage nach einer gesetzlichen Regelung der Suizidbeihilfe und der Sterbehilfe weit über die Selbstbestimmung des Einzelnen hinaus. „Jenseits aller Bevormundung von Menschen geht es um zentrale gesellschaftliche Werte, um das gesellschaftliche Klima, um das Bild vom Menschen und die Einstellung zu Leid und Krankheit in dieser Gesellschaft“, betonte der Bischof.

Dank an Oberbürgermeister Gerhard Möller

Der Bischof sprach dem Fuldaer Oberbürgermeister Gerhard Möller (CDU), der am 12. Dezember der Stadtverordnetenversammlung mitgeteilt hatte, 2015 nicht mehr für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, seinen Dank aus. „Sie waren in den 12 Jahren als Oberbürgermeister unserer Stadt Fulda für mich als Bischof jederzeit ein überzeugender, ganz und gar authentischer Mensch in meiner Nähe und Gesprächspartner.“ Möller habe mit großer Kompetenz und Zuverlässigkeit Fulda vorwärts gebracht und sei Garant der guten Verbindung zwischen Stadtschloss und Dom sowie Bischofshaus gewesen. Zum Schluss dankte Bischof Algermissen den Haupt- und Ehrenamtlichen in Pfarrgemeinden, Verbänden und der Diözesanverwaltung, insbesondere seinem Generalvikar Prof. Dr. Gerhard Stanke, für ihre gute Arbeit im vergangenen Jahr.

Kirche muss glaubwürdig Gottes Liebe bezeugen

Generalvikar Prof. Stanke hatte zu Beginn des Neujahrsempfangs die anwesenden Gäste aus Kirche, Politik und öffentlichem Leben willkommen geheißen und hervorgehoben, dass Christen in Jesus Christus eine Antwort auf die Frage, wo der Mensch seine Heimat habe, geben könne, die alle Erwartungen übersteige. Es sei wichtig, von der Bedeutung dieser Wahrheit überzeugt zu sein und sie als Botschafter zu verkünden, „und das in der Gewissheit, dass sie auch heute Menschen erreicht, wenn wir sie glaubwürdig verkünden“. Die sei eine Herausforderung für alle getauften und gefirmten Christen, so Stanke. Die Kirche habe es in der Nachfolge von Jesus Christus hinzunehmen, von den „Klugen und Mächtigen verachtet zu werden, aber sie könne es sich nicht leisten, von den „Armen und Kleinen“ verachtet zu werden. Diese seien die Privilegierten bei Jesus und müssten es auch in der Kirche sein. „Auch wenn wir in der Kirche über Strukturen, Finanzen, Immobilien und Gremien reden, geht es letztlich darum, glaubwürdig die Erinnerung an Gott wachzuhalten, der uns in Jesus von Nazareth sein Gesicht gezeigt und sein inneres Wesen als Liebe offenbart hat.“ Die hohe Zahl der Kirchenaustritte in letzter Zeit sei nicht in erster Linie aus finanzieller Sicht bedauerlich, sondern vielmehr deshalb, weil diese Menschen in der Kirche keine Heimat gefunden hätten, unterstrich der Generalvikar. In der pastoralen Zukunftsplanung des Bistums Fulda müssten demographische und gesellschaftliche Veränderungen mitberücksichtigt werden.

Der Sprecher des Priesterrats der Diözese, Pfarrer Jan Kremer (Petersberg), hob hervor, dass die Zeit eines geschlossenen kulturellen christlichen Milieus auch im Raum Fulda vorbei sei. „Schwestern und Brüder zu sein wird immer wichtiger“, sagte er mit Bezug auf den Umgang der Kirche mit Menschen anderer Religion oder Konfession. Dies sei der Schlüssel für die Zukunft einer immer pluraler werdenden Gesellschaft. Im Zentrum der Bemühungen um ein gutes Miteinander müsse die Würde des Menschen stehen. Daraus folge auch in der Kirche vor Ort das Engagement für Lebensschutz, für Klimaschutz und die Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten.

Landrat Bernd Woide (CDU) sprach, auch im Namen von Oberbürgermeister Möller, für Landkreis und Stadt Fulda der Kirche seine besten Neujahrswünsche aus und hob in seiner Ansprache hervor, dass es zwar eine staatliche Aufgabe sei, die in die Region kommenden Asylbewerber und Flüchtlinge unterzubringen und zu betreuen, dass aber die Herausforderung, sie gesellschaftlich zu integrieren, auch den kirchlichen Pfarreien vor Ort zukomme. Er rief dazu auf, nicht in erster Linie die Risiken zu sehen, sondern in diese Menschen und ihre Bildung zu investieren, denn „sie kommen zu uns, weil sie hier eine Perspektive für ihr Leben sehen“. Zuwanderer könnten die deutsche Gesellschaft auch bereichern. Es sei „gute christliche Tradition“, fremde Menschen bei sich aufzunehmen.

Am Ende des Neujahrsempfangs gab Bischof Algermissen eine päpstliche Ehrung bekannt. Für sein herausragendes kirchliches Engagement wurde Geistlicher Rat Pfarrer i. R. Gerhard Arnold (80), ehemals Pfarrer der Pfarrei Hl. Dreifaltigkeit in Kranlucken im früheren Dekanat Geisa, von Papst Franziskus mit dem Titel „Päpstlicher Kaplan“ (Monsignore) ausgezeichnet. Bischof Algermissen würdigte Arnolds priesterliche Tätigkeit unter den schwierigen Bedingungen des DDR-Regimes und hob hervor, dass er auch in seinem Alter nach wie vor als Seelsorger wirke. Geboren am 9. September 1934 in Zella/Rhön, legte Arnold 1959 im Norbertuswerk in Magdeburg sein Abitur ab und studierte Philosophie und Theologie in Erfurt und Neuzelle. Am 19. Dezember 1964 wurde er im Erfurter Dom durch Weihbischof Hugo Aufderbeck zum Priester geweiht: Danach folgten Kaplans- und Pfarrkuratsjahren in Mühlhausen, Heldrungen und Großenehrich. 1972 kam er als Seelsorger nach Ebeleben. Im Dekanat Sondershausen der heutigen Diözese Erfurt nahm er auch die Aufgabe eines Caritasreferenten wahr. Vom 1. September 1978 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand am 1. August 2007 wirkte Arnold als Pfarrer in Kranlucken, wo er noch heute wohnt. Im Dezember 2002 wurde er in Anerkennung seiner Verdienste von Bischof Heinz Josef Algermissen zum Geistlichen Rat ernannt. +++ fuldainfo