Wohnungsnot auch in Fulda?

SPD Fulda lud zur Informationsveranstaltung

Fehlt in Fulda bezahlbarer Wohnraum? Muss die Stadt mehr tun, um in Fulda zusätzlichen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen? Diesen und weiteren Fragen ging die SPD in Fulda gestern Abend im Rahmen einer von ihr initiierten Podiumsdiskussion im ParkHotel „Kolpinghaus“ in Fulda nach. Als Gesprächspartner fungierten der stellv. Vorsitzende der CDU-Stadtverordnetenfraktion sowie Vorsitzende des Haupt- und Finanzausschusses, Dipl.-Kaufm. Hans-Dieter Alt, der Jurist und aktueller Anwärter auf das Amt des Bürgermeisters in der Großgemeinde Eichenzell am 26. Januar 2020 und Vorsitzende der SPD-Fraktion im Eichenzeller Gemeindeparlament, Lutz Köhler vom Verein „Mieterbund Fulda und Umgebung“, Wolfram Latsch von der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in der Stadt sowie im Landkreis Fulda (Zusammenschluss der Fuldaer Wohlfahrtsverbände) sowie der Jurist Jonathan Wulff, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Fuldaer Stadtparlament. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Szymon Mazur, Richter am Amtsgericht Fulda.

In vielen Regionen Deutschlands wird bezahlbarer Wohnraum immer rarer. Demnach haben circa 650.000 Menschen in Deutschland gar keine Wohnung und sind daher in Notunterkünften untergebracht. 50.000 Menschen in Deutschland sind obdachlos, weshalb immer mehr von einer Bevölkerungsexplosion und akuter Wohnungsnot gesprochen wird. Die Preisexplosion von Immobilien erreicht dabei immer mehr mittlere sowie Kleinstädte. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Maklerportals „Homeday“. Fast 40 Prozent mehr als noch vor drei Jahren muss man in vereinzelten Städten für eine Wohnung zahlen.

Laut der Studie sind innerhalb der letzten drei Jahre die Quadratmeterpreise für Wohneigentum in den 150 größten deutschen Städten von durchschnittlich 1.780,00 Euro auf 2.240,00 Euro gestiegen. In Fulda liegen diese laut wohnungsboerse.net bei einer Wohnraumgröße von 60 Quadratmetern bei 1.953,45 Euro – in Hessen bei 3.544,98 Euro und in Deutschland bei 3.318,50 Euro. Für eine Eigentumswohnung der Größe 100 Quadratmeter liegen diese bei 2.790,06 Euro in Fulda, in Hessen bei 3.651,05 Euro sowie in Deutschland bei 3.762,97 Euro. Die aktuellen Immobilienpreise in den Top- 7-Städten bewegen sich aber auf einem deutlich höheren Niveau, zwischen 3.400,00 Euro für den Quadratmeter in Köln und 7.100, 00 Euro in München.

Auf die Frage, ob auch in Fulda von einer Wohnungsnot gesprochen werden könne, antwortete Hans-Dieter Alt: „Nein; aber natürlich sehe ich – als Mensch, der gerne mit Zahlen und Fakten versucht zu argumentieren – auch, dass das Thema ‚Wohnen‘ nicht vergleichbar ist mit anderen Gütern des Lebens. Wohnen ist eines der wichtigsten Güter, die man einem Menschen zukommen lassen muss als Staat. Mit dem Thema Wohnen sind Heimat, Wohngefühl und Familienleben verbunden. All das, was ich auch persönlich als Bestandteil des menschlichen Lebens betrachte, wäre ohne Wohnen undenkbar. Ich bin der Auffassung, dass sich dieses Problem auch in unserer Stadt abzeichnet, zu lösen ist. Ich vertrete die Auffassung, dass dieses Problem gelöst werden kann mit marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, und zwar sozialmarktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Ich sehe Fulda als eine Kommune, die nicht vergleichbar ist mit den Lebenssituationen in Berlin, München, Frankfurt oder Köln. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass es so bleibt. Das ist ganz wichtig. Wir gehen im Moment auch davon aus, dass sich der Bedarf pro Einwohner in den nächsten 10 Jahren noch einmal um mindestens fünf Quadratmeter pro Person erhöhen wird. Und wenn man das dann auf die Bevölkerungen auf Fulda mit fast 70.000 Einwohnern sieht, dann würde dies bedeuten, dass man noch einmal etwa 350.000 Quadratmeter in Fulda schaffen muss.“

Lutz Köhler vom Mieterbund Fulda und Umgebung erläuterte: „Natürlich ist Fulda nicht mit dem Wohnungsmarkt im Rhein Main Gebiet zu vergleichen. Aber nur, weil es nicht so schlecht ist, wie dort, heißt das ja nicht automatisch, dass hier alles gut ist. Wenn man sich einmal vergegenwärtigt, ab wie viel Einkommen man heute bereits einen Wohnberechtigungsschein bekommt, gestaltet sich die Wohnungssuche mit einem normalen Einkommen eher schwierig.“ Darüber hinaus sieht der Jurist bei den Wohnungen um die 50 Quadratmeter ein weiteres, großes Problem. „Hier liegen wir in Fulda in einem ganz schwierigen Bereich.“ Wie man den Redebeiträgen des aktuellen Anwärters auf das Bürgermeisteramt in Eichenzell entnehmen konnte, sieht er schon, dass es in Fulda bezugnehmend der Ausgangsfrage, schon ein Problem gibt. Und die Lösung, die darin bestünde, aufs Land zu ziehen, helfe den Betroffenen auch nicht weiter, denn: „Zum Arbeiten müssten diese in die Stadt und oftmals besitzen diese Menschen gar kein Auto“, sagte Horst Köhler.

Wolfram Latsch von der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in der Stadt sowie im Landkreis Fulda (Zusammenschluss der Fuldaer Wohlfahrtsverbände), der gestern Abend auch einen Vortrag zum Thema Wohnen hielt, bekundete: „Wenn ich bei uns in den Mitgliederorganisationen nachfrage, welches Thema im Moment gerade im Wesentlichen aufschlägt, dann ist dieses, dass Menschen mit Schwierigkeiten überhaupt erst gar keine Wohnung finden; vor allem keinen bezahlbaren.“ Als Vertreter der Liga der Freien Wohlfahrtspflege vertritt er Menschen, die, weil sie einen meist desaströsen Background haben, nicht gerade privilegiert sind und oftmals noch körperliche oder psychische Beeinträchtigungen haben. Für diese Klientel gesprochen, könne er die Frage, ob in Fulda auch von einer Wohnungsnot gesprochen werden könne, schon zustimmen. Doch bestünden seiner Meinung auch wenn man diese Klientel ausblendet bei der Suche nach einer geeigneten Wohnung in Fulda wohl Probleme.

Jonathan Wulff, Fraktionsvorsitzender der SPD im Fuldaer Stadtparlament und von Beruf Jurist, sagte gestern Abend, dass überhaupt erst einmal definiert werden müsse, wann genau von einer Wohnungsnot gesprochen werden könne. Wenn man unter Wohnungsnot das versteht, was man in einige Bezirken Berlins erlebt, so könne man für Fulda sagen, dass wir hier kein Problem haben. Dennoch gibt es in Fulda Menschen, die keine Wohnung finden, diese, so Wulff, seien in den letzten Jahren immer mehr geworden. Die entscheidende politische Frage, die sich hier stellt, sei: Wie löst man dieses Problem? „Wir als Oppositionspartei werden oft von Menschen mit diesen Problemen angesprochen. Es könne nicht sein, so die Betroffenen, dass man, wenn man eine Sozialwohnung für sich gefunden hat und sich in eine Liste eintragen möchte, die, schon nach kürzester Zeit so voll ist, dass man letztlich gar keine reelle Chance hat“, berichtete Jonathan Wulff seine Erfahrungen. Das Gleiche gelte im Übrigen für eine Nachfrage bei der Wohnungsbaugenossenschaft. Aus diesen Blickwinkeln betrachtet, könne man für Fulda schon von einer Wohnungsnot sprechen, auch wenn diese nicht in denselben Kontext von anderen Städten mit ihren sozialen Brennpunkten gerückt werden kann. Womöglich seien Bautätigkeiten am „Löhertor“ im Stadtgebiet Fuldas oder im Stadtteil Haimbach ein Schritt in die richtige Richtung, mutmaßte der abschließend.

Im Nachgang an die Podiumsdiskussion kam es zu einer weiteren Diskussion – diesmal unter den rund 40 anwesenden Interessierten – darunter auch einige Stadtverordnete sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Vereinen und Verbänden und die daher von der anberaumten Problematik Kenntnis haben. Einer der Anwesenden, ein Student, adressierte die Frage, warum man die RhönEnergie Fulda nicht in der Innenstadt ließ und das renovierte Löhertor-Areal nicht für Wohnungen reservierte? Und überhaupt werde von Seiten der Kommunalpolitik bloß immer viel geredet, nichts Konkretes aber auf den Punkt gebracht. Am Ende standen einige Ideen und Verbesserungsvorschläge im Raum, eine Steilvorlage für die Diskutanten. +++ nh/ja