Rechtsphilosoph kritisiert Diskussion über schwangere 65-Jährige

Berlin. Reinhard Merkel, Rechtsphilosoph und Mitglied des Deutschen Ethikrates, hat die öffentliche Debatte über die 65-jährige Berlinerin, die Vierlinge erwartet, scharf kritisiert. „Die 95 Prozent der Kritiker geben, meine ich, kein gutes Beispiel für ein fundiertes und kohärentes ethisches Urteil. Mir scheint, sie machen im Namen des Kindeswohls vor allem die eigenen Aversionen öffentlich“, sagte der Jurist im Interview mit der „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“.

„Wir führen eine Diskussion, die wir eigentlich hinter uns gelassen haben sollten. Wer will denn ernsthaft verbindlich festlegen, wer Kinder bekommen darf und wer wegen Alters oder Krankheit oder aus sonstigen Gründen keine bekommen soll?“ Er halte weder das Alter der Frau für ein besonderes Problem noch die Wahl der reproduktionsmedizinischen Mittel. Allerdings sieht er in einer Vierlingsschwangerschaft „ein erhebliches medizinisches Risiko für die Ungeborenen und daher auch ein moralisches Problem. Aber das ist vom Alter der Mutter ganz unabhängig.“

Merkel plädiert dafür, bei künstlichen Befruchtungen eine Obergrenze festzusetzen und Frauen nur maximal zwei Embryonen einzusetzen. „Wenn Ärzte in reproduktionsmedizinischen Kliniken vier oder fünf Embryonen einsetzen, damit wenigstens einer oder zwei sich im Uterus einnisten und eine Schwangerschaft begründen, so halte ich das für moralisch falsch“, sagte er. Dass, anders als in vielen anderen Ländern, in Deutschland die Eizellspenden verboten sind, ist seiner Ansicht nach verfassungswidrig: „Denn eigentlich werden die Frauen damit auf paternalistische Weise vor sich selbst geschützt.“ Merkel, der an der Universität Hamburg Rechtsphilosophie und Strafrecht lehrt, sieht in Deutschland grundsätzliche Vorbehalte gegenüber der Reproduktionsmedizin. „Viele empfinden die ganze Entwicklung in der Reproduktionsmedizin als ein Projekt `Homunkulus`“, sagte Merkel. +++ fuldainfo