
Abiturienten der Jahrgangsstufe Q3 der Winfriedschule Fulda hatten heute vor dem Hintergrund der Wahl des 21. Hessischen Landtags am 8. Oktober die Gelegenheit, in einem Speed-Dating-Format parteiübergreifend die Direktkandidaten der beiden heimischen Wahlkreise 14 und 15 (Fulda I und Fulda II) besser kennenzulernen und an diese Fragen zu ihrem Wahlprogramm sowie zu deren Auffassung zu bundespolitischen Themen zu adressieren. Das 90-minütige Format (jeder Wahlkreisbewerber bekam mit den Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe II 15 Minuten Zeit) wurde von der Fachschaft PoWi, heute vertreten durch Lukas Kaufmann, Lehrkörper für die Fächer Politik und Wirtschaft sowie Geschichte, der Winfriedschule geplant, organisiert und durchgeführt. Den kritischen Fragen der Schülerinnen und Schüler stellten sich von der Partei Bündnis 90/DIE GRÜNEN die Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Fuldaer Stadtverordnetenversammlung Silvia Brünnel MdL sowie deren Fraktionskollege in Wiesbaden Markus Hofmann MdL, von der SPD Dr. Szymon Mazur für den Wahlkreis 14 (Fulda I), von der CDU Sebastian Müller MdL (Wahlkreis 15; Fulda II) und Thomas Hering MdL (Wahlkreis 14; Fulda I), außerdem Wolfgang Lörcher von der Partei DIE LINKE. sowie von der FDP der Fraktionsvorsitzende der FDP-Kreistagsfraktion Mario Klotzsche (Wahlkreis 15; Fulda II) und Tobias Müller (Wahlkreis 14; Fulda I) sowie Christian Douglas aus Gießen für den Wahlkreis 14 (Fulda I) von der AfD.
„Wie stehen Sie zum Ausbau von Erneuerbaren Energien? Wie wichtig ist Ihnen Umweltschutz allgemein? Definieren Sie eine gerechte Lohnpolitik? Wie stehen Sie zur Legalisierung von Cannabis? Wo glauben Sie, hat der Verfassungsschutz noch Defizite? Begreifen Sie Migration als Chance für den deutschen Arbeitsmarkt? Denken Sie, der Klimawandel sei menschengemacht? Sind Sie der Auffassung, dass die Frühkindliche Bildung entscheidend ist für den späteren beruflichen Erfolg? Der Krieg in der Ukraine hat uns gezeigt, wie sehr man von anderen Ländern abhängig ist. Wie positionieren Sie sich zur Thematik Ernährungssicherheit? Ist eine doppelte Staatsbürgerschaft sinnvoll? Wie wollen Sie sich politisch dafür einsetzen, um Pflegeberufe wieder attraktiv für junge Menschen zu machen? Wie können Krankenhäuser und Maximalversorger wieder eine Zukunft haben? Was müsste getan werden, damit mittelständische Unternehmen wieder erfolgreich wirtschaften können? Würden Sie unterschreiben, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, und wie halten Sie es mit der Fachkräftezuwanderung aus dem Ausland? Die Fragen des Abiturientenjahrgangs Q3 der Winfriedschule Fulda hätten unterschiedlicher nicht sein können, haben sie doch alle einen Bezug zur Landtagswahl in Hessen, die mit der Wahl eines neuen Landtags in unserem Nachbarland Bayern auf den 8. Oktober fällt. Wofür sich die einen klar aussprechen, halten andere derzeit für weniger aktuell und daher auch für weniger sinnstiftend. So findet der Kandidat der LINKEN, Wolfgang Lörcher, Gefallen an einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen. „Es ist eigentlich egal, wie schnell man fährt; man wird deswegen sein Ziel nicht schneller erreichen, weil man auf deutschen Autobahnen ja eh ständig im Stau steht“, so Lörcher, was bei seiner Forderung paradox klingen mag. Lörcher, der einmal KFZ-Mechaniker gelernt hat, befürwortet den Ausbau des ÖPNV, der bestenfalls kostenfrei sein sollte. Und auf Pkw umsteigen nur noch, wenn es unbedingt sein muss.
Wenn es nach dem Kandidaten der Grünen, Markus Hofmann MdL, ginge, gebe es an Hessens Schulen schon lange ein Schulfach „Medienkompetenz“. „Zusammen mit dem Elternhaus kommt Schulen diese wichtige Aufgabe als Bildungsauftrag zu. Ich finde es wichtig, dass Heranwachsenden früh genug den Umgang mit Medien geleert wird“, so Markus Hofmann. Dr. Szymon Mazur, der in Fulda als Richter tätig ist, sprach sich heute in der Winfriedschule Fulda für mehr unabhängige Kontrollen beim Verfassungsschutz aus. Man müsse anerkennen, dass der Rechtsextremismus unsere wohl größte Bedrohung ist. In diesem Zusammenhang verwies der SPD-Kommunalpolitiker auch auf den Mord am früheren Kasseler Regierungspräsidenten und CDU-Politiker Dr. Walter Lübcke. Sebastian Müller MdL von der CDU sprach sich bezugnehmend der Gesundheitspolitik für eine Stärkung von Krankenhäusern und Maximalversorgern aus, die „alle medizinischen Bereiche“ abdecken. Auf die Bürokratie angesprochen, entgegnete der Abgeordnete, dass man in Deutschland „den Mut aufbringen müsse, Dinge auch mal wegzulassen.“ Aus seiner früheren jahrelangen beruflichen Tätigkeit in der Verwaltung wisse er um die Lastigkeit, die eine Verwaltung eigentlich nur lähme. Von den Heranwachsenden zu umweltpolitischen Themen befragt, verwies Sebastian Müller auf das Biosphärenreservat Rhön, das Alleinstellungsmerkmal genieße, dieses es zu bewahren und zu fördern gelte. Der Direktkandidat der AfD für den Wahlkreis 14 (Fulda I), Christian Douglas, sprach sich heute dafür aus, dass Schulen mehr Kompetenz in der Bildung von Heranwachsenden zugeschrieben bekommen sollten. Bezugnehmend der Migrationspolitik definierte er den Abiturienten den Begriff Asyl als temporärer Zufluchtsort für politisch Verfolgte. Diesbezüglich vertritt der gelernte Bankkaufmann und studierte Wirtschaftswissenschaftler, der mit einer Lehrerin verheiratet ist, den Standpunkt, dass man nicht jedem Geflüchteten – aus welchem Grund auch immer – in Deutschland eine Bleibeperspektive einräumen könne. Hier berichtete er den Schülern von einer Begegnung mit zwei Persern, die „top ausgebildet“ gewesen seien und gerne auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß gefasst hätten. „Wir können diesen Ländern aber nicht diese sehr qualifizierten Arbeitskräfte einfach abwerben; dann fehlen die in ihren Ländern“, so Douglas. Zur Klimapolitik befragt und welche Auffassung er vertrete, sagte der AfD-Politiker: „Angst ist kein guter Ratgeber. Ich vertrete die Meinung, dass es einen Klimawandel gibt, der zum einen menschengemacht ist, aber zum anderen auch natürliche Ursachen hat. Wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.“ Bezugnehmend der Verringerung des CO2-Ausstoßes müsse man sich überlegen, wie effektiv die Maßnahmen seien, die jetzt erarbeitet werden. Auch angesichts der Kernkraft sollte man nach Douglas die Forschung wieder in den Mittelpunkt der politischen Überlegungen stellen.
Für Mario Klotzsche von der FDP entscheide sich bei der Frühkindlichen Bildung sehr viel. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, der auch andere Nationen unterschiedlich stark tangiere, sprach sich der FDP-Politiker und studierte Historiker für eine Ernährungssicherheit aus. „Landwirtschaft findet auf dem Boden statt. Hier sollte man verschiedene Nutzungsoptionen durchspielen und sich überlegen, was wie möglich ist, um auch unabhängiger zu werden“, so Klotzsche. Zu dem so dringenden „Fachkräftebedarf“ befragt, warnte Szymon Mazur vor der Rekrutierung aus dem Ausland. „Wir können Ländern nicht die Spitzenarbeitskräfte wegnehmen, dann fehlen sie dort“, verdeutlichte Mazur. „Das Fachkräfteproblem, was wir haben, ist ein Teufelskreis. Hier braucht es einen kreativen Ansatz, und zwar auf allen Ebenen. Dass Pflegeberufe schlecht bezahlt werden, stimmt heute so auch nicht mehr. Die Pflegeberufe gehören heute zu den bestbezahltesten Ausbildungsberufen. Um mehr junge Menschen für Pflegeberufe zu begeistern, braucht es Anreize, wie beispielsweise bezahlbare Wohnkomplexe in Nähe der Arbeitsstätte, wie sie beispielsweise auch bei uns aktuell in Fulda gegenüber dem Klinikum in der Pacelliallee entstehen.“
Über ihren Weg in die Kommunalpolitik und von dort aus in die Landespolitik und welche Gründe sie motivierten, sich parteipolitisch zu engagieren, berichteten den Schülerinnen und Schülern Silvia Brünnel MdL (Grüne) und Thomas Hering MdL (CDU) eindrucksvoll. So nahm bei dem CDU-Landtagsabgeordneten Thomas Hering der eingeschlagene Weg ins Priesterseminar noch einmal eine ganz andere Wendung, der ihn zur Polizei führte. Bei ihr hat er alle Abteilungen durchlaufen. In seiner als Abgeordneter eher knapp bemessenen Freizeit treibt der frühere Polizeibeamte auch heute noch sehr gerne Sport und verbringt viel Zeit mit der Familie. Zuhause beweist sich der Kommunal- und Landespolitiker auch gerne einmal als leidenschaftlicher Handwerker. Silvia Brünnel berichtete den Oberstufenschülern aus ihrem politischen Leben als Abgeordnete und wie ihr Leben vor ihrem Mandat war. So mag der eine oder andere sie aus dem „Rädchen“ in Fulda her kennen, dieses sie einige Jahre als geschäftsführende Gesellschafterin mit verantwortete. Wie breit das Wissen der studierten Sozialpädagogin (FH) auch fernab grünenpolitischer Themen ist, versetzte die Gymnasiasten ins Staunen.
Nach 90 Minuten war das Speed-Dating in der Aula beendet. Lukas Kaufmann bedankte sich bei den Abiturienten und den Direktkandidaten für ihre Teilnahme am Format und ermutigte die Heranwachsenden am 8. Oktober zur Wahl zu gehen. +++ jessica auth